Essen. Bereits zum dritten Mal kommt die vom Verfassungsschutz beobachtete, türkische Vereinigung „Graue Wölfe“ am Samstag in der Essener Grugahalle zusammen. Dabei kann es die Ideologie der türkischen Rechten locker mit der deutscher Neonazis aufnehmen.
Der kunterbunte Flyer lässt nichts Böses erahnen: ein paar Schriftzüge auf Türkisch, das Bild eines älteren Herren in der Mitte und über dem Logo der Organisation fließen deutsche und türkische Fahnen scheinbar harmonisch ineinander. Die „Föderation der Demokratischen Türkischen Idealistenvereine in Deutschland“ lädt am Samstag ab 13 Uhr in die Essener Grugahalle ein. Demokratisch, Idealistenvereine – das klingt harmlos, geradezu vertrauenserweckend. Doch dahinter verbirgt sich eine Gruppe rechtsradikaler Türken, deren Gedankengut es locker mit dem deutscher Neonazis aufnehmen kann. Bekannt sind sie auch unter dem Namen „Graue Wölfe“. Sie werden vom Verfassungsschutz beobachtet, doch verboten sind sie nicht.
„Die Verantwortlichen könnten sich auf Anti-Diskriminierungsgesetz berufen“
Das ist auch der Grund, warum der Stadt nach eigenen Angaben die Hände gebunden sind. Egon Galinnis, Geschäftsführer von Messe Essen und Grugahalle, beruft sich bei der Genehmigung der Veranstaltung auf den sogenannten Kontrahierungszwang, laut dem rechtlich keine andere Handhabe möglich sei. „Die Verantwortlichen könnten mit Berufung auf das Anti-Diskriminierungsgesetz klagen, wenn wir die Halle nicht zur Verfügung stellen“, sagt Galinnis. Wirtschaftliche Überlegungen hätten damit nichts zu tun, beteuert der Geschäftsführer der finanziell klammen Messe.
Bereits zum dritten Mal ist die Grugahalle Veranstaltungsort für die Tagung, zuletzt kamen die „Grauen Wölfe“ dort 2009 zusammen. Rund 6.500 Teilnehmer werden auch diesmal wieder erwartet. „Wir haben nie Probleme gehabt, da geht es sehr friedlich zu“, sagt Galinnis. Er persönlich wollte die Vereinigung nicht bewerten. Die Genehmigung sei mit Polizei und Staatsschutz abgestimmt, letzterer sei am Samstag auch vor Ort. Die Polizei übernimmt die Verkehrssicherung rund um das Gelände, ist darüber hinaus aber nicht involviert. Die Koordinierungsstelle der Stadt für Großveranstaltungen hat mit den Belangen der Gruga ebenfalls nichts zu tun: „Die Gruga ist genehmigte Versammlungsstätte für bis zu 10.000 Personen. Da sind keine weiteren Maßnahmen unsererseits nötig“, sagt Chef-Koordinator Harald Bräunlich.
„Bisher sind wir mit den Grauen Wölfen viel zu lasch umgegangen“
Olaf Lehne will diese Hilflosigkeit der Behörden jedoch nicht weiter hinnehmen. Der CDU-Landtagsabgeordnete aus Düsseldorf hat die Essener Veranstaltung jetzt zur Landes-Angelegenheit gemacht. Vor wenigen Tagen startete er eine Anfrage: Er möchte unter anderem wissen, was die Landesregierung gegen solche Großveranstaltungen unternehmen wird. Er wolle die Öffentlichkeit und auch die Kollegen endlich wachrütteln, sagt Lehn. „Bisher sind wir mit den Grauen Wölfen viel zu lasch umgegangen. Auch die Politik hat einfach die Rolladen dicht gemacht und die Radikalen schalten und walten lassen.“ Lehne warnt vor solcher „Blauäugigkeit“. Der Fall der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle zeige schließlich, wohin das führen könne.
„Der türkische Rechtsextremismus muss mit der gleichen Ernsthaftigkeit bekämpft werden wie der deutsche“, fordert auch der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel aus Bochum. Die NRW-Landesregierung hält sich jedoch bedeckt. „Wir wollen der Beantwortung der Anfrage nicht vorgreifen“, sagt Sprecher Jörg Rademacher.
Dabei sind die Erkenntnisse des NRW-Verfassungsschutzes alarmierend: Rund 70 Vereine der nationalistischen Bewegung mit mehr als 2000 Mitgliedern zählen die Verfassungsschützer im Land. Beinahe in jeder größeren Stadt gibt es Vereinsheime der Grauen Wölfe. Die Ideologie der türkischen Rechten ist eine Mischung aus übersteigertem Nationalismus, Führer-Kult und der Überzeugung, dass die eigene Rasse überlegen ist. Selbst bei den Feindbildern gibt es Gemeinsamkeiten mit Neonazis: Deutsche und türkische Rechtsradikale eint der Hass auf Juden und Homosexuelle. Auch der Traum von einem Großreich gibt es bei den Grauen Wölfen: Es soll „Turan“ heißen und sich von Zentralasien bis zum Balkan erstrecken. Ihre Zielgruppe: frustrierte Jugendliche mit Integrations-Schwierigkeiten.
CDU fordert Aufklärungskampagne
Nach außen treten die türkischen Rechtsradikalen wie Biedermänner auf, doch im Internet zeigen sie ihr wahres Gesicht. Besonders drastisch sei die Art und Weise, in der die Gruppen ihre Feindbilder über entsprechende Sites, Foren und Chats verbreiten, konstatiert der NRW-Verfassungsschutz in einer Untersuchung der Internet-Aktivitäten der Grauen Wölfe. „Hier bleibt es nicht nur bei der bloßen Diffamierung. Vielmehr wird in volksverhetzender Weise zu Körperverletzung, Mord und sogar Lynchjustiz aufgerufen“, schreiben die Verfassungsschützer.
Vor diesem Hintergrund sei es schockierend, dass es Mitgliedern der Grauen Wölfe immer wieder gelinge, sich in etablierte Parteien einzuschleichen, klagt Lehn. Auch vor der Unterwanderung der Integrationsbeiräte der Städte wird gewarnt. Laut einem Bericht der „Welt am Sonntag“ sollen fast alle deutschen Integrationspolitiker mehr oder weniger ahnungslos Kontakt zu Türkeistämmigen gepflegt haben, die der Verfassungsschutz als Islamisten oder Radikalnationalisten einstuft. Zu den Betroffenen sollen die aktuelle NRW-Integrationsstaatssekretärin Zülfiye Kaykin, der ehemaligen CDU-Integrationsminister Armin Laschet und Lokalpolitiker wie Duisburgs OB Adolf Sauerland gehören.
Die CDU-Fraktion im Landtag fordert jetzt Maßnahmen gegen die grassierende Ahnungslosigkeit. Eine Kampagne für Schulen und kommunale Entscheidungsträger soll über die Grauen Wölfe aufklären. „Die extremistische Gefahr der Bewegung werde in NRW verkannt“, heißt es in dem Antrag an die Landesregierung, den auch Armin Laschet unterzeichnet hat.