Neonazi-Trio
Hießen die Terrorverdächtigen nicht Uwe B., Uwe M. und Beate Z., sondern Adem, Kadir und Aysche, wären die Geheimdienste schneller gewesen, vermutet Volker Schmidt. Er fragt sich, warum islamistische Bombenbastler so schnell als Terrorzelle gelten, rechtsextreme Gewalttäter dagegen als durchgeknallte Einzelgänger
Von Volker Schmidt
Wer sich mit dem Rechtextremismus in Deutschland ein wenig befasst hat, wunderte sich schon vergangene Woche: Da kommt ein mutmaßliches Mördertrio aus der rechten Szene, ist bereits mit Bombenbastelversuchen aufgefallen – aber weder Politik noch Medien machen ein Aufhebens darum. Die Neonazi-Verbindung wird nebenher erwähnt, der Fall als gewöhnliche Kriminalgeschichte auf den vermischten Seiten der Zeitungen abgehandelt.
Sicher konnte man da noch nicht wissen, dass die so verharmlosend „Döner-Morde“ betitelte Serie brutaler Exekutionen und womöglich weitere Anschläge auf das Konto der Thüringer Zelle gingen. Aber man konnte schon ahnen, dass die mutmaßlichen Täter keine gewöhnlichen Kriminellen waren.
Die Befürchtung liegt nahe: Hießen die Terrorverdächtigen nicht Uwe B., Uwe M. und Beate Z., sondern Adem, Kadir und Aysche, wären die Geheimdienste schneller gewesen. Erinnern wir uns an die Sauerland-Gruppe: Über Monate beschäftigten sich ganze Hundertschaften von Beamten, Journalisten und Juristen mit vier reichlich unbedarften Möchtegern-Dschihadis, denen der Staatsschutz das Wasserstoffperoxid verdünnte, bevor sie an die Bombenproduktion auch nur denken konnten. Sie wurden zu Haftstrafen von zweimal zwölf, elf und fünf Jahren verurteilt.
Und erinnern wir uns an Thomas B., Mitglied der NPD-Jugendabteilung Junge Nationaldemokraten, im August 2009 in Weil am Rhein verhaftet mit genug Wasserstoffperoxid und anderen Chemikalien im Besitz, um binnen Stunden eine gefährliche Bombe zu bauen. Er wurde bis heute nicht vor Gericht gestellt. Das Landgericht war noch im April dieses Jahres der Ansicht, der Besitz der laut Staatsanwaltschaft größten Menge an Bombenmaterial, die man je bei einem Neonazi in Deutschland gefunden habe, sowie der passenden Bauanleitungen reiche nicht, um das Hauptverfahren zu eröffnen.
Die Begründung des Landgerichts: Zum Tatbestand „Vorbereitung eines Explosionsverbrechens“ gehörten konkretere Anschlagspläne, unter anderem Hinweise auf das Ziel. Bei Thomas B. wurde halt kein Stadtplan mit einem hilfreichen Kringel um den Treff der Autonomen Antifa Freiburg, um eine Moschee oder Döner-Bude gefunden. Die Pläne der Sauerland-Gruppe waren kaum besser zu belegen, aber vom US-Geheimdienst mitgeschnittene Telefongespräche halfen. Außerdem waren die vier geständig.
Thomas B. hatte Komplizen, wie mehreren Medien damals zugespielte E-Mails aus dem Account des Verdächtigen belegen. Da erinnert zum Beispiel ein anderer Rechtsextremist den mutmaßlichen Bombenbastler daran, er müsse die Chemikalien noch abholen und bezahlen, die er in seinem Auftrag bestellt habe. Obwohl diese Hinweise auch der Polizei vorgelegen haben müssen, kam es erst Tage nach der Verhaftung von Thomas B. zu Durchsuchungen bei seinen Kumpels. Angeklagt wurde niemand von ihnen.
Der Vergleich ist gewagt, aber er wirft die Frage auf: Warum gelten islamistische Bombenbastler so schnell als Terrorzelle, rechtsextreme Gewalttäter dagegen als durchgeknallte Einzelgänger? Die krude Ideologie der Neonazi-Szene eignet sich als Nährmilieu für mörderische Militanz ähnlich gut wie radikaler Islamismus. Orientierungslose junge Männer, die für radikales Gerede empfänglich sind, gibt es in der rechten Szene mindestens ebenso viele wie im Publikum salafistischer Imame. Frauen wie Beate Z. sind hier wie dort die Ausnahme.
Dass Hetze gegen „Besatzungssystem“, „Judenrepublik“ und vor allem „Zecken“ – Andersdenkende, Migranten, Obdach- und Arbeitslose sowie alle, die so aussehen – Gewalt auslösen kann, ist kein neues Phänomen. Selbst die zynischen Fotos und Videos, in denen der „Nationalsozialistische Untergrund“ sich und seine Opfer inszenierte, passen zum Propagandastil der Neonazis – nur, dass solche Szenen sonst gestellt sind.
Gemeinsam ist rechten und islamistischen Terroristen auch der Nachschubweg. Das Internet dient beiden als unerschöpflicher Quell all dessen, was der militante Staatsfeind zum Bombenlegen braucht – von der Chemie über die Gebrauchsanleitung bis zum Ganzkörper-Anzug aus dem Sexshop, mit dem Thomas B. wohl DNA-Spuren am Tatort vermeiden wollte.
Einen Unterschied in den Gewaltfantasien der Islamisten und der Rechtsextremisten gibt es: Während für viele der ersteren die gesamte westliche Kultur das Feindbild ist, wird der gemeine rechte Bombenbastler Anschläge planen auf linke Szenetreffs, auf Treffpunkte von Migranten, auf Moscheen, vielleicht auf Polizeistationen – oder eben auf türkisch- und griechischstämmige Inhaber kleiner Geschäfte.
Nach dem letzten „Döner-Mord“ in Kassel 2006 demonstrierten Hessen ausländischer Herkunft, weil sie den Eindruck hatten, die Polizei suche nicht intensiv genug nach dem Täter. Die Ermittler konterten, es kämen zu wenige Hinweise aus der türkischen Community; sie hielten die Mordserie offenbar für eine Angelegenheit der Migranten. Noch ist nicht klar, warum zwei Mitglieder der Thüringer Bande sich erschossen und so die Enttarnung der Zelle auslösten. Es sieht so aus, als sei ihnen der letzte in einer ganzen Reihe von Banküberfällen zum Verhängnis geworden. Hinweise auf die Mordserie und weitere Anschläge entdeckte die Polizei erst anschließend.
Dossier Rechtsterrorismus in Deutschland - die unterschätzte Gefahr