Die gesetzliche Unrechtmäßigkeit der Räumung der Liebig 14 ist kein Einzelfall. In der Vergangenheit wurden in Berlin immer wieder Hausprojekte illegal geräumt. In den meisten Fällen wurde auf die juristische Klärung im Nachhinein verzichtet, weil sie keine Aussicht auf Rückkehr ins Gebäude ermöglicht. Es gibt dennoch Beispiele bei denen der Rechtsbruch offiziell bestätigt wurde.
Yorck 59
Als die Verhandlungen zwischen den Hauseigentümern
und dem Hausverein der Yorck 59 über eine horrende Mietsteigerung
gescheitert waren, verzichtete der Verein im September 2004 auf die
Option, das Mietverhältnis fortzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt bewohnten
etwa 60 Vereinsmitglieder mit Untermietverträgen das Hinterhaus. Nachdem
die Hauseigentümer einen Räumungstitel gegen den Verein erwirkt hatten,
wurde das Gebäude im Juni 2005 geräumt. Da keine Räumungstitel gegen
die Bewohner_innen bestanden, beurteilte der 4. Strafsenat des
Kammergerichts im Dezember 2008 die Räumung als rechtswidrig und sprach
die ehemaligen Bewohner_innen vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs frei.
Laut Gericht endet das Hausrecht der Untermieter erst, wenn der
Vermieter aufgrund eines gegen sie erwirkten Räumungstitels wieder in
Besitz des Wohnraumes gelangt ist.
http://de.indymedia.org/2009/01/238079.shtml
Liebig 14
Im
Fall der Liebig 14 wurde ebenfalls auf die Rechte der Bewohner_innen
und einen sonst üblichen Räumungsstopp in den kalten Wintermonaten
geschissen. Obwohl der Hausverein im Januar 2011 gegen die geplante
Zwangsräumung gerichtlichen Rechtschutz beantragt und darauf verwiesen
hatte, dass die beabsichtigte Räumung des Vereins als Untermieter mit
Räumungstiteln gegen die Hauptmieter_innen unzulässig ist, kümmerte das
Senat und Polizei wenig. Sie räumten die Liebig 14 mit einem massiven
Polizeiaufgebot im Februar 2011.
http://liebig14.blogsport.de/2012/01/27/liebig-14-raeumung-war-illegal
Rigaer 80
Die
polizeiliche Räumung der besetzten Rigaer Straße 80 im Juli 1997 wurde
in einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Berlin im Juli 2003 für
rechtswidrig erklärt. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes
konnten sich die Hausbesetzer auf das Grundrecht des Artikel 13
Grundgesetz auf Unverletzlichkeit der Wohnung berufen.Auf eine
zivilrechtliche Räumungsklage wurde hier gänzlich verzicht. Ein Antrag
der Eigentümer bei der Polizei reichte völlig aus. Dies war das
Standardvorgehen in den 1990igern gegenüber besetzten Häusern.
http://www.r80.org/
Legal, illegal, Scheissegal
Da
selbst bei einer gerichtlich festgestellten illegalen Räumung der
Wiedereinzug versperrt bleibt, bewegen sich Polizei und Senat offenbar
gern im Kampf gegen alternative Projekte in der Grauzone. Um Fakten zu
schaffen werden dann auch schon mal Grundrechte außer Kraft gesetzt und
dem Knüppel freien Lauf gelassen.
Anders lassen sich solche
brutalen, rechtswidrigen Vertreibungsaktionen kaum erklären. Doch die
Räumung von alternativen Hausprojekten ist nur die Spitze des Eisberges
eines gestiegenen kapitalistischen Verwertungsdrucks und
fortgeschrittenen Verdrängungsprozesses in Berlin. In der ganzen Stadt
haben immer mehr Menschen Probleme Wohnraum zu finden, den sie sich
leisten können.
Jahrestag der Liebig 14 Räumung
Als
guten Anlass den Unmut darüber auf die Strasse zu bringen, bietet sich
der Jahrestag der Liebig 14 Räumung an. Es wird am Donnerstag den 2.
Februar 2012 den ganzen Tag über eine Mahnwache vor dem Haus mit Musik,
Performances, Workshops und Diskussionen geben. Zusätzlich findet abends
ein Konzert im Jugend[widerstands]museum in der Galiläakirche statt. Am
Samstag den 4.2. gibt es dann noch die große Zombie-Demonstration.
Start ist um 15 Uhr am Bersarinplatz.