Der Niedergang einer rassistischen Kleinstpartei in Baden-Württemberg

Der neue Landesvorsitzender der „Freiheit“ in Baden-Württemberg Edgar Baumeister

„Der Landesvorstand Baden-Württemberg tritt zum 28.01.2011 komplett zurück und aus der Partei ‚Die Freiheit‘ aus.“ Mit diesem Beschluss der „Funktionsträger und des Landesvorstands Baden-Württemberg“ vom 14.01.2012 endete das vorerst letzte Kapitel der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ im Ländle. Grund für die Selbstauflösung des Führungsgremiums waren innerparteiliche Querelen sowie Unzufriedenheit mit der politischen Ausrichtung des Bundesvorstands. Die Konflikte um ein rassistisches Thesenpapier von Michael Stürzenberger, das beim Berliner Bundesvorsitzenden René Stadtkewitz auf Wohlwollen stieß, ziehen sich damit bis nach Baden-Württemberg. Der ehemalige CSU-Pressesprecher Stürzenberger, mittlerweile auch Parteivorsitzender der „Freiheit“ in Bayern, war als Dank für seine islamfeindliche Hetze vom „Abschwören oder Abreisen“ in den Bundesvorstand gewählt worden. Die Folge war eine Rücktritts- und Austrittswelle, die besonders in den Landesverbänden Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg verheerend war.

 

Am 11.02.2012 sollten daher auf dem Landesparteitag des Landesverbands Baden-Württemberg im Hotel Landgasthof „Ritter“ in der Villinger Straße 17 in 78083 Dauchingen alle Posten neu besetzt werden. Dauchingen liegt im Landkreis Villingen-Schwenningen am südöstlichen Rand des Schwarzwalds, der als eine rechte Hochburg in Baden-Württemberg gilt. Im „Ritter“ konnte am 27.11.2011 auch bereits der erste baden-württembergische „Freiheit“-Landesparteitag stattfinden, wofür der Landesvorsitzende Andreas Haller dem Gastgeber Manfred Blöchle in seiner Eröffnungsrede ausdrücklich dankte. Der Landesverband hatte damals noch 56 Mitglieder, wovon 37 anwesend waren. Wichtigster Punkt waren die Delegierten-Wahlen zum Bundesparteitag am 10.12.2011 in Frankfurt am Main. Auf die vorderen Plätze gewählt wurden Peter Mokwa, Hans-Erich Kraft, Hella Krautter, Lothar Herzog, Torben Karp und Thomas Seitz. Bemerkenswert an Seitz — „Freiheit“-Mitgliedsnummer 1719 — ist sein bürgerlicher Beruf: Thomas Seitz ist Staatsanwalt am Freiburger Amtsgericht.

 

Machtverschiebung von Nordwürttemberg nach Nordbaden


Auch beim Parteitag am 11.02.2012 stellte Parteimitglied Manfred Blöchle wieder die Räumlichkeiten in Dauchingen zur Verfügung, jedoch kamen nur rund 25 Personen. An Parteiprominenz waren René Stadtkewitz, Andrea Falkenstein und Johannes Thiedig vom Bundesvorstand anwesend. Organisiert wurde der Parteitag vom Diplom-Physiker Hans-Erich Kraft, dessen Firma „Science Data Software“ sich an seinem Wohnort in der Breslauer Straße 23 in 69493 Hirschberg befindet. Kraft wurde zum stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt, bereits zuvor fungierte er als Ansprechpartner für den Bundesvorstand und Bezirkskoordinator für Nordbaden. Neuer Landesvorsitzender wurde Edgar Baumeister, der in die Relaisstraße 72 in 68219 Mannheim wohnt und in der Blumenstraße 13 in 69115 Heidelberg die Firma „Baumeister Finanzberatung“ betreibt. Michael Hug wurde als weiterer stellvertretender Landesvorsitzender gewählt, Schriftführerin wurde Hella Krautter.

 

Gegründet wurde die rassistische Partei unter dem euphemistischen Namen „Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie — DIE FREIHEIT“ am 28. Oktober 2010 von René Stadtkewitz, der damals noch für die CDU im Berliner Abgeordnetenhaus saß. Die „Partei zum Buch“ — das rassistische und islamfeindliche Manifest „Deutschland schafft sich ab“ des SPDlers Thilo Sarrazin — war von Beginn an geprägt von Intrigen und Streit, Machtkämpfen und Pöstchenjagd. Nach dem Scheitern ihrer Kampagne zu den Berliner Abgeordnetenhauswahlen am 18.09.2011 war nicht nur der Traum einer rechtspopulistischen Massenpartei nach Vorbild der Schweizer SVP oder der niederländischen Partij voor de Vrijheid des Rechtspopulisten Geert Wilders, der im Wahlkampf im Berliner Hotel Maritim auftrat, zerschlagen. Mit 0,96% der Stimmen verfehlte die „Freiheit“ zudem ihr Minimalziel: die Wahlkampfkostenerstattung.

 

Parteipolitik von Islamfeindlichkeit bis Rassismus


Ideologisch ist die „Freiheit“ der Neuen Rechten zuzuordnen. Ein Grundkonsens ist antimuslimischer Rassismus, zu dem die stereotypen Feindbilder des jungen, muslimischen Mannes und der verschleierten Frau gehören. Der pro-israelische Kurs von Stadtkewitz stößt nicht bei allen Mitgliedern auf Gegenliebe. Anti-christliche Elemente werden nicht geduldet. Elitärer Dünkel und Nationalismus hingegen sind in der Partei weit verbreitet. Einig sind sich die Mitglieder jedoch in der Wahl des Propagandamediums: das Internet bietet mit seinen Kommentarspalten auf neurechten Blogs die Umgebung, in der die AlltagsrassistInnen der „Freiheit“ am liebsten hetzen.

 

Organisatorisch ist die Partei in einen Bundesverband, Landesverbände und Kreisverbände unterteilt. In Baden-Württemberg wurde der erste Landesvorsitzende Joachim Reymann von Andreas Haller abgelöst, der stellvertretender Vorsitzende war Michael Becker und Landesschatzmeister war Sandro Birke. Auch hier gab es nach dem Bundesparteitag in Frankfurt mehrere Austritte. Seit Sommer 2011 bemühten sich die KoordinatorInnen Oliver Zeh für Nordbaden, Richard Schwan für Nord-Württemberg, Selma Kopecky für Süd-Württemberg und Michael Hug für Südbaden um den Aufbau von Ortsverbänden. In Freiburg implodierte die Ortsgruppe bereits, bevor sich Strukturen verfestigen konnten. Um überhaupt noch die Beschlussfähigkeit zu gewährleisten, wurden die zu Beginn noch möglichen Fördermitgliedschaften mittlerweile fast alle in Vollmitgliedschaften verwandelt und dadurch mit Stimmrecht versehen.

 

Antilinke Hetze im neurechten Milieu


Die Mitglieder der „Freiheit“ sind dezidierte Anti-Linke, was teilweise soweit geht, dass Parteimitglieder Anti-Antifa-Strukturen aufbauen. In Baden-Württemberg sind Anti-Antifa-Aktivitäten des „Freiheit“-Milieus hauptsächlich im Bezirk Nordbaden sowie in Stuttgart zu bemerken, hierbei arbeiten die RassistInnen der Freiheit eng mit den Ortsgruppen des von Stefan Herre und Michael Stürzenberger betriebenen Hetzblogs „Politically Incorrect“ (PI) zusammen. Der PI-Anhänger und Freiburger Staatsanwalt Thomas Seitz beispielsweise nahm am 20.09.2011 ohne sich zu erkennen zu geben an einer kritischen Veranstaltung der Freiburger Linkspartei zum Thema Rechtspopulismus teil. Generell bestehen vielerorts Überschneidungen bis hin zu Personalunion zwischen der „Freiheit“ und der „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) sowie den PI-Ortsgruppen. Auch der rassistische Hardliner und neue „Freiheit“-Landesvorsitzende Edgar Baumeister ist BPE-Mitglied.

 

Der „Freiheit“ mittlerweile kritisch gesinnte PI-Abspaltungen sind der Blog „Citizen Times“ sowie die damit verknüpfte News-Seite „blu-news“ von Felix Strüning, Marco Pino und Christian Jung, die beim Bundesparteitag in Frankfurt noch für Vorstandsämter kandidierten und inzwischen aus der Partei ausgetreten sind. Neuerdings gibt es Kontakte der „Freiheit“ zum rechten Blog „Journalistenwatch“ von Thomas Böhm und im Kopp-Verlag hat die „Freiheit“ einen ideologischen Partner, dessen reaktionäre Propaganda einen hohen Verbreitungsgrad hat. Vom Kopp-Kongress am 04.02.2012 in der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen berichteten einige Mitglieder der Partei live über Twitter.

 

Ideologische Munition für Breiviks Taten


Auch zu den rechtsradikalen Christen der Pius-Bruderschaft bestehen enge Kontakte. So stellten die Pius-Brüder beispielsweise BPE-AnhängerInnen beim sogenannten „islamkritischen Wochenende“ vom 02.-05.06.2011 die Räume ihrer Bundeszentrale in Stuttgart-Feuerbach zur Verfügung. Am Rande des Gründungsparteitags im Stuttgarter Stadtteil Bad-Cannstatt am 05.06.2011 behaupteten einige Parteimitglieder zusammengeschlagen worden zu sein. Als Hauptbelastungszeuge beschuldigte „Freiheit“-Mitglied und Polizist Thomas Stadelmaier, der zu dieser Zeit für die Internettechnik der Partei verantwortlich war, einen Genossen, der daraufhin in Untersuchungshaft kam. Wir rufen zur solidarischen Beobachtung der Berufungsverhandlung auf, die am 29.02.2012 vor dem Stuttgarter Landgericht beginnt.

 

Die RassistInnen der „Freiheit“ versuchen über den organisatorischen Rahmen einer Partei reaktionäre Ideologie hoffähig zu machen. Zynisch nutzen sie Diskurse von Meinungsfreiheit, bürgerlicher Demokratie und Menschenrechten für ihre Propaganda, aber wohin fanatischer Islamhass führen kann, hat Anders Breivik der Welt mit seinen Anschlägen in Norwegen am 22.07.2011 vor Augen geführt. In Baden-Württemberg ist der Versuch der Etablierung einer neuen rassistischen Partei bisher an inneren Widersprüchen und am massiven Widerstand verschiedener linker Gruppen gescheitert. Damit das so bleibt, müssen die Mitglieder und SympathisantInnen der „Freiheit“ auch in Zukunft mit offensiver Aufklärung und entschlossenem Widerstand angegriffen werden.

 

Ob Hinterzimmer oder Gerichtssaal — Kampf dem Rassismus!

 

Communiqué vom 12.02.2012

Autonome Antifa Freiburg

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Schöner Text, alles drin was gute Info- Arbeit ausmacht. DANKE !!

Sehr gute Arbeit. Schön mal wieder ein Communique von euch zu lesen.

Traurig aber das Nazis und Rassisten sich im Schwarzwald-Baar-kreis immernoch gefahrlos bewegen können. Es darf kein ruhiges Hinterland geben!

Der Landesverband Baden-Württemberg hat seit Samstag, 11.02. einen neuen Vorstand. Die Mitglieder wählten Edgar Baumeister zu ihrem Vorsitzenden und Hans-Erich Kraft und Michael Hug zu seinen Stellvertretern. Schriftführerin ist Hella Krauter, Schatzmeister Manfred Wehder. Daneben hat der Vorstand noch sechs Beisitzer: Silja Freifrau von und zu Thannhausen, Daniel Herr, Lothar Herzog, Simon Niederleig, Bernd Seitz und Lothar Steinbock.

Für das Schiedsgericht verantwortlich ist Marcus Stegmann (Beisitzer: Ehrhardt Dubois und Tatjana Elzer).

Kassenprüfung: Manfred Blöchle und Detlef Brüning.

Der Vorstand wird hier in Kürze noch genauer vorgestellt.

Die „Freiheit“ am Ende

Montag, 07.11.2016

 

Die rassistische Kleinstpartei „Die Freiheit“ löst sich auf. Zuletzt war der Nazi Michael Stürzenberger weitestgehend alleine in der vom Geheimdienst überwachten Partei, die letztendlich an der AfD scheiterte. In Freiburg schaffte es die Partei aufgrund antifaschistischer Interventionen trotz mehrerer Anläufe nicht, eine Ortsgruppe zu gründen.