DORTMUND Sechs Monate nach der brutalen Skinhead-Attacke auf zwei türkischstämmige Jugendliche auf dem Weihnachtsmarkt begann der Prozess am Landgericht am Dienstag mit einer faustdicken Überraschung.
Als
die Richter der 31. Jugendstrafkammer die Verhandlung aufriefen,
blieb einer der vier Plätze auf der Anklagebank leer. Nicht einmal
der Verteidiger hatte eine Ahnung, wo sich sein Mandant aufhalten
könnte.
Polizei
sucht nach Neonazi
Nach
längerer Beratung entschlossen sich die Richter dazu, dieses
Verfahren abzutrennen und den Neonazi nun erst mal von der Polizei
suchen zu lassen. „Ein Haftbefehl bleibt vorbehalten“, hieß es
im Beschluss der Kammer.
Die
drei erschienenen Neonazis nutzten die Beratungsunterbrechung zu
intensiven Blickkontakten mit ihren Freunden und Angehörigen auf den
Zuschauerbänken. Sven K. (24), der wegen Totschlags an dem Punk
Thomas „Schmuddel“ Schulz vorbestrafte Gewalttäter, begrüßte
aber erst einmal lange und herzlich seinen jüngeren Bruder.
Der
19-Jährige ist ebenfalls wegen der Gewaltattacke auf dem
Weihnachtsmarkt angeklagt. Er sitzt aber nicht in Untersuchungshaft,
weil er bisher keine schwere Vorstrafe mitbringt.
Opfer
im Gerichtssaal
Eines
der beiden Opfer war ebenfalls im Gericht erschienen. Dem jungen Mann
war es deutlich anzusehen, wie unwohl er sich in der unfreiwilligen
Gesellschaft mit den mutmaßlichen Schlägern aus der rechten Szene
fühlte. „Es fällt ihm sehr schwer, hier zu sitzen“, sagte sein
Rechtsanwalt später.
An den kommenden Verhandlungstagen will
der Jugendliche erst einmal zu Hause bleiben. So lange, bis er selbst
vor Gericht als Zeuge aussagen muss.
Wie lange es bis dahin
dauert, hängt entscheidend davon ab, wie sich Sven K. und die
anderen Angeklagten zu den Anschuldigungen äußern. „Erst danach
werden wir entscheiden, wen wir wann als Zeugen laden“, sagte der
Vorsitzende Richter Ulf Pennig.
Von Martin von Braunschweig