Von nichts gewusst – das ist die offizielle Erzählung sächsischer Behörden zum “Nationalsozialistischen Untergrund”. Die Jenaer Neonazis Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten seit 1998 Unterschlupf in Chemnitz und Zwickau gefunden, hier bekamen sie Unterstützung von einem Helfernetzwerk aus “Blood & Honour”-Kreisen (GAMMA berichtete). Nun verdichten sich die Hinweise, dass auch Personal des Sächsischen Innenministeriums zu den Mitwissern gehörte.
Hotline für Rechtsterroristen?
So berichtet der Berliner Kurier heute über auffällige Handyverbindungen Beate Zschäpes am 4. November 2011: “Etwas mehr als [eine] Stunde, nachdem sie ihre Wohnung in der Frühlingsstraße 26 in die Luft jagte, versuchte jemand Zschäpe anzurufen. Das Pikante: Die anrufende Nummer ist im Sächsischen Staatsministerium des Inneren registriert.” Am selben Tag hatten sich Mundlos und Böhnhardt selbst gerichtet.
Nach GAMMA-Informationen liegt diesen Informationen eine authentische Akte des BKA zugrunde. Demnach wurden allein am 4. November insgesamt 72 Verbindungen von und zu Zschäpes Handy hergestellt. Dies ergab eine so genannte Funkzellenabfrage. Zu den Kontakten Zschäpes gehörten der wegen NSU-Unterstützung bereits inhaftierte André Eminger sowie eine bislang unbekannte Frau aus Hennigsdorf, die offenbar in engem Kontakt zu Eminger stand oder ihm ihr Handy überlassen hatte.
Die Behörden stießen auf vier weitere Handynummern, die in Verbindung zu Zschäpes Anschluss standen. Darunter zwei Anschlüsse, die auf das Polizeirevier Zwickau-West (Polizeidirektion Südwestsachsen) registriert sind, sowie eine Nummer, für die kein Anschlussinhaber registriert ist (“Nullauskunft”). Die große Überraschung: Im Protokoll stehen auch zwei Telefonnummern, die laut Providerauskunft dem Sächsischen Staatsministerium des Inneren gehören.
Insgesamt 20 Mal wurde von dort Zschäpes Nummer angewählt. Zschäpe war zu dem Zeitpunkt vermutlich bereits auf der Flucht. Erst in den Tagen darauf wurde klar, um wen es sich eigentlich handelt.
Bis dato haben sächsische Behörden eine Involvierung in den NSU mehrfach zurückgewiesen, allerdings noch keine Stellung zu den neuesten Presseberichten bezogen. Auch nicht zum kürzlich veröffentlichten Abschlussbericht der Thüringer Untersuchungskommission (“Schäfer-Gutachten”). Diese hatte auch Unterlagen sächsischer Behörden herangezogen – die aber unvollständig waren.
Im Bericht wurden u.a. Abhörmaßnahmen gegen den mutmaßlichen NSU-Unterstützer und sächsischen “Blood & Honour”-Chef Jan Botho Werner anno 1998 geschildert. Demnach stand auch Werner in Kontakt mit einem Handyanschluss, der auf ein Innenministerium registriert war. Womöglich handelte es sich damals um Carsten Szczepanski – auch bekannt als V-Mann “Piato”. Der befand ich damals selbst in Chemnitz und galt als Kontaktmann der britischen Terrorgruppe “Combat 18″.
Im Jahr 2000 war Szczepanski in eine rechtsterroristische Zelle in Südbrandenburg verwickelt. Er kam in ein polizeiliches Zeugenschutzprogramm.