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Antifas aus Hamm und Münster diskutierten, warum sie sich eigentlich gegenseitig (nicht nur im März(2.03./3.03)) unterstützen. Herausgekommen ist ein kurzes Gespräch zwischen Aktivist_innen, die an der Organisation beider Aktionen beteiligt sind und die gemeinsame Erfahrungen in Hamm, Münster und darüber hinaus verbindet.
Antifa Linke Münster:
Eure Idee, eine antifaschistische Vorabenddemo in Hamm zu machen, hat uns aus zwei Gründen gefreut. Der erste ist, dass wir so nicht in die Verlegenheit kommen, uns Gedanken um eine Vorabenddemo in Münster zu machen. Nicht nur Gedanken darüber, wie wir eine solche Demo inhaltlich gestalten wollen, sondern auch darüber, ob wir diese Form ritualisierter Demo-Kultur vor einem Naziaufmarsch wirklich wollen – und was sie bringt. Für einen zufriedenstellenden Diskussionsprozess fehlte uns während der Vorbereitungen der Gegenaktivitäten am 3. März die Zeit und Ruhe. Eine weitere Frage, die wir uns gestellt haben ist auch, ob wir es mit einer solchen Demo überhaupt schaffen würden, eigene inhaltliche Akzente zu setzen. Zur inhaltlichen Auseinandersetzung wählen wir lieber weniger aktivistische Mittel. Seit Jahren organisieren wird die monatliche Veranstaltungsreihe „Searchlight“ sowie Wochenendseminare und Gedenkstättenfahrten. Es gab aber auch bei uns Menschen, die sich gerne an die Organisation einer Vorabenddemo gewagt hätten. Wir haben dann aber gemeinsam entschieden, keine zu machen. Als ihr dann meintet: Hey, wir planen eine Antifa-Demo in Hamm am Abend zuvor. Wie findet ihr das? Fanden wir das alle gut. Und vor allem passend. Denn der Naziaufmarsch am 3. März in Münster wird zum Großteil von Nazis aus Hamm organisiert, weil die Nazigruppe in Münster hierzu organisatorisch nicht in der Lage ist.
Antifa Hamm:
Die Idee kam uns bei einem Plenum einfach so reingeschossen. Wir unterhielten uns gerade darüber, in wie weit wir, trotz der Mobilisierung nach Dresden, in der Lage sind, Unterstützung am 3. März zu leisten. Wir dachten uns, dass es nicht alles sein kann, am 3.März nach „nebenan“ zu reisen und das „Keinen Meter“-Bündnis zu unterstützen. Wir wollten selbst etwas zum Erfolg dieses Wochenendes beitragen, da kam uns die Idee der Vorabenddemo, und zwar in Hamm. Ganz genau darauf abzielend, die Neonazi-Strukturen hier vor Ort anzugreifen und dazu zu zwingen zu reagieren. Wir wollten der agierende Teil und nicht nur der reagierende Teil sein. Ein weiterer Grund war natürlich die enge Zusammenarbeit der “NaSoMs” mit der “Kameradschaft Hamm”. Sascha Krolzig gibt sich einmal mehr als Anmelder des Aufmarsch. Auch sonst sind die münsteraner Nazistrukturen auf die Mithilfe aus Hamm angewiesen. Die Gründe haben uns dann dazu bewogen, die Vorabenddemo in Hamm anzumelden.
Antifa Linke Münster:
Die Antifa Linke Münster ist Teil des „Keinen Meter“-Bündnis, das sich zum Ziel gesetzt hat, gegen die Nazis nicht nur symbolisch zu protestieren, sondern sich ihnen direkt in den Weg zu stellen. Mittlerweile unterstützen über 130 Initiativen, Vereine, Gewerkschaften, Parteiorganisationen und Kulturschaffende den Aufruf von „Keinen Meter“. In Hamm gab es im Oktober letzten Jahres auch so ein breites Bündnis, das von eurem Antifa-Jugend-Bündnis “Haekelclub 590” initiiert worden ist. Wir haben sogar eurer Demo-Motto “Solidarisch gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung” übernommen. Einige bei uns in der Gruppe erinnern sich noch gut an die Jahre zwischen 2003 und 2006, als in Hamm mehrmals im Jahr ein Naziaufmarsch stattfand. In Stichworten würden wir die Zeit in Hamm damals so zusammenfassen: Viele Nazidemos, gewalttätige Angriffe von Nazis auf Antifaschist_innen und nicht-rechte Jugendliche und eine Stadtgesellschaft, die das Problem leugnet und verharmlost. Hat sich mit der Zeit die Situation in Hamm geändert?
Antifa Hamm:
Es gab hier mal eine Zeit in unserer 
kleinen Stadt, die war für vermeintliche politische Gegner_innen und 
nicht-rechte Jugendliche ein ziemlicher Spießrutenlauf. Alles in allem 
war es alles andere als ein nettes Umfeld für linke Politik oder 
alternative Lebensweisen. Mehrmals im Jahr musste versucht werden, 
Gegenprotest zu organisieren, um die Neonaziaufmärsche wenigstens nicht 
unkommentiert zu lassen. Zu mehr hat es anfangs nicht immer gereicht und
 schnell war die Luft bei vielen raus. Vor allem, weil Stadt und Polizei
 die Anti-Nazi-Arbeit eher verhindern wollten, als sie zu unterstützen. 
Die Existenz einer organisierten Neonazistruktur in Hamm wurde von 
Seiten der Stadtverwaltung und einem Großteil der bürgerlichen Mitte bis
 vor Kurzem ignoriert oder gar bestritten. Erst 2010, als wir uns an ein
 größeres lokales antifaschistisches Bündnis gewagt hatten, schien mehr 
möglich. Erstmals interessierten sich plötzlich mehr Leute für das Thema
 als nur die “üblichen Verdächtigen”.
Wir gründeten das “antifaschistische Jugendbündnis Hamm”, auch genannt 
„Haekelclub590“, wobei die 590xx als Symbol für Hamm stehen soll. In 
diesem Bündnis organisieren sich die ADGH, die 
BezirkschülerInnenvertretung Hamm, die DGB Jugend Hamm, die Grüne Jugend
 Hamm, die Jusos Hamm, die Linksjugend Hamm und wir. 2010 war es mit dem
 organisierten Protest im Oktober gegen einen Naziaufmarsch noch relativ
 schwierig. Die Polizei hatte eine Gegendemo verboten und die Proteste 
massiv behindert.
2011 ging es dann richtig rund. Da lief vieles 10mal besser. Wir waren 
noch besser lokal vernetzt. Das Bündnis wurde größer und so gab es auch 
mehr Ideen für den Gegenprotest im Oktober. Der Aufmarsch der Nazis 
wurde in einen abgelegenen Stadtteil Hamms verlegt, dennoch konnte eine 
Gegendemonstration durch die Hammer Innenstadt auf die Beine gestellt 
werden. An dieser Demo beteiligten sich über 600 Menschen. Durch das 
Engagement vieler, vor allem sehr unterschiedlicher Jugendlicher ist es 
gelungen, in Hamm eine breite Basis für antifaschistische Arbeit zu 
schaffen. Die Stadtverwaltung ist durch die gute Öffentlichkeitsarbeit 
seitens des HC590 gezwungen, das Neonazi-Problem in der Stadt nicht 
weiter vertuschen zu können. Bis auf eine Resolution gegen „Extremismus“
 ist von der Stadt Hamm aber noch nichts geschehen. Es gibt hier für uns
 noch viel zu tun. Aber vor allem ist es an der Zeit nicht nur zu 
reagieren, sondern auch zu agieren.
Handelt es sich bei dem „Keinen Meter“-Bündnis eigentlich um ein 
Zweckbündnis von kurzer Dauer oder wird sich die gute Zusammenarbeit so 
auswirken, dass da etwas Längerfristiges raus wird? Die Liste der 
beteiligten Gruppen ist ja sehr lang und bunt gemischt, viel größer als 
bei unserem Jugendbündnis.
Antifa Linke Münster:
Diese Frage haben wir im 
Bündnis noch gar nicht diskutiert. Das „Keinen Meter“-Bündnis hat sich 
mit dem Ziel gegründet, den Naziaufmarsch am 3. März zu verhindern. Es 
ist also erst mal ein klassisches Aktionsbündnis, ein temporärer 
Zusammenschluss mit einem konkreten Ziel. Dieses haben wir im Aufruf und
 in einem gemeinsamen Aktionskonsens festgeschrieben. Als Aktionsform 
haben wir uns auf Blockaden geeinigt, erklären uns aber auch mit anderen
 Protestformen gegen die rassistische Hetze der Nazis solidarisch.
Dass so viele Menschen angekündigt haben, den Naziaufmarsch blockieren 
zu wollen, ist sicher auf die Erfahrungen aus 2006 zurückzuführen. 
Damals wollten “Freie Kameradschaften” um Sascha Krolzig und Axel Reitz –
 die beiden Neonaziführer sind auch in diesem Jahr maßgeblich an der 
Organisation beteiligt – gegen “alliierte Besatzer” aufmarschieren. Sie 
starteten am Hauptbahnhof, kamen aber nur wenige Meter weit. Die 
Aufzugstrecke im stark studentisch und alternativ geprägten Hansaviertel
 war von mehreren hundert Menschen besetzt. Da blieb nur der Rückzug. 
Ein zweiter Versuch wenige Monate später im Vorort Hiltrup verlief 
ebenfalls mäßig. Statt 170 Neonazis reisten nur noch 70 an und wieder 
machten Sitzblockaden eine verkürzte Route notwendig. Anmelder des 
Aufmarschs war auch damals Sascha Krolzig.
In Münster gibt es zwar seit einiger Zeit eine Nazi-Gruppe, die sind 
aber in Münster nicht öffentlich wahrnehmbar. Auch von ihrer groß 
angekündigten Mobilisierungs-Kampagne bekommen wir in Münster kaum etwas
 mit. Eine Handvoll Aufkleber, das war`s dann. Mit dem Aufmarsch am 3. 
März wollen sie zum ersten Mal als „Nationale Sozialisten Münster“ eine 
eigene Aktion in der Stadtdurchführen. Das Viertel, durch das sie 
marschieren wollen, liegt etwas außerhalb von Münster und bietet nicht 
wirklich eine attraktive Demoroute. Den Nazis geht es darum, überhaupt 
zu „marschieren“ – wo und wie ist zweitrangig. Hauptsache, sie können 
nachher behaupten, „durch Münster marschiert“ zu sein, das sie als „rote
 Hochburg“ wahrnehmen. Deswegen haben sie einen Deal mit den Bullen 
gemacht und sich auf diesen Startpunkt (Bahnhof Zentrum Nord) und auf 
diese Route geeinigt. Sie hoffen, dass die Bullen dann dafür sorgen, 
dass ihnen die Straße freigemacht wird. Womit sie wohl nicht gerechnet 
haben, ist, auf welche große Ablehnung sie bei den Anwohner_innen 
stoßen. 300 Menschen versammelten sich am Sonntag bei einem 
Anwohner_innen-Treffen. Die Leute im Viertel haben keinen Bock auf die 
Nazis – und noch wichtiger, sie wollen aktiv protestieren. Die 
Anwohner_innen haben schon jetzt viele Plakate und Transparente 
aufgehangen und diskutieren über kreative Aktionen.
Der Zuspruch auf das „Keinen Meter“-Bündnis war auch für uns 
überraschend. Inzwischen versucht auch der CDU-Oberbürgermeister den 
Protest für sich zu vereinnahmen. Der wollte erst eine eigene Kundgebung
 weit weg vom Naziaufmarsch machen und wurde dafür öffentlich 
kritisiert. Jetzt möchte er auf einer der „Keinen Meter“-Kundgebungen 
ein Grußwort halten. Auch wenn diese Kundgebung in der Lokalzeitung oft 
nur als gewerkschaftliche Kundgebung bezeichnet wird, da der DGB sie 
angemeldet hat, ist es immer noch eine Kundgebung des „Keinen 
Meter“-Bündnis – das öffentlich zu Blockaden gegen den Naziaufmarsch 
aufruft.
Zudem verbreiten die Bullen vor allem durch die Lokalzeitzungen viele 
Meldungen, die die Protestierenden schon im Vorfeld einschüchtern sollen
 und drohen mit hohen Strafen bei Blockadeversuchen. Die wollen das 
Viertel total abriegeln und eine Sperrzone errichten. Die Polizei 
Münster meint auch noch den Anwohner_innen „kluge“ Ratschläge zum Umgang
 mit den Nazis geben zu müssen: Rollläden runter ist die Parole. Diese 
Strategie der Ignoranz wurde auch in Hamm von Seiten der Stadt jahrelang
 als „Königsweg“ des Umgangs mit Nazis verkauft – mit den bekannten 
Folgen.
Antifa Hamm:
Das Problem mit dem fragwürdigen 
Umgang seitens der Stadt mit den Naziaufmärschen kennen wir leider nur 
zu gut. Noch letztes Jahr, als es in unserem Bündnis schon gut rund lief
 und auch die örtlichen Medien sich an den Aufrufen zu den 
Gegenprotesten beteiligten, waren es Stadtverwaltung und Polizei, welche
 eine direkte Störung des Aufmarsches so gut wie unmöglich machten. Nur 
vereinzelt war es noch gelungen, nach der kraftvollen Demo durch die 
Fußgängerzone, seinen Unmut lautstark in Richtung des Naziaufmarsches zu
 brüllen, an welcher sich auch die „NaSoMs“ beteiligten.
Eine Frage, die offen bleibt ist, ob es eine neue Taktik der Neonazis 
ist, ihre Aufmärsche soweit außerhalb der Innenstädte durchzuführen. Die
 Nazis haben dank antifaschistischer Proteste schon einige wichtige 
Großaufmärsche verloren. Dresden, vormals immerhin Europas größter 
Naziaufmarsch, ist das beste Beispiel dafür. In diesem Jahr fand er 
nicht wirklich statt. In Hamm regt sich bis heute, auch wenn es schon 
viel mehr geworden ist, seitens der Bürgerschaft kaum Widerstand. In 
Hamm funktionierte es daher ohne größere Probleme einen Aufmarsch soweit
 außerhalb durchzuführen. Ob dieser Plan in Münster aufgeht wird sich ja
 am Samstag zeigen.
Unsere Vorbereitungen für die Vorabenddemo in Hamm sind so gut wie 
abgeschlossen, sowie unsere Planungen für den Samstag. Zeigen wir den 
maßgeblich mitorganisierenden Strukturen aus Hamm, dass sie sich ihre 
sog. “national befreite Zone” in die Haare schmieren können und 
blockieren wir ihren Aufmarsch in Münster und lassen wir somit den 
Versuch der Nazis ihre braune Hetze zu verbreiten und sich als Gruppe zu
 „etablieren“ scheitern!

