Protestierer versuchten in Haus der Ex-Sicherungsverwahrten einzudringen / Politik spricht von Selbstjustiz
Das Dorf Insel kommt nicht zur Ruhe. Am Freitag drangen Personen auf das Gelände des Hauses ein, in dem die Ex-Sicherungsverwahrten leben. Die Polizeipräsenz im Ort wird größer. Am Freitag will die NPD hier demonstrieren.
Insel/Stendal l Die schlimmsten Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten. Das kleine Dorf Insel kommt nach der Rückkehr des einen Ex-Sicherungsverwahrten kaum zur Ruhe. Im Gegenteil. Es ist ein Grad an Emotionalität erreicht, der nur schwer ausrechenbar scheint.
So hatten nach Einbruch der Dunkelheit am späten Freitagabend sieben Personen versucht, von der Rückseite auf das Grundstück in der Luise-Mewes-Straße zu gelangen, auf welchem das Wohnhaus der Familie von Cramm steht, die die beiden Männer bei sich beherbergt. Die Polizei konnte diese Aktion genauso unterbinden wie eine Eskalation Stunden zuvor, als Inseler direkt vor dem Haus lautstark ihren Unmut preisgaben. Sie wurden genauso des Platzes verwiesen. Insofern kehrte auch wieder Ruhe ein; eine trügerische, wie sich herausstellen sollte. Die Polizei hat vor Ort ihre Präsenz erheblich erhöht. Statt wie ursprünglich zwei Beamte, sicherten am Wochenden mehr als zehn Polizisten das Gebäude und patroullierten durch die Straßen des Dorfes.
Den Inselern gelten nunmehr die Vertreibungsszenen aus Chemnitz in der vorigen Woche als Blaupause für ihre Forderung "Raus aus Insel". Denn für die Protestler hat sich durch die Rückkehr des jüngeren der beiden Männer nichts geändert. Man fühlt sich verschaukelt.
Diesen Eindruck jedoch hatten die Vertreter der Inseler, Claudia Bartels von der Bürgerinitiative und Nico Stiller als Ortschaftsrat, bei dem Gespräch am vorigen Freitagnachmittag mit Justizstaatssekretär Eberhard Schmidt-Elsaeßer im Amtszimmer von Stendals Oberbürgermeister Klaus Schmotz nicht hinterlassen. Man war in dem Glauben auseinandergegangen, dass der "Dorffrieden wieder einkehren und nicht weiter gefährdet werden sollte", wie es Schmotz gehofft hatte. Mit der Rückkehr von Personen, die der rechten Szene zugeordnet werden, ist dieser Wunsch ein recht kühner und gegenwärtig kaum absehbarer.
Die Landtagsfraktionen der Linken und der Grünen verurteilten unterdessen die Entwicklung der Situation. Sebastian Striegel, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, sprach gar von Selbstjustiz angesichts des Versuchs von Demonstranten, in das Wohnhaus der beiden Männer zu gelangen. Justizministerin Angela Kolb (SPD) verurteilte die Proteste vom Freitag: "Die Gesellschaft ist gefordert, ein Zeichen zu setzen, dass man diese Form der Proteste nicht akzeptiert." Zudem werde ihr Ressort nichts tun, "um die beiden Männer aus Insel wegzubringen". Immerhin: Am Sonabend wie auch gestern sei die Situation vor Ort hingegen ruhig und ohne Vorfälle geblieben, bestätigte eine Polizeisprecherin der Stendaler Volksstimme. Man habe die Polizeipräsenz seit Freitag erhöht; das bleibe bis auf Weiteres auch so bestehen.
Zu der durch den Tangerhütter NPD-Politiker Heiko Krause angemeldeten Demonstration könnte es eine weitere Eskalation geben. Wie die Volksstimme gestern erfuhr, sollen sich dazu auch NPD-Gefolgsleute aus Chemnitz angekündigt haben; also aus jenem Kreis um die dortige NPD-Stadträtin Katrin Köhler, die Hans-Peter W. aus der sächsischen Großstadt vor wenigen Tagen vertrieben hatten.