Liberale Extremismusgegner sind beim Versuch gescheitert, den Einfluss von Rechtsextremen in der Deutschen Burschenschaft zu brechen.
Drei Tage nach seinem Beginn ist das Jahrestreffen der Deutschen Burschenschaft in Eisenach beendet – vorzeitig, denn viele Punkte der vorgesehenen Tagesordnung handelte das Plenum gar nicht mehr ab. Nach dem Scheitern eines Abwahlantrags gegen den Chefredakteur der Verbandszeitschrift, Norbert Weidner, traten mehrere Vorstandsmitglieder schockiert zurück, darunter Pressesprecher Michael Schmidt. Teilnehmer reisten entnervt ab, weil es nicht gelungen war, die Vormacht der Nationalisten im Dachverband zu brechen, dem derzeit noch etwa 100 studentischen Verbindungen mit etwa 10.000 Mitgliedern angehören. Der abendliche Festakt der Uniformierten mit Fackeln, Fahnen und Bläsermusik auf der Wartburg wurde zur Farce.
Der Konflikt zwischen rechtsextremen Kräften und liberalen Reformern war vor wenigen Wochen eskaliert. Da wurde bekannt, dass Weidner Ende 2011 in einem burschenschaftsweit verbreiteten Mitteilungsblatt den Theologen und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter bezeichnet hatte. Dessen von Hitler angeordnete Hinrichtung sei "juristisch gerechtfertigt", heißt es in dem Pamphlet, über das ZEIT ONLINE berichtete und das mittlerweile von der Staatsanwaltschaft ausgewertet wird. Hinzu kam der Ärger über Weidners Vergangenheit bei der mittlerweile verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei FAP und einer Hilfsorganisation für nationalistische Strafgefangene.
Als Verbandschefredakteur ist Weidner zugleich im Vorstand der Deutschen Burschenschaft – ein einflussreicher Posten, den der Verband ihm im Jahr 2011 mit 23.000 Euro vergütete. Der Wirtschaftsjurist gehört zur Bonner Burschenschaft Raczeks, die ihren Ruf 2011 mit dem Versuch ruinierte, innerhalb der Deutschen Burschenschaft die deutsche Abstammung als Aufnahmekriterium festzuschreiben.
Mehrheit für Dringlichkeitsantrag
Um Weidner zu ersetzen, hatten die Reformer um die liberale Initiative Burschenschaftliche Zukunft mehrere Kandidaten aufgeboten – darunter auch Kai Ming Au, an dessen asiatischem Aussehen sich 2011 die Debatte um die Aufnahme von Mitgliedern nichtdeutscher Abstammung entzündete.
Einen Dringlichkeitsantrag auf Abwahl Weidners auf die Tagesordnung für dieses Wochenende zu setzen, befürworteten noch zwei Drittel der Burschen. Doch in der dann folgenden mehrstündigen Diskussion zeigte sich Weidner reuig, wie Teilnehmer schilderten. Wortgewandt habe auf seinen steten Einsatz für die Burschen verwiesen und um eine neue Chance gebeten. Die Abwahl scheiterte mit 76 zu 85 Stimmen knapp.
Streit über Auflösung
Die Reformer zogen daraufhin ihre Kandidaten ab und sich selbst zur Beratung zurück. "Die Abwahl ist auf demokratischem Wege nicht möglich gewesen", bilanzierte danach der Stuttgarter Burschenschafter Henning Roeder, der die Initiative Burschenschaftliche Zukunft führt. Unter den 24 Mitgliedsburschenschaften gebe es nun Diskussionen, "ob wir in der Deutschen Burschenschaft noch an der richtigen Stelle sind". Er schloss nicht aus, für die Gründung eines neuen Dachverbandes zu werben.
Die Ende 2011 entstandenen Aktionsgruppe Burschenschafter gegen Neonazis bezeichnete die gescheiterte Abwahl Weidners als "einen Schlag ins Gesicht eines jeden demokratischen Burschenschafters". In der Öffentlichkeit zeige sich nun, "dass rechtsextreme Burschenschafter die Macht in der Deutschen Burschenschaft übernommen haben", sagte ein Sprecher.
Tagung in Eisenacher Halle offen
Gegen Ende des Burschenschaftstreffens kulminierte der Konflikt in einer erregten Diskussion über eine mögliche Auflösung des Dachverbandes. Wie es mit der Deutschen Burschenschaft weitergeht, soll nun ein außerordentlicher Burschentag diskutieren, möglicherweise noch in diesem Jahr. "Dort wird es um die Zukunft unseres Verbandes gehen", sagte ein Sprecher. Ein entsprechender Vorschlag hatte die Mehrheit des Plenums gefunden.
Ob die Burschen wieder in der stadteigenen Aßmann-Halle in Eisenach tagen, ist offen. SPD-Oberbürgermeister Matthias Doht gestattete das Treffen am Fuße der Wartburg wohlwollend mit Verweis auf die 1817 begründete Tradition. Seine eigene Parteiführung hatte 2006 beschlossen, dass Angehörige des ultrakonservativen Flügels der Burschenschaft nicht zugleich in der SPD Mitglied sein dürfen, doch Doht stört das offenbar wenig. Ebensowenig wie die Tatsache, dass immer mehr Burschenschaften in den Verfassungsschutzberichten der Länder erwähnt sind.
Katja Wolf von der Linkspartei, ab Juli Dohts Amtsnachfolgerin, kündigte an, die Vergabe der städtischen Halle an die Burschenschaft "kritisch zu prüfen". Dass sich die Uniformträger wieder dort versammeln, sei "kein Automatismus".