Kleine Anfrage
Während deutsche Burschenschaften unter Extremismus-Verdacht geraten, stärkt die Bundesregierung ihrem Dachverband den Rücken: Die DB sei eine "demokratische Studentenorganisation", bedenklich seien nur einzelne Mitglieder. Die Opposition findet das blauäugig.
Soll es einen "Ariernachweis" für Burschenschafter geben? Und war der Widerstandskämpfer und Theologen Dietrich Bonhoeffer, den die Nationalsozialisten 1945 ermordeten, ein "Landesverräter"? Mit solchen Fragen beschäftigt sich der Dachverband der Burschenschaften in Deutschland und Österreich (DB) seit rund zwei Jahren ernsthaft - und sie rücken das Treiben der studentischen Bünde seitdem in sehr schlechtes Licht.
Für die Bundesregierung genügen diese rechtsextremen Ausfälle jedoch nicht, an der Demokratietreue der DB zu zweifeln. Man halte den Dachverband für eine "demokratische Studentenorganisation". Es lägen derzeit "keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Dachverband der Deutschen Burschenschaft (DB) Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind". Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor.
Im Dachverband selbst tobt seit längerem ein Machtkampf zwischen rechten und liberaleren Bünden. Verantwortlich für die Verwerfungen sind Mitglieder der "Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn" und weitere Bünde, die sich in der "Burschenschaftlichen Gemeinschaft" organisiert haben. Von Raczek-Mitgliedern stammt sowohl der Antrag für einen "Ariernachweis", also auch die Schmähung gegen Bonhoeffer. Norbert Weidner, Chefredakteur der DB-Verbandszeitung "Burschenschaftliche Blätter", hatte zur Hinrichtung Bonhoeffers durch die Nationalsozialisten geschrieben, sie sei "rein juristisch gerechtfertigt" gewesen.
"Vereinzelt Doppelmitgliedschaften rechtsextremistischer Personen"
Solche Äußerungen, befindet nun die Bundesregierung, könnten zwar "im Rahmen der vorzunehmenden wertenden Gesamtbetrachtung - einen Anhaltspunkt für verfassungsfeindliche Bestrebungen darstellen". Im nächsten Satz schränkt sie jedoch ein: Es gebe derzeit "keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine von der DB vertretene Auffassung handelt".
Die Antwort überrascht ein wenig, denn unlängst sprach eine Mehrheit innerhalb des Dachverbandes dem Autor der extremen Thesen, Norbert Weidner, das Vertrauen aus. Beim jüngsten Verbandstreffen im Juni wählten die anwesenden Burschen Weidner erneut zum "Schriftleiter" ihrer Verbandszeitung. Liberalere Bünde hatten eigentlich angekündigt, Weidner abwählen wollen. Der Wahl folgte ein Eklat, fünf Vorstände traten aus Protest zurück.
Was die Regierung auflistet, sind "vereinzelte Kontakte bzw. Doppelmitgliedschaften rechtsextremistischer Personen oder Organisationen zu einzelnen Burschenschaften". So weit, so bekannt. Im Zusammenhang mit mehreren Razzien gegen die rechtsextreme kriminellen Vereinigung "Aktionsbüro Mittelrhein" wurde Anfang März Cornelius D. festgenommen, der drei Jahre lang und mindestens bis Ende 2011 Ehrenmitglied der Raczeks war. Ihm wirf die Staatsanwaltschaft Koblenz neben der Mitgliedschaft im "Aktionsbüro Mittelrhein" versuchte Körperverletzung und Landfriedensbruch vor. Des Weiteren sollen mindestens sieben Mitglieder der Raczeks "sehr engen Kontakt" zur rechten Szene haben, berichtete der WDR.
Burschen feiern "Rohrkrepierer", Linke geißeln "Blauäugigkeit"
Trotz der Mehrheit für Weidner auf dem Burschentag und der offenbaren Nähe der Raczeks zu extremen Rechten sieht die Bundesregierung das Gros der Bünde nicht unter Extremismusverdacht: "Die überwiegende Mehrzahl der Mitgliedsburschenschaften unterhält keine Kontakte zu Rechtsextremisten."
Eigene Erkenntnisse werden man durch das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht erheben. Für "die Bewertung und Beobachtung einzelner örtlicher und rein regionaler Personenzusammenschlüsse" seien die Verfassungsschützer in den einzelnen Bundesländern zuständig.
Die Deutsche Burschenschaft feiert die Antwort auf die Anfrage als "Rohrkrepierer". Die Linksfraktion versuche "die Deutsche Burschenschaft ins rechtsextremistische Eck zu stellen", schreibt die DB in einer Pressemitteilung. Damit erweise sich "die Hetze einzelner Medien" gegen die DB als haltlos und unberechtigt.
Die Linksfraktion überzeugt die Antwort der Regierung nicht. "Selbst Mitglieder der Deutschen Burschenschaft beklagen eine rechtsextreme Übernahme ihres Dachverbandes, doch die Regierung will dort weiterhin keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen erkennen", sagt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. Diese "Blauäugigkeit" sei erschreckend.
cht/fln/dapd