Von Andrea Röpke
Erzieher und Nazi: Das funktioniert, wenn Rechte ihren politischen Fanatismus auf das Internet beschränken. Gestern nahm das Bundeskriminalamt die Verantwortlichen des größten Neonazi-Portals „Thiazi-Forum“ hoch.
Als 2010 seine Moderatorin „Enibas“ als 10-fache Mutter aus Mannheim von der Autonomen Antifa Freiburg geoutet wurde, schimpfte „Thiazi“-Chef „WPMP3“, dass Schlimme an der Sache sei: „Es war absehbar und ich habe mich schon lange gewundert, dass es nicht passiert ist“. Er rief seine tausendfache Anhängerschar und vor allem die Moderatoren zu mehr Vorsicht und Anonymität auf, denn die Mannheimerin sei nicht die einzige, „die es treffen“ könnte.
Im internen Nationalsozialistischen Privatforum von „Thiazi-Netz“ hieß es drohend: „Sollten sich Mitglieder dazu bemüßigt fühlen, wenn sie ‚geoutet’, sprich bekannt gemacht werden, außerhalb des NSPF, des Forums, irgendwelche Daten welcher Art auch immer ‚preiszugeben’, werden sie in Hinkunft ‚sonderbehandelt’, da der F. Leitung bekannt“ und am Schluss: „Heil Euch! Alles für Deutschland“.
Knapp 25.000 Neonazis waren über „Thiazi.net“ vernetzt. Die virtuelle Plattform verstand sich als „germanische Weltnetzgemeinschaft“. Gestern durchsuchten Beamte des Bundeskriminalamtes bei einer bundesweiten Razzia gegen das extrem rechte Forum mehrere Wohnungen und nahmen vier Personen fest: Darunter auch den Anführer „WPMP3“, Klaus Ruthenberg aus dem mecklenburg-vorpommerschen Barth. Dem 30-jährigen Erzieher, der sich stets darum bemüht hatte, nicht aufzufliegen, wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, unter anderem soll unter seiner Obhut zu gewalttätigen Übergriffen aufgerufen worden sein. Ruthenberg selbst pflegte sein Faible für das Dritte Reich.
Seit sieben Jahren als Erzieher im Hort
In elf Bundesländern durchsuchten Polizisten 24 Wohnungen und Geschäftsräume. Schwerpunkte lagen in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg. Weitere Razzien an der Ostseeküste gab es in Wismar, auf Usedom, in Greifswald und Nadrensee bei Löcknitz. Auch ein NPD-Kader soll unter den Verdächtigen sein.
Erneut betroffen war nach einer Meldung von „Spiegel-online“ auch die Mannheimerin Sabine R. Getroffen haben könnte es auch eine weitere Moderatorin mit dem Nickname „Prometheusfunke“ aus Rheinland-Pfalz. Nach Recherchen der Autonomen Antifa Freiburg von 2009 verbirgt sich hinter „Prometheusfunke“ eine Erzieherin, die sogar eine Kindertagesstätte leiten soll. Als Technikerin von „Thiazi“ wurde gestern eine 30-jährige Hausfrau und Mutter in Untereisesheim bei Heilbronn verhaftet. Im virtuellen Leben nannte sie sich „Fjörgyn“. In der Realität scheint sie in der Nachbarschaft der Kleinstadt wenig beliebt, lebte eher zurückgezogen. „Sie war unfreundlich, grüßte nie“, heißt es. Als Neonazistin war sie nicht bekannt.
Auch Ruthenberg ist in Mecklenburg-Vorpommern nicht politisch aufgefallen. Seit sieben Jahren arbeitet er als Erzieher im Hort. Ausgelassen post der dunkelhaarige Mann als Indianer verkleidet auf der Homepage des Kindergartens oder ist auf vielen Fotos mit den Kolleginnen, Kindern, dem Bürgermeister und einem Landtags-abgeordneten zu sehen. Auch bei Facebook ist der heimliche „Thiazi“-Chef mit seinem Klarnamen vertreten, dort schwärmt er für ein Tattoo- Studio seiner Heimatstadt Rostock oder für Piercings und eine Kampfsportschule. Jetzt ist sein Doppelleben aufgeflogen. Als Erzieher wurde er supendiert.