Zwickauer Zelle: Bundesanwaltschaft veröffentlicht Fahndungsplakat

Mordanschläge und Banküberfälle durch eine rechtsterroristische Tätergruppierung in Deutschland
Erstveröffentlicht: 
01.12.2011

Derzeit seien 400 Ermittler im Einsatz, weitere 50 sollen hinzukommen. Mit einem Fahndungsplakat soll nach Hintermännern und Unterstützern der Neonazi-Terrorgruppe gesucht werden.

 

Berlin. Mit einem Fahndungsplakat sucht die Bundesanwaltschaft nach weiteren Hintermännern und Unterstützern der Neonazi-Terrorgruppe Nationalistischer Untergrund (NSU). Bei der Aufklärung der Mordserie und der Durchleuchtung des rechten Netzwerkes setzten die Ermittler jetzt verstärkt auf die Unterstützung der Bevölkerung, sagte Generalbundesanwalt Harald Range am Donnerstag in Karlsruhe. Es sei durchaus denkbar, dass der Gruppe noch weitere Straftaten zuzurechnen seien.

 

Die entscheidenden Hinweise ergäben sich bislang aus der Auswertung von rund 2500 Beweisstücken, die vor allem in der ausgebrannten Wohnung der Terrorzelle gefunden worden seien. Bislang arbeiteten rund 420 Beamte bei der Fahndung, 50 weitere sollten hinzukommen. In der Bundesanwaltschaft sind etwa 10 Staatsanwälte mit der Terrorzelle befasst.

 

Die Ermittler versuchten zurzeit, die Wege der Terroristen nachzuvollziehen, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Zierke. „Noch gibt es zahlreiche Lücken.“ Gesucht werden Zeugen, die die Verdächtigen auf Park- oder Campingplätzen gesehen haben oder Angaben über ihren Wohnort machen können. „Bislang kennen wir nur drei Wohnungen im Raum Zwickau“, sagte Zierke. Das Bundeskriminalamt habe sich für die öffentliche Fahndung entschieden, weil bislang nur knapp 250 Hinweise eingegangen seien. Dadurch erhofften sich die Ermittler Hinweise auf weitere mögliche Unterstützer oder Kontaktpersonen des Trios. Eine wichtige Rolle spielten dabei Wohnmobile, die von den NSU-Terroristen nicht nur für ihre Taten, sondern auch für Urlaubsreisen benutzt worden sein sollen.

 

Bislang arbeiteten rund 420 Beamte bei der Fahndung, 50 weitere sollten hinzukommen. In der Bundesanwaltschaft sind etwa 10 Staatsanwälte mit der Terrorzelle befasst.

 

Die Bundesanwaltschaft ermittelt seit dem 11. November gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“. Die Gruppierung soll bundesweit für neun Morde an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft in den Jahren 2000 bis 2006, den Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn vom April 2007 und zwei Bombenanschläge in Köln von 2001 und 2004 verantwortlich sein. Derzeit befinden sich vier Beschuldigte in Untersuchungshaft.

 

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu kommt heute nach Deutschland, um Angehörige der Mordopfer zu treffen. Dabei will er nach Angaben türkischer Medien auch über Entschädigungszahlungen des deutschen Staates sprechen. Davutoglu startet seine Rundreise in Hamburg. Danach sind bis Sonntag Stationen in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern und Berlin geplant, ehe der Minister an der Afghanistan-Konferenz in Bonn teilnimmt.

 

Derzeit sitzen drei mutmaßliche Helfer der Neonazi-Terrorzelle in Untersuchungshaft, außerdem die Hauptbeschuldigte Beate Zschäpe. Die zwei weiteren mutmaßlichen Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten sich am 4. November das Leben genommen.

 

Steinmeier: NPD „neu in den Blick nehmen“

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier macht sich erneut für einen Neuanlauf zu einem NPD-Verbot stark. „Wir müssen die NPD neu in den Blick nehmen und ein Verbot ernsthaft angehen“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstagausgabe). Die Biografie der Täter zeige, dass die Trennung zwischen einer parlamentarisch aktiven NPD und einer gewaltbereiten Szene außerhalb von ihr künstlich gewesen sei. „Dort ist ein Netzwerk entstanden, in dem die Beteiligten mit verteilten Rollen spielen. Sie arbeiten aber gemeinschaftlich daran, die Grundlagen unserer freiheitlichen Gesellschaft zu zerstören,“ sagte Steinmeier.

 

Der ehemalige Verfassungsrichter Jentsch sieht Versäumnissen bei Bundestag und Bundesrat im Vorfeld eines neuen NPD-Verbotsverfahrens. „Man hätte das Bundesverfassungsgerichtsgesetz ändern können, bevor man jetzt möglicherweise wieder in die Schlacht zieht“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Donnerstagausgabe).

 

Das Gesetz sehe nämlich vor, dass eine Zwei-Drittel-Mehrheit - also sechs von acht Richtern des zuständigen Senats – für das Verbot stimmen müssten. „Eine einfache Mehrheit reicht. Ich würde das Quorum ändern.“ Wenn man das Gesetz aber jetzt unmittelbar vor Beginn eines womöglich neuen Verbotsverfahrens ändern würde, „dann hätte das ein Geschmäckle“. Im Grunde sei es dafür schon zu spät.

 

Verfassungsschützer: Waren nicht am Heidelberger Tatort

Die Landesverfassungsschutzämter Bayern und Baden-Württemberg haben dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, derweil versichert, dass nach ihrer Kenntnis keine ihrer Mitarbeiter beim Heilbronner Polizistenmord am Tatort gewesen seien. Dies habe Fromm am Mittwoch in der Sitzung des Bundestags-Innenausschusses berichtet, wie die „Passauer Neue Presse“ (Donnerstagausgabe) aus Teilnehmerkreisen erfuhr.

 

Das Hamburger Magazin „Stern“ hatte berichtet, dass bei dem Mord an der Polizistin Michèle Kieswetter in Heilbronn Verfassungsschützer Augenzeugen gewesen sein könnten. Dies gehe aus einem geheimen Observationsbericht des amerikanischen Geheimdienstes DIA hervor. Die Agenten hätten zeitgleich mit den Verfassungsschützern in der Nähe des Tatortes Verdächtige eines anderen Verfahrens beobachtet.

 

(abendblatt.de/dpa/rtr/apd)