Heute wurden zwei AntimilitaristInnen in Stuttgart zu 20 bzw. 30 Arbeitsstunden verurteilt. Sie wurden für „schuldig“ befunden, bei einer Aktion gegen die Bundeswehrpräsenz bei der Bildungsmesse „Didacta“ am 24. Februar des vergangenen Jahres den Tatbestand der Sachbeschädigung begangen zu haben. Bei dieser von über 100.000 BesucherInnen frequentierten Messe handelt es sich um die größte Fachmesse für Bildungswirtschaft in Europa. Seit Jahren versucht die Bundeswehr, dort Fuß zu fassen und sich als Ausbilder für das Bundeswehrhandwerk zu profilieren. Dies jedoch nicht ohne antimilitaristischen Protest – wie auch im vergangenen Jahr.
Eine Gruppe AntimilitaristInnen hatte sich auf den Boden vor dem 
Bundeswehrstand gelegt und wollten mit Ketchup auf ihrer Kleidung das 
Blut von Kriegsopfern symbolisieren. Die kreative Aktion wurde durch das
 gleichzeitige Abspielen von Tönen von Explosionen und Gewehrschüssen 
akustisch unterlegt.  Bei der Durchführung der Aktion wurden einige der 
sich im „Eigentum der Bundeswehr“ befindlichen Teppichfliesen (zumindest laut dem Zeugen Hauptmann H. „hochwertige Ware“) irreparabel mit der „ketchupähnlichen Masse“ beschädigt. Die Uniformen zweier ebenfalls anwesender Soldaten waren zum Glück noch durch Reinigung zu retten. 
Trotzdem: Der bei der Aktion entstandene „Sachschaden“ durch 
die Ketchup-Flecken belief sich auf 12 Euro (Uniformreinigung) bzw. 83 
Euro (Ersatz für die hochwertigen Teppichfliesen). Aus dem Grund hatte 
das Stuttgarter Amtsgericht das Verfahren zunächst wegen Geringfügigkeit
 aufgehoben. Das gefiel der Staatsanwaltschaft aber nicht , die sich 
deswegen an das Landgericht gewandt hatte. Dieses kassierte den Beschluß
 des Amtsgerichts, weshalb es zur heutigen Verhandlung kam. 
Obwohl diese „Sachbeschädigung“ ganz offenbar nicht vorsätzlich
 stattfand, meinte der Staatsanwalt 20 Tagessätze bzw. 30 Tagessätze zu 
10 Euro gegen die beiden AntimilitaristInnen fordern zu müssen und dies -
 trotz des jungen Lebensalters der beiden - nach Erwachsenenstrafrecht 
und trotz deren Mittellosigkeit.
Die zwei Dutzend BesucherInnen sahen sich annähernd ebenso vielen 
Polizei- und JustizbeamtInnen gegenüber. Diese wollten den BesucherInnen
 an die Wäsche, tasteten jedeN, der Einlass in die Verhandlung begehrte,
 ab und fertigten von deren Ausweisen Kopien an. Angesichts der 
Friedlichkeit der ProzessbesucherInnen und auch der Ziele der 
Angeklagten muss sich das Gericht die Frage nach der Verhältnismäßigkeit
 dieser Mittel gefallen lassen. Zugleich wurde so auch unzweideutig der 
politische Charakter des Prozesses überdeutlich unterstrichen und bei 
aller Lächerlichkeit der Anwürfe ebenso die politische Botschaft des 
Verfahrens. 
Die BesucherInnen zeigten sich wohl auch gerade deswegen solidarisch mit
 den beiden AntimilitaristInnen. Bis auf eine Erklärung zum Prozess, in 
der neben der Kriegspolitik der BRD die Klassenjustiz, die einen Oberst Klein freispricht, antimilitaristische Friedensaktivistinnen jedoch mit 
Verfahren überzieht, angegriffen  wurde, verweigerten beide Angeklagten,
 die auf einen Anwalt verzichteten und sich selbst verteidigten, 
jegliche weitere Aussage. 
Der Richter entsprach letztlich nicht den konkreten Forderungen des 
Staatsanwaltes. Er verdonnerte die Angeklagten zu 20 bzw. 30 
Arbeitsstunden, ihre Kosten müssen sie selbst tragen, die sonstigen 
Kosten trägt die Staatskasse. 
Das Urteil ist ebenso wie die Begründung selbstgefällig. Eine an den Haaren herbeigezogene „Argumentation“,
 nach der ein Bundeswehreinsatz wegen der Taliban und deren 
Unterdrückung unter anderem der afghanischen Frau ja schon sinnvoll sei,
 andererseits auch das „Engagement“ der „jungen Menschen“, die sich aber auch „an die Spielregeln des Gesetzgebers“ halten müssten, und die Soldaten „nicht angehen dürften“ als Bestandteil der „bürgerlichen Demokratie“ hergenommen wurden, kleistert im Grunde nur mühevoll liberal zu, dass 20 bzw. 30 Arbeitsstunden eben auch nicht umsonst sind.
Während Menschen in Zusammenhang mit dem Einsatz der Bundeswehr sterben, mokieren sich hier Gerichte über Ketchupflecken.
                           
