„Hammerskins“ in Mecklenburg-Vorpommern sind im Besitz wichtiger Szene-Treffpunkte. Sie ziehen bei verborgenen Geschäften die Fäden. Avancieren sie auch zur Hintergrund-Drahtziehern der NPD?
Von Andrea Röpke
Die „Hammerskins“ sind zurück. Zwar hat es die Division Deutschland der internationalen „Hammerskin Nation“ (HSN) mit ihren rund zehn Chaptern seit 1991 fortwährend gegeben, aber auffällig erscheint, wie stark sie ausgerechnet im Norden an Einfluss gewonnen haben. Dabei arbeiten die Strukturen in Bremen, Mecklenburg und Vorpommern äußerst konspirativ. Wenig bekannt ist, dass die beiden größten und wichtigsten Neonazi-Immobilien an der Ostsee sowie einige kleinere zum HSN-Spektrum gehören. Die „Hammerskins“ mit ihren dubiosen Geschäften könnten auch Einfluss auf die NPD nehmen, immerhin gibt es enge personelle Verflechtungen.
Der harte Kern deutscher „Hammerskins“ wurde vor Jahren auf rund 200 bis 300 Mitglieder geschätzt. In Verfassungsschutzberichten findet die als gewaltbereit geltende Skinhead-Truppe, die neben einem Hang zum paramilitärischen Training vor allem Versände und Läden betreiben soll, kaum noch Erwähnung. Dabei scheint sie sich längst schwerpunktmäßig ins Konzertbusiness zu drängen und auch Strukturen der 2000 verbotenen Untergrundorganisation „Blood&Honour“ zu übernehmen. Auch die Streitigkeiten mit dem militanten „Combat 18“-Spektrum um die Dortmunder Band „Oidoxie“ scheinen beigelegt. „Nie wieder Bruderkampf“ lautet die interne Parole.
Idee der „völkischen Identität“
Ihr Symbol sind zwei gekreuzte Hämmer, die angeblich das „Symbol der weißen Arbeiter“ darstellen. Sie huldigen den rassistischen „14 words“ von David Lane: „We must secure the existence of our people and a future for White children“. Anders als bei der HSN in den USA steht bei den europäischen Einheiten nicht „White Power“ als Doktrin im Vordergrund, sondern die Idee der „völkischen Identität“. Manches haben sie von den Motorradgangs kopiert, so neben Kutten, Militärrängen, Probezeiten für Anwärter und Emblemen auch den internen Gruß „HFFH“ (Hammerskins Forever – Forever Hammerskins).
Die vormals äußerst subkulturell geprägte Struktur scheint mittlerweile sehr vielfältig. Einige der Anhänger sind mittelständische Unternehmer, sie sind nicht nur am rechten Millionengeschäft mit Rechtsrock und Neonazi-Devotionalien beteiligt, sondern betreiben zum Beispiel auch Bau- oder Transportgeschäfte. In Mecklenburg-Vorpommern scheint die politische Vernetzung zu Freien Kräften und NPD enger als in Bremen, Bayern, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz. Das mag vor allem Hammerskin-Fans wie Sven Krüger aus Jamel geschuldet sein, der seit Jahren eng mit der NPD-Fraktion im Schweriner Landtag zusammen arbeitet. Auch zu Aktivisten aus den Reihen der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) bestehen enge Kontakte. Scheitel und Glatze ziehen am selben Strang.
Auch wenn der Name anderes verspricht, so sind die Hammerskins eben keine reine Skinhead-Gruppierung mehr. Ihr Symbol ist geschützt und darf nur von Vollmitgliedern der „weltweiten Bruderschaft“ benutzt werden. Auch Frauen („Schwestern“) können aktiv mitmachen. Das europäische „Hammerfest“ ist der alljährliche internationale Event.
Als einer der wichtigsten Köpfe bundesweit gilt Malte Redeker, Szene-Unternehmer aus Ludwigshafen, der sich intern „Westmark“ nennen soll. Redeker führt nicht nur die Gjallarhorn Klangschmiede und zählt zu den Drahtziehern des internationalen Projektes der ersten Schulhof-CD („Anpassung ist Feigheit“), sondern betreibt auch einen Szene-Laden in Stralsund. Er ist häufig im Norden.
Zahlreiche Konzerte im „Thing-Haus“
Wenig bekannt ist, dass das zum beliebten Szene-Treffpunkt im westlichen Mecklenburg-Vorpommern avancierte „Thing-Haus“ in Grevesmühlen auch als Anlaufstelle für die zahlreichen Aktivitäten der „Hammerskins“ dient. Ihre Symbole zieren die Innenräume. Ihre „National Officers“ trafen sich bereits 2011 dort. In Salchow in Ostvorpommern baute Hammerskin-Anhänger Markus Thielke vor Jahren ein nationales Wohnprojekt auf, inzwischen wurde es vom NPD-Landesvorstandsmitglied Alexander Wendt übernommen. In Nachbarort Klein Bützow fanden in den 90er Jahren bereits 13 Konzerte der Glatzenorganisation statt. Damals war sie eng mit dem „Kameradschaftsbund Anklam“ verwoben. In der Innenstadt Anklams zählen das Geschäft „New Dawn“ zum Geschäftsbereich. Den größten Coup landete Detlef Riske, als er 2007 eine ehemalige Großbäckerei in der Leipziger Allee in Anklam erwarb und gemeinsam mit „Brüdern“ zum zentralen Veranstaltungsort für große Konzerte ausbaut. Auch ein Lokalpolitiker aus Postlow und die Band „Wiege des Schicksals“ aus Bargischow werden dieser Szene zugeordnet.
Im Grevesmühlener „Thing-Haus“ fanden seit der Einweihung als NPD-Bürgerbüro im April 2010 rund 20 Veranstaltungen, darunter auch zahlreiche Konzerte statt. Unter anderem soll die Bremer Band „Hetzjagd“ um Hammerskin Marc Gaitzsch dort aufgetreten sein, wie es intern heißt. Auch die Hochzeit von Sven Krüger mitten im Dorf Jamel gestaltete sich 2010 zu einem Großauflauf der Hammer-Freunde. Als Krüger nur wenige Monate später, im Januar 2011, wegen des Verdachts auf Hehlerei mit Baumaschinen und dem Besitz einer Maschinenpistole mit 200 Schuss Munition sowie einer Neun-Millimeter-Pistole festgenommen wurde, startete die „Bruderschaft“ sofort Solidaritätsaktionen.
Sommersonnenwende mit „Crew 38“ in Jamel
„Crew 38“ (38 steht für Crossed Hammers) ist ein internes Unterstützungsnetzwerk, welches offiziell mit dem Verkauf von Supporter-Wear für „politische Gefangene, erkrankte Brüder oder die Hinterbliebenen unserer verstorbenen Brüder und Schwestern“ Geld sammelt. Es soll vor etwa elf Jahren in der Schweiz und Süddeutschland als lose Organisation entstanden sein. Das „Crew 38“-Netzwerk erwirtschaftet auch Geld für Rechtskämpfe und „kulturelle Projekte“. Soli-Sampler mit exklusiven Songs internationaler Hammerskin-Bands, Kleidung oder Feuerzeuge mit der Aufschrift „Thing-Haus“ gehören zum Angebot, welches unter anderem über nahe stehende Versände wie „PC-Records“ aus Chemnitz oder „Wewelsburgs Records“ verkauft wird. Gegen den Vorwurf, eine „Money-Maschine“ zu sein, wehren sich die umtriebigen Skins vehement, ihnen gehe es nur um die Stärke untereinander. Immerhin beschäftigt Abrissunternehmer Krüger in seinem Unternehmen viele Kameraden. Kurz nach der Verhaftung des damaligen NPD-Kommunalpolitikers rief User „Westmark“ im einschlägigen Thiazi-Forum dazu auf, „Thing-Haus“ oder Krüger direkt mit einem Besuch oder Spenden zu unterstützen. „Jeder der ihn kennt, weiß, wie stur Sven ist. Er würde niemals auch nur um einen Cent bitten, egal wie (ihm) das Wasser (bis) zum Hals steht“.
Kein Wunder also, dass das alljährliche NPD-nahe Kinderfest und die Sommersonnenwende am 25. Juni direkt am Wohnort Krügers in Jamel stattfand. Rund 50 Fahrzeuge mit Gästen auch aus Berlin und Niedersachsen parkten in dem kleinen Ort, von dem die Neonazis selbstbewusst behaupten, er sei bereits in ihrer Hand („Nationale Dorfgemeinschaft Jamel“). In der Dämmerung wurde ein Fackelmarsch zelebriert, danach bis in die Nacht gefeiert. Manche Teilnehmer trugen Shirts mit dem Bekenntnis: „Crew 38“.