Sabotage als Streik im Kontext grollender Vulkane: Inspiriert vom isländischen Vulkan Eyjafjallajökull, der letztes Jahr den gesamten europäischen Luftraum lahmlegte und damit das Wirtschaftsleben für sieben Tage beeinträchtigte, hatten wir vor genau drei Monaten am 23.5.2011 einen Kabelbrand am zentralen Verkehrsknotenpunkt Ostkreuz verursacht. Linkerhand der Türen zur Kabelbrücke durchtrennten wir mehrere Schutzgitterstäbe. Just an diesem Tag meldete sich der nächste isländische Vulkan Grímsvötn mit solidarischen Rauchzeichen. „Wussten die überhaupt, was sie anzünden?“, fragte der Tagesspiegel. Ja, wussten wir. Das Ergebnis der Aktion stimmte mit unserer Idee überein. Das Ausmaß der Wirkung war gewollt und kalkuliert.
Intro
Zwei Monate reichten offensichtlich aus, um nach dem Super-GAU von Fukushima am 11.3.2011 wieder in einer zweifelhaften Normalität angekommen zu sein, in der sich ständig eine Katastrophe an die andere reiht. Waren die explodierenden Reaktoren zwar am Tag des Ereignisses ein Schock, so war dieser zwei Monate danach durch EHEC, Strauß Kahn, Griechenland und Eurokrise in Vergessenheit geraten. Die Wut über den GAU, der Anlass unserer Aktion, war öffentlich nicht mehr sichtbar. Anti-Atomproteste waren weitgehend kanalisiert, obwohl zeitgleich der Atomkraftwerkbetreiber tepco zugeben musste, dass eine Kernschmelze bereits während des Erdbebens stattgefunden hatte. Anlassbezogene Aktionen kommen der Schnelllebigkeit der Katastrophennachrichten nicht mehr hinterher. Wir müssen also zu grundlegenderen Antworten kommen, die nicht mehr nur unmittelbar auf bestimmte Ereignisse reagieren.
Gewöhnt daran, dass der einen Katastrophe nur eine weitere folgt, trotten wir, wie alle anderen, ansonsten folgsam durch den Alltag und funktionieren.
Mit unserer Aktion wurde nicht nur ein hoher (bisher unbilanzierter) finanzieller Schaden angerichtet und nicht nur der Standortschaden für die Hauptstadt war beträchtlich, sowie der Imageschaden für die Deutsche Bahn - wir wollten auch bewusst die Unterbrechung des Trottes der Menschen im Dienste einer Hauptstadt. Dieser letztgenannte Aspekt war schwer zu vermitteln.
Was ist überhaupt passiert?
Um 3 Uhr fallen nach und nach die mit der Kabelbrücke am Ostkreuz verbundenen Netzanlagen aus. Das Rechenzentrum Marzahn meldet sich mit weitreichenden Folgen ab. Mehr als drei Stellwerke sind ohne Strom. Mindestens 500 000 Menschen kommen nicht mehr zur Arbeit, zur Schule, zur Uni, weil einer von drei Knotenpunkten ausgefallen ist. Täglich steigen über 100 000 am Berliner Ostkreuz ein und um, weitere 300 000 Menschen passieren gewöhnlich diesen Ort. Doch nichts geht mehr. Bis in das Berliner Umland hinein liegt auch der Nahverkehr danieder. 800 DB-Fahrscheinautomaten quittieren den Dienst, über 200 Ticketautomaten machen es ihnen nach. Aufgrund der vielen Ausfälle ist kein Schienenersatzverkehr mehr möglich. Die Onlinebuchung der Bahn ist komplett ausgefallen, die interne DB-Kommunikation zusammengebrochen. Servicenummern und Webseiten der Bahn sind tot. Die Internetseite des DB-Logistikkonzerns DB-Schenker ist nicht erreichbar.
Die KundInnen von mindestens zwei Telefonanbietern aus der Mobilbranche (zwischen 13.000 und 15.000) sind ohne Anschluss. Betroffen ist beispielsweise die Verwaltung Oder-Spree mit mehreren hundert Diensthandys. Um den Knotenpunk Ostkreuz herum gehen viele Firmen vom Netz. Viele ArbeitgeberInnen in Berlin sind gezwungen, ihren Angestellten und MitarbeiterInnen frei zu geben. In weiten Teilen der Stadt gibt es Probleme mit dem Internet. Einige EC-Karten-Lesegeräte funktionieren nicht mehr. Die Atomkonsenspartei „Die Grünen“ ist im Abgeordnetenhaus ohne Telefon. Bis nach Frankfurt stauen sich Fernzüge zurück und verspäten sich. Das Einsetzen von Regionalzügen und Fernzügen, einschließlich der ICE im Ostbahnhof, scheitert, da viele Züge nicht über das Ostkreuz hinaus fahren können, um in Rummelsburg gewartet, eingesetzt und/oder rangiert zu werden.
Den angebliche Ausfall von Ampelanlagen, laut Presse im Südosten Berlins, können wir in keinen Zusammenhang mit dem Kabelbrand bringen.
Ein einfacher Brand mit sehr großer Wirkung.
Medien, Sabotage und journalistische Hirnschmelzen
Am 23.05.2011 um ca. 15.00 Uhr kam unsere Erklärung heraus. Vorher gab es einen entspannten Umgang der Medien mit dem Zusammenbruch des Knotenpunktes Ostkreuz. Interviews im Radio zeugten eher von einer Gelassenheit der Menschen an den Bahnsteigen im Umgang mit dem Kabelbrand. Kaum war die Erklärung in den Redaktionen, drehte der Wind in der Medienberichterstattung. Mit einem medialen Trommelfeuer, angeheizt vor allem von einigen Redaktionen und deren JournalistInnen, sowie PolitikerInnen, wurde viel Energie daran gesetzt, die Aktion anzugreifen und ihre zielgerichtete Wirkung zu denunzieren. Wir meinen damit nicht die Kommentarspalten, die dazu da sind, Themen zugespitzt anzugehen und die wenig Sympathie für militante Aktionen aufzubringen in der Lage sind. Wir meinen die Berichterstattung, die vermeintlich neutral daher kommt, aber durch Wertsetzungen, Weglassungen, Verdrehungen und Lügen ihre LeserInnen gezielt lenkt. Springer, Taz, Tagesspiegel, Süddeutsche Zeitung, RBB manipulierten ihre jeweilige Klientel nach ihren Möglichkeiten. Die Taz telefonierte nach Antiatomgruppen, die sich von der Aktion distanzieren würden und fand nur zwei Funktionäre von B.U.N.D. und Naturfreundejugend, die die Interessen der Taz bedienen konnten. Die Berliner Politik, also alle Parteien, distanzierten sich unnötigerweise von der Aktion. Trittin bezeichnete uns als Idioten und nicht als Atomkraftgegner. Das geben wir angesichts des Merkelschen Atomkonsens zurück. Jeder tut was er kann.
Es gab ein wiederkehrendes Denunziationsmuster in vielen Zeitungen:
Es bestünde Gefahr für Leib und Leben von Menschen. Wir nähmen die Gefährdung von Menschenleben billigend in Kauf. Wir hätten den Tod zweier im Stau stehender Menschen zu verantworten. Wir hätten durch unsere Aktion Menschenleben in Krankenhäusern gefährdet.
Die Erklärung sei wirr und konfus.
Wir seien Wirrköpfe, die auf Gewalt aus seien und suchten dafür nur eine Begründung. Wir seien keine Atomkraftgegner.
Zu Eins. Es bestand keine Gefahr für Menschen.
Es bestand keine Gefahr für Menschenleben oder die körperliche Unversehrtheit von Menschen. Einige JournalistInnen haben die gegenteilige Behauptung bewusst und mit Kalkül eingesetzt.
Wir wissen, dass die Sicherheitssysteme der Bahntechnik bei Sabotageaktionen (oder Kabeldiebstahl, Unfall, Beschädigungen durch Baustellen, umgefallene Bäume, Blitzeinschläge, Unwetter etc.), so wie wir sie durchgeführt haben, redundant ausgelegt sind. Das heißt, es liegen Mehrfachsicherungen vor.
Bei technischen Störungen werden alle Signale auf rot gestellt. Zudem ist das Signal als solches auch bei Stromausfall erkennbar, z.B. als Tafel. Für solch einen Fall sind klare Regeln vorgeschrieben. Ohne Erlaubnis vom zuständigen Fahrdienstleiter darf nicht weiter gefahren werden. Den LokführerInnen stehen zur Sicherheit zwei Kommunikationswege zu ihrer Verfügung (Funk und Diensthandy). Fallen beide aus, weil es einen Totalausfall der internen Kommunikation gibt, darf kein Zug mehr weiterfahren. Der hintere Anschnitt wird automatisch gesperrt. Züge können nicht aufeinander auffahren. Ohne Erlaubnis wird nicht mehr gefahren.
Um zu vermeiden, dass Leute ohne Erlaubnis einen auf offener Strecke liegen gebliebenen S-Bahn-Zug verlassen und die am Boden befindliche Stromschiene mit Hochspannung berühren, oder beim Aussteigen von einem anderen Zug erfasst werden, hatten wir unser Feuer bewusst zu einer Zeit entfacht, in der keine S-Bahnen und nur einzelne Nachtzüge unterwegs sind.
Einen Stauunfall mit Todesfolge (auf der A12, an der Anschlussstelle Friedersdorf), weit entfernt vom Brandort, in Zusammenhang mit unserer Aktion zu bringen, offenbart die denunziatorische Absicht einiger weniger JournalistInnen. Weder wir, noch die am gleichen Tag streikenden ODEG-Bahnangstellten, sind verantwortlich, wenn Leute im Stau auffahren. Mehrere Tausend tödliche Verkehrsunfallopfer jährlich sind grausame Normalität in einer auf PS-starken Individualverkehr bauenden Gesellschaft. Die Empörung darüber hält sich in einer nicht zuletzt von der Hochglanzwerbung der Automobilindustrie abhängigen Medienöffentlichkeit in Grenzen. Wer uns für den Unfall auf der A12 verantwortlich macht, schmeisst propagandistisch mit Dreck, in der Hoffnung, es bleibe etwas hängen.
Die in einem Krankenhaus ausgefallenen Telefonleitungen des Vodafonnetzes trennten die Verbindung zwischen KrankenhauspatientInnen und ihren Angehörigen. Das ist ärgerlich aber bedeutet keine Lebensgefahr. Der Notruf war nicht betroffen. Auch hier suggerierten die Medien den Ausfall eines „roten Telefons“, als hinge daran ein Leben – obwohl der Notruf funktionierte. Selbst bei einem Stromausfall, der aber durch unsere Aktion ausgeschlossen war, wäre kein OP-Termin ausgefallen. Auch eine Not-OP wäre ohne Komplikationen durchführbar gewesen. Vorausgesetzt, dass hier das redundante Sicherungssystem greift, das auch für Krankenhäuser gilt – dass die Notstromversorgung funktioniert.
Die Chefärztin der Aufnahme und Diagnoseabteilung des Elisabeth Herzberge Krankenhauses: „Der Tag ist „ziemlich normal verlaufen. Abgesagte OP-Termine habe es nicht gegeben. Niemand sei wegen des Telefonausfalls zu Schaden gekommen.“ (Tagesspiegel, 25.5.11)
Prinzipiell gilt aber – eine 100%ige Sicherheit existiert für nichts. Wir würden lügen, würden wir was anderes behaupten. Durch unsere Recherchen und die Form unseres Eingreifens haben wir alles dafür getan, eine Gefährdung von Menschenleben auszuschließen. Wir haben das Risiko für uns verantwortet und nicht leichtfertig entschieden. Wir hätten menschlich und politisch schwer daran getragen, wenn ein Mensch durch unsere Aktion ernsthaft Schaden genommen hätte.
Es gibt keine Aktion ohne Risiko, weder für uns noch für Unbeteiligte. Da wir jedoch auf der Notwendigkeit einer Umwälzung der Verhältnisse bestehen, können wir uns nicht aus der Verantwortung des Handelns herausnehmen. Das Risiko einer Aktion zu berücksichtigen, bedeutet auch die Verantwortung dafür, sie gut und umsichtig zu machen – nicht zwangsläufig, sie sein zu lassen.
Zu Zwei. Die Presse.
Die Medien haben durch ihre Position und die Möglichkeit einer vermeintlich neutralen Berichterstattung eine Macht, die mit diesem Papier nicht relativiert werden kann. Die staatstragenden, "systemrelevanten" Medien dienen in der Regel gut dazu, tiefergehende Fragen totzuschweigen und soziale Konflikte in integrative und systemstabilisierende Formen zu lenken. Eine Beschäftigung mit uns und der Intention der Aktion, anhand der allen (!) vorliegenden Erklärung, blieb aus. Einerseits, weil die Formate der Zeitung, des Radios und des Fernsehens dafür nicht ausgerichtet sind. Zweitens, weil Journalismus nur noch in selbstbeschränkten und sytemkonformen Bahnen gedacht wird. Und drittens, weil Chefredakteure, Politik und Polizei sich auch darüber verständigen, wie gewisse Berichterstattungen aussehen könnten, um bestimmte gewünschte Wirkungen zu erzeugen. Das hat wenig mit Verschwörungstheorien zu tun, als vielmehr mit den Funktionen, die Medien hier zugedacht werden und aus denen wenige überhaupt ausbrechen wollen oder können. Auch wenn die Chefredaktionen vermeintlich linker Medien nicht im direkten Austausch mit der Polizei stehen, greifen hier zur Gewohnheit gewordene Selbstbeschränkung und eine vorauseilende Hierarchiehörigkeit, die kein ergebnisoffenes Nachdenken über praktisch wirksame, Grundsätzliches in Frage stellende Aktionen zulassen.
Erstaunlich ist auch die Tatsache, dass, obwohl die Erklärung vielen Redaktionen direkt vorlag, diese immer darauf verwiesen, dass die Erklärung auf der Netzseite eines linken Internetportals aufgetaucht ist. Nur die Märkische-Oder Zeitung sprach aus, dass ihr die Erklärung vorläge. Wir fragen uns in diesem Zusammenhang, was passiert wäre, wenn die Erklärung nicht von couragierten Menschen ins Netz gestellt worden wäre? Wäre der Inhalt dann fast vollständig unterdrückt worden?
So auf jeden Fall war die Erklärung in der Welt und die Redaktionen mussten den Text öffentlich als konfus brandmarken. Er wurde diffus genannt, wirr, wie naheliegenderweise auch die Täter; nah am Rande der Hirnschmelze, wie eine Journalistin mit hohem Denunziationsbedürfnis schrieb. Die LeserInnen sollen sich auf keinen Fall eigenständig ein Bild von einer für sie so sehr in den Alltag einschneidenden Aktion machen, sondern ein vorbewertetes. Das systemkonforme journalistische Ziel bestand darin, zu vermitteln, dass es nicht zu verstehen ist, nur Auswuchs wirren Geistes sein kann, dass viele Menschen gezwungen waren, an diesem Tag unverrichteter Dinge nach Hause zurückzukehren, anstatt die Arbeit aufzunehmen.
Ja, unsere Erklärung hat einige Schwächen.
Eine Aktion dieser Art wird jedoch nicht wegen ihrer schriftlichen Erklärung auch in einigen Jahren noch bewusstseinswirksam sein, sondern wegen des tatsächlichen Beweises, den sie geliefert hat. Die Erinnerung an die erfolgreiche Praxis, an die Sabotageperspektive wird im Vordergrund stehen - an das was sie als machbar bewiesen hat: Dass wir einen zentralen Knotenpunkt von Informationsfluss und Bahninfrastuktur in einer hochtechnologisierten Hauptstadt ausschalten können, wenn wir als Militante das für richtig halten.
Es mag besser oder schlechter geschriebene Erklärungen geben (dazu später mehr) – für uns zählt noch immer der Inhalt. Es gehört scheinbar zum guten Ton auch einiger durch Medien leicht zu beeinflussender Linker, eine Aktion super, aber die Erklärung Scheiße zu finden. Wir warnen davor, der Illusion „neutraler“ Berichterstattung und damit deren Propagandawirkung zu erliegen. Wenn der Verfassungsschutz schreibt, wir hätten ein Eigentor geschossen, dann ist da leicht der Versuch zu erkennen, einen spaltenden Keil in die Auseinandersetzung um unsere Aktion zu platzieren. Den Inhalt der Erklärung als konfus und wirr zu bezeichnen, zielt unserer Einschätzung nach in die gleiche Richtung. Es kann nicht sein, was nicht sein darf: Die Aktion darf politisch gar nicht richtig sein – sie kann in ihrer Begründung nur eine Aktion von Idioten sein, die einfach anstecken, was ihnen Spaß macht. Wir erwarten kritische Distanz zu Medien, die entweder am Tropf des Staates hängen oder unter der Fuchtel ihrer Eigentümer keine freien Gedanken mehr zulassen, wenn es ans Eingemachte geht.
Sehr positiv herausheben wollen wir das linke Internetportal, das die Erklärung veröffentlicht hat. Dadurch wurde die Erklärung bei diversen Medien verlinkt und verschaffte vielen Menschen einen Zugang zu der Absicht hinter der Aktion. Dass diese Kommentarmöglichkeit auch zu Hasstiraden oder unflätigen Angriffen gegen uns, gegen die Linke allgemein, gegen die Aktion genutzt wurde, erklärt sich vor dem Hintergrund, dass die Webseite und deren Erreichbarkeit bei B.Z. und Bild dokumentiert war. Auch die sonst eher unübliche direkte Verlinkung der Erklärung durch Tagesspiegel, Spiegel-online und andere führten zu dem Effekt, dass sich ein Online-Mob auf dem linken Internetportal austobte, der dort üblicherweise nicht unterwegs ist. Wir halten es für möglich, dass die Massenmedien sich hier in einer von ihnen selbst gelegten Feedbackschleife verheddert haben: sie dachten, dass die ablehnenden Kommentare die Stimmung der linken Szene wiedergeben und erkannten nicht, dass sich da ausnahmsweise die reaktionären Teile ihrer eigenen Leserschaft in den Kommentaren Luft verschafften. Ihrem Denunziationsanliegen kam es auf jeden Fall zu gute, so tun zu können, als ob es die linke Szene sei, die da die Geschichte komplett verwirft.
Auch glauben wir, dass ein Teil solcher „Angriffe“ aus polizei- und geheimdienstnahen Strukturen kam: In linken Internetportalen werden sogenannte Trolls eingesetzt, die nicht nur gezielt Stimmung gegen Oppositionelle und ihre Meinungen und Aktionen machen, sondern subtiler: provozieren, langwierige Diskussionen vom Zaun brechen, Lügen verbreiten, deren Richtigstellung, wenn überhaupt möglich, sehr viel Energie kostet. Diese Form der Zersetzungsarbeit innerhalb sozialer Bewegungen ist ganz und gar nicht neu. Lediglich das Medium, in dem wir unterwegs sind, ist halbwegs neu und so erscheint die kommunikative Aufstandsbekämpfung dort bei flüchtigem Hinsehen als etwas Neues, was es aber gar nicht ist.
Wir wollen jedoch nicht alle Kommentare einfach als Bullen-Spam abtun. In dem einen oder anderen mag ehrliche Verärgerung echter Menschen zum Ausdruck gekommen sein, die wir nicht relativieren oder ausblenden möchten. Wir warnen allerdings davor, jegliche internetkommentarförmige Reaktionen auf die Aktion zum Maßstab zu nehmen und sich davon verunsichern zu lassen.
zu Drei. Kampf um die Köpfe und Herzen der Menschen
Was die Vermittlung der Aktion angeht, hatten wir tatsächlich ein echtes Problem. Damit meinen wir nicht die inhaltliche Tatbegründung. Sondern den Umstand, dass wir die Menschen nicht direkt ansprechen konnten, um ihnen zu vermitteln, warum wir „ihnen das jetzt antun“, sie derart aus dem Funktionieren herausreißen.
Am liebsten wäre es uns, wenn das, was wir tun, unmittelbar eingängig wäre und begriffen würde. Und am allerliebsten wäre es uns, wenn viele Betroffene, selbst die ein oder anderen KarrieristInnen, einfach mal tief durchatmeten, sich solidarisch verhielten und den Tag nähmen, wie er so unberechenbar kommt, ihn dennoch oder deswegen genössen, gerade aufgrund der Tatsache, dass es diesen Tag gibt, an dem nichts funktioniert. Stattdessen mal selbst sähen, was so passieren könnte und dass diese Offenheit und Unbestimmtheit einer Situation womöglich nicht schlimm wäre, sondern gut. Aber die Menschen wussten nicht Bescheid, wir sahen keine Möglichkeit, sie vor Ort aufzuklären, die wenigsten sind von selbst spontan drauf gekommen, die meisten hatten also mangels Information und Erkenntnis gar keine Möglichkeit solidarisch zu sein.
Wir zweifeln nicht daran, dass es richtig war, für einen kurze Zeit den Alltag vieler zu zerreißen, so dass sie mal kurz überhaupt nichts machen konnten, außer wieder nach Hause zu gehen oder nach anderen Wegen zu suchen, um von A nach B zu kommen. Wir stellen schon gar nicht in Frage, dass der Organismus Stadt, die Metropole, als ein Zentrum der Macht nicht reibungslos funktionierte. Wir stellen auch nicht in Frage, dass wir den betroffenen Dritten, wie bei vielen Streiks, die Bedingungen vorgegeben haben, durch "unseren" Streik in "ihr" Leben eingegriffen haben und für einen Moment lang diktiert haben, was geht und was nicht. Streikt die Bahn, fährt eben kein Zug. Das mag man scheiße finden oder damit solidarisch sein: jenseits oder diesseits der Barrikade. Es ändert nichts daran, dass kein Zug fährt. Und es ändert auch nichts daran, dass die Veränderungen durch den Streik der einen die Kampfbedingungen der nächsten, die zum Streik antreten, in der Regel verbessert haben.
Wir nehmen aber die Hunderttausenden ernst, die mit fragendem Gesicht und irritiert an den funktionslosen Bahnsteigen standen. Haben wir an diejenigen gedacht, die vielleicht eine Abmahnung von ihrem Chef bekommen werden, weil sie zum dritten mal zu spät kommen? Haben wir daran gedacht, dass jemand vielleicht die Beerdigung ihrer besten Freundin verpasst? Haben wir daran gedacht, dass Menschen ihre Urlaubsflieger verpassen?
Ja, haben wir.
Wir nehmen den Ärger der von unserer Aktion betroffenen Menschen ernst – wir haben ihn auch bewusst in Kauf genommen. Denn wir nehmen auch die gesellschaftlichen Verhältnisse ernst. Der reibungslos funktionierende Wahnwitz läßt sich nicht durchbrechen, während alles so bleibt, wie es ist. Klingt schlicht, ist aber essentiell. Wir muteten Anderen etwas zu, weil die Verhältnisse eine Zumutung sind. Für diesen Schritt konnten und können wir nicht das Wohlwollen Aller erwarten. Denn Alle sind auch verantwortlich für die in unserer Erklärung benannten Missstände – uns inbegriffen. Wir versuchen, dieser Verantwortung durch unser Handeln gerecht zu werden. In dieser Verflechtung kann es keinen „unschuldigen“ Widerstand geben. So wenig, wie es einen „unschuldigen“ Normalzustand gibt.
Wir haben uns gewehrt, mit einfachsten Mitteln, so gewaltfrei wie möglich. Wir haben dafür eines der sich in Kabelsträngen materialisierenden Netzwerke angegriffen, wie sie in jeder Metropole zu finden sind. Das ganze mittels einer Aktionsform, die von vielen nach genauer Recherche nachahmbar ist. Wir haben damit auch versucht, vielen eine Handlungsmöglichkeit aufzuzeigen. Wir stellen das Konzept hinter unserer Aktion zur Diskussion. Wir regen militante Initiativen an, die zeigen, wie sich mit einfachen Mitteln und ohne Spezialwissen das Gefüge einer Stadt aus dem Tritt bringen lässt. Es geht ums Ganze. Eine widerständige, nicht-militarisierte, befreiende Praxis muss erlernt werden, damit die Erfahrung der Ohnmacht durchbrochen werden kann. Unsere Aktion begreifen wir als Teil eines solchen Lernprozesses und als strategischen Vorschlag. Die Netzwerkinfrastrukturen, die uns einbinden und das Funktionieren des zerstörerischen Alltags garantieren, sind kaputtbar.
Wenn Menschen uns angesichts unseres Vorgehens nicht verstehen oder uns ablehnen, ist das nicht angenehm – aber wir werden eine Aktion nicht nach solcher Befindlichkeit ausrichten - weil der Krieg von hier, von der Metropole aus und für die Metropole geführt wird, weil die ökologischen Katastrophen einander ablösen wie Tag und Nacht, weil wir nicht mehr bereit sind, dem Zwang dieser Verhältnisse ohnmächtig nachzugeben und weiter zu funktionieren.
Konkret: Wir arbeiten gegen die Vorstellung, die Bahn sei für die Menschen da. Es ist umgekehrt: Mit der Bahn wird Geld verdient, egal ob sie Menschen zur Arbeit bringt oder den Besuch kranker Freundinnen ermöglicht. Und die Bahn ist Garant für funktionierende Verwertung. Allgemeine gesellschaftliche Mobilität ist Produktionsbedingung. Reibungsloser Transport ist eine notwendige Voraussetzung für einen rund laufenden Verwertungsprozess. Und wen die Bahn nicht zu den Produktionsstätten transportiert, den bringt sie in der überwiegenden Zahl der Fälle zur Wiederherstellung der Arbeitskraft nach Hause, in den Urlaub oder an andere Reproduktionsorte, bei denen es sich dann oftmals ebenfalls um kommerzialisierte Orte handelt: Kino, Party, Cafes etc. Für den Großkonzern im Staatseigentum sind Menschen Ware, die zum Zwecke der Verwertung von A nach B müssen. Der Gipfel der Blindheit ist in Sicht, wenn das Bahn-Subunternehmen Berliner S-Bahn als "Volks"bahn verklärt wird: Als gehöre sie dem „Volk“. Weder gehört sie ihm, noch bestimmt die Bevölkerung den Zweck der Mobilität. Der ergibt sich aus der dominanten Produktionsweise: Ziel sind in aller Regel Orte der Verwertung. Die Menschen sind Verschiebemasse und zu verwertende Objekte. Die Bahn ist keine neutrale Angelegenheit. In dieser Gesellschaft ist sie schon gar nicht eine den Menschen dienende Einrichtung für schöne Mobilität. Das wissen alle, die ab und zu mit Bus und Bahn unterwegs sind. Ganz im Gegenteil: In dieser Wirtschaftsform rollt die Bahn, damit der Euro rollt.
Aber,
und das ist wichtig: wie erklären wir den Menschen, dass es nicht
gegen sie geht, sondern gegen ihre strukturelle
Eingebundenheit in diesen Verwertungszusammenhang, der sie zum Mittel
der Profiterwirtschaftung degradiert? Wie erreichen wir diejenigen
Menschen emotional und verstandesmässig, die den gleichen Druck wie
wir verspüren; ständig erreichbar,
ständig überarbeitet, ständig eingewoben, eingespannt und
vernutzt in den Abläufen, die uns - solange wir uns fügen -
obendrein noch zu KomplizInnen dieser globalen elenden Zustände
machen? Ob man nun Komplize aus freien Stücken oder wider Willen
ist, in beiden Fällen gibt es keine Möglichkeit, diese
Komplizenschaft einfach so zu kündigen - wenn nicht wenigstens
vorübergehend durch den Bruch mit Funktionsabläufen, die Störung
der Verwertungsabläufe im Räderwerk ökonomischer Interessen;
um soziale Räume aufzumachen.
Nicht die Aktion ist unser Problem, sondern dass wir es mit unserer Sprache nicht auf die Höhe der Aktion, ihrer Bedeutung und Absicht geschafft haben.
Wie hätten wir das alles auf einem Bahnsteig vermitteln können, an die unterschiedlichen, in der Bahnsteigsituation vollkommen voneinander getrennten Menschen? Ohne reden zu dürfen? Ohne öffentlich auftreten und das Wort erheben zu können? Wir bitten alle mit dieser Aktion solidarischen Menschen darüber in eine Diskussion zu treten. Denn wir müssen zu vertiefenden Diskussionen über erweiterte Formen der Intervention kommen. Wir hoffen, die Aktion liefert dazu einen Anstoß…
Generalstreik – soziale Sabotage – kommender Aufstand
Auch wenn in Deutschland öffentlich derzeit kaum soziale Kämpfe und daraus entstehende Streikbewegungen sichtbar sind, beobachten wir im Rahmen internationaler Kämpfe die hohe Angreifbarkeit von Waren-, Energie-, Daten- und Personenströmen: Die Platzbesetzungen in Nordafrika sind ein Ausdruck der Verweigerung von Millionen von Menschen, die aufhören in ihrer Perspektivlosigkeit und unter Verhältnissen menschenverachtender Ungerechtigkeit weiter mit zu machen. Sie liefern derzeit das prominenteste Bild eines generellen Streiks. Raffinerieblockaden im Rahmen einer breiten Streik- und Protestwelle gegen die allgemeine Lebensarbeitszeitverlängerung in Frankreich sorgten über Wochen für Engpässe bei der landesweiten Treibstoffversorgung. Neben Werksbesetzungen und "Bossnapping" kam es immer wieder zu gezielten Sabotageaktionen. Ein konsequenter Ausstand spanischer Fluglotsen brachte weite Teile des Flugverkehrs zum Erliegen - das Militär musste die Koordination des zivilen Flugverkehrs an sich reißen, um den Normalbetrieb wieder herzustellen. Hafenarbeiter in England setzen Ihre Forderungen mit einem Abfertigungsstopp der für den Welthandel zentralen Containerschifffahrt durch. Die zahlreichen Generalstreiks in Griechenland bringen jeweils mehrtägig nicht nur die Industrie, sondern das gesamte öffentliche Leben zum Stillstand (Fähren, Flieger, Bus- und Bahnverkehr, Banken, Geschäfte). MitarbeiterInnen der Electricité de France beziehen sich solidarisch auf soziale Kämpfe, indem sie elektronisch die Stromversorgung industrieller Großkunden ab und die Versorgung zuvor wegen Zahlungsverzugs zwangsabgestellter Haushalte wieder an schalteten. Die jüngste Streikwelle beinhaltete massive Auseinandersetzungen auf den Docks, Eisenbahnstrecken, LKW-Routen, am Zoll und an Grenzübergängen, in Postämtern, bei Kurierdiensten und Luftfahrtunternehmen. Das alles sind Formen des Widerstands gegen die Spardiktate im Rahmen des weltweiten Angriffs von oben auf die sozialen Errungenschaften früherer Kämpfe.
Ob der Ausstieg aus dem Normalbetrieb, das Außerkraftsetzen der zerstörerischen Normalität als Streik stattfindet oder in Form von Sabotage: Beides fein. Wir meinen: Letztlich lassen sich Sabotage und Streik nicht trennen. Sabotage, die als Streik begriffen wird, wie wir es in unserer Erklärung angedeutet haben, könnte vielleicht am besten als Soziale Sabotage bezeichnet werden. Das „unsichtbare Komitee“ hat andere Worte dafür gefunden. Die unterschiedlichen Herangehensweisen und diskussionswürdigen Passagen an anderer Stelle in dem Gesamtwerk „Der kommende Aufstand“ hindern uns nicht, diejenigen Passagen zu zitieren, die Dinge auf den Punkt bringen, und die wir als Beitrag zur Diskussion verstehen:
„Die Metropole [ist] eine der verwundbarsten menschlichen Formationen, die jemals existiert hat. Biegsam, subtil aber verwundbar. Eine brutale Schließung der Grenzen aufgrund einer Epidemie, irgendein Mangel in der lebenswichtigen Versorgung, eine organisierte Blockade der Kommunikationswege, und das gesamte Bühnenbild bricht zusammen, schafft es nicht mehr, die Szenen des Gemetzels zu verdecken, die es zu jeder Zeit heimsuchen. Diese Welt wäre nicht so schnell, wenn sie nicht stetig von der Nähe ihres eigenen Zusammenbruchs verfolgt würde...
...Die Unterbrechung der Warenflüsse, das Aussetzen der Normalität – es genügt sich anzusehen, was bei einem plötzlichen Stromausfall an sozialem Leben in ein Gebäude zurückkehrt, um sich vorzustellen, zu was das Leben werden könnte in einer Stadt, in der alles versagt – und der polizeilichen Kontrolle, setzen an Möglichkeiten der Selbstorganisierung frei, was unter anderen Umständen unvorstellbar wäre. Das ist allen bewusst.(...)
...Alles blockieren ist deshalb der erste Reflex all dessen, was sich gegen die gegenwärtige Ordnung richtet...
Aber es kann nicht darum gehen, mehr zu blockieren, als es die Fähigkeit zur Versorgung und Kommunikation der Aufständischen, die tatsächliche Selbstorganisierung (...) erlaubt. Wie können wir uns ernähren, wenn alles lahmgelegt ist?...
(...)Es gibt keinen Grund mehr zu warten – auf eine Aufheiterung, die Revolution, die atomare Apokalypse oder eine soziale Bewegung. Noch zu warten ist Wahnsinn. Die Katastrophe ist nicht, was kommt, sondern was da ist. Wir verorten uns bereits jetzt in der Bewegung des Zusammenbruchs einer Zivilisation. Dort ist es, wo man Partei ergreifen muss.
(…) Wir gehen aus von einem Punkt der extremen Isolation, der extremen Ohnmacht. Alles ist aufzubauen im aufständischen Prozess. Nichts scheint unwahrscheinlicher als ein Aufstand, aber nichts ist notwendiger.“ (aus: Der kommende Aufstand, 2008).
Nichts scheint unwahrscheinlicher als ein allgemeiner Streik, als die allgemeine soziale Sabotage, die das Kontinuum der untentwegten Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung unterbricht – und nichts ist notwendiger.
Von der Störanfälligkeit dichter Netze
Die global verteilten, langen Produktionsketten und das multinationale Angebot von Dienstleistungen sind eng verzahnt. Sie hängen von ungestörten Datenflüssen, Warenströmen und Strom-/Treibstoffversorgung ab. Der reibungslose Ablauf von Produktion und Dienstleistungen erfordert die ungestörte und entgrenzte Mobilität der Arbeitskraft. Immaterielle Arbeit als Wachstumssektor scheint zwar nahezu ortsungebunden zu sein, aber ohne Daten- und Kommunikationsnetze keine immaterielle Produktion. Die moderne Just-in-time-Produktion meint auf teure Lagerkapazitäten verzichten zu können. Sie macht sich von engmaschig verknüpften, digitalen Produktions- und Vertriebslenkungssystemen abhängig. Ausfälle der Kommunikationsnetze ziehen daher weit reichende Folgen nach sich. Obwohl Energie- und Telekommunikationsnetze in der Regel redundant und damit theoretisch stabil gegenüber lokalen Störungen ausgelegt sind, kommt es in der Praxis bei Störungen an zentralen Knotenpunkten sehr oft zu großflächigen Beeinträchtigungen.
Bei der Globalisierung von Produktion und Vertrieb wird die elektronische Datenverarbeitung auch zukünftig eine immer wichtigere Rolle spielen. Wer einen international agierenden Konzern unter Druck setzen will, kann neben lokalen Produktionsstätten auch seine Internetpräsenz und die damit verbundenen Buchungs-, Verwaltungs- und Kommunikationsabläufe stören. Webseiten lassen sich blockieren, Firmenserver hacken und Breitbandnetze sabotieren. Wer z.B. den Ticketverkauf der Deutschen Bahn effektiv beeinträchtigen will, sollte nicht nur den Schalterbetrieb bestreiken oder blockieren, sondern auch das Online-Buchungssystem überlaufen lassen und die Fahrkarten-Automaten lahmlegen.
Vieles ist möglich.
Normalität bestreiken!
Wir wissen, dass ein steiniger Weg für alle bevorsteht, die sich wehren. Und es gibt viel zu erklären. Es gibt wenige Aktionen, die sich selbst vermitteln – in der Regel braucht jede Aktion eine Vermittlung. Nur wenn Kämpfe eindeutig gelagert oder in Kampagnen eingebettet sind, kommen wir ohne Vermittlung aus. Wenn wir also nicht die Aktion und ihren Kontext in Frage stellen, wenn wir überzeugt davon sind, dass größere und weitreichendere Störungen im Herrschaftsgetriebe notwendig und richtig sind – wie kann dann eine Vermittlung aussehen, die die Menschen annehmen, die wir nicht als GegnerInnen sehen?
Wir bitten um Diskussion.
Das Grollen des Eyjafjallajökull
In Ergänzung zu der Erklärung:
Kurz.Schluss (23.5.2011)
http://linksunten.indymedia.org/en/node/40279
.
Guter Text und gut, dass ihr euch die Mühe gemacht habt, das hier im Nachhinein zu schreiben und zu veröffentlichen.
In wie weit das hier das richtige Forum ist, um eine Diskussion zu Methoden der militanten Vermittlung zu führen, weiß ich nicht. Hier wird, natürlich, mitgelesen, also Obacht, liebe Freund_innen einer militanten Perspektive.
Aber soviel sei gesagt: Wir müssen eben lernen, aktiv Einfluss zu nehmen auf den massenmedialen Diskurs im Anschluss einer militanten Aktion. Das erfordert Planung und etwas Geschick. Methoden gibt's aber ja bekanntlich diverse. Gegenpresse, die auch Menschen erreicht, oder z.B. eine Kommunikationsguerilla, die mit direkter Bezugnahme auf eine Aktion in den Diskurs eingreift. Auch spannend, aber mensch sollte gut aufpassen, damits nicht gefährlich wird: Vermittlung im Vorhinein. Die Menschen, irgendwie, erreichen, die dann kurz danach aus dem Trott gerissen werden.
ich finde es gut...
daß sie sich öffentlich zu etwas oder mehr noch öffentlichem verhalten.
ob ich ihre politische sichtweise und handlungsweise jedoch teile sind andere fragen...
aber die gehören hier nicht hin, finde ich.
durch solche texte wird indymedia ("reclaim the media") erst seiner sache gerecht.
in kleinen autonomen szenemagazinen ist sowas schlecht aufgehoben.
das zeigt sich zb insofern, daß mittlerweile sogar die tagesthemen/tagesschau, o.ä., tv nachrichten bildausschnitte von linksunten senden.
also, weiter so!
und das ist nur meine eine meinung.
andere sehen es sicher anders, aber vielleicht ähnlich.
Plakat mit bezug auf die Sabotage am Ostkreuz
Kurze Zeit nach dem Anschlag ist auf den Straßen Berlins folgendes Plakat aufgetaucht, welches sich auf das Erreigniss bezog. Auf die Frage wie eine Vermittlung aussehen könnte, wenn es für die ausführenden Personen einer Aktion nicht möglich ist, sich öffentlich dazu zu äussern, wäre dies eine mögliche Antwort.
"VOM NACHHALL DES GROLLENS - ÜBER SCHNELLZÜGE UND STOPPZEICHEN
Montagmorgen, den 23. Mai Berlin-Ostkreuz: Sehr geehrte Fahrgäste, aufgrund eines Kabelbrandes kommt es....ähm...zu Störungen!“ schallt es aus dem Lautsprecher der Bahn. Nichts ungewöhnliches eigentlich, denn die S-bahn glänzt seit Jahren nicht gerade durch ihre Zuverlässigkeit. Zumindest die Kunden haben sich an das Chaos schon gewöhnt. Doch die „Störungen“ an diesem Morgen bedeuten, dass NICHTS vor und zurück geht. Schienenersatzverkehr kann leider auch nicht angeboten werden, da die Ausfälle zu groß sind. Als im Laufe des Tages klar wird, das es sich um einen gezielten Sabotageakt handelt ist die mediale Empörung immens.
Tatsächlich, dass Ausmaß des Angriffs war beeindruckend. Denn neben dem Fakt, dass der Bahnhof Ostkreuz in seiner Funktion erst mal nicht existent war, traf es auch das Vodafone-Mobilfunknetz, einige Internetverbindungen und Stromkreise. Sprich all die Sachen, die viele Menschen als Eckpfeiler unserer modernen Zeit betrachten: Mobilität, Kommunikation und dauer-verfügbare Energie. All dies gewährleistet durch miteinander-verbundene Kupferleitungen, die an diesem Tag scheinbar die Welt bedeuteten. Die arbeitende Bevölkerung, SchülerInnen und all die, deren Ziel es war von A nach B zu gelangen warteten stundenlang auf ihren Zug. Ein Feuerchen reichte aus, dass die Routine des Alltags in sich zusammen brach.
Ein Angriff nicht nur auf die Deutsche Bahn als Profiteur von Krieg und Atomenergie, sondern auf den Staat, ja gar „Ein Terroranschlag auf unsere Gesellschaft!“ wetterte die Springerpresse. Aber wessen Gesellschaft fühlt sich hier angegriffen? Was für eine Gesellschaft ist das, wenn sie aus Individuen besteht die sich im täglichen Konkurrenzkampf mit einander befinden? Im Wettbewerb innerhalb der Arbeitsstätten und im Privaten. Eine Gesellschaft, deren Beziehungen auf Autorität und Ungleichheit aufbaut und durch die fortschreitende Entfremdung jegliches Zusammenkommen dieser Individuen verhindert? Es ist eine Gesellschaft, die Teilhabende und Ausgeschlossene produziert. Entscheidend dabei ist vor allem die Verwertbarkeit des Einzelnen oder der Einzelnen im Sinne des Kapitals. Arbeiten und konsumieren und dabei immer schön die Schnauze halten. Das Spektakel hat viel zu bieten. Von „Freizeit“-Gestaltung über vermeintlichen Luxus bis hin zu der Illusion sich aktiv an Politik, der „Demokratie“, beteiligen zu können. Oder das soziale Elend der Shoppingcenter und Realityshows, um davon abzulenken, dass diese Welt unaufhaltsam wie ein ICE auf eine Wand zu rast.
Ständig werden uns Dinge präsentiert, die uns und unsere Umgebung mobiler, flexibler und effektiver machen sollen, wobei bei genauerem Hinschauen offensichtlich wird, dass uns all jene Flexibilität nur noch verwertbarer machen soll. Das wir nicht kostbar im Sinne unserer Persönlichkeit, sondern kostbar und wertvoll für das große Rad des Getriebes sind. „Friss oder stirb!“ ist die Devise die ächzend in all unseren Bereichen des Lebens zu hören ist.
Ob du aufgrund eines Zugausfalles nicht auf Arbeit oder in die Schule gehen kannst ist praktisch gesehen das Gleiche als ob du krank bist. Wenn deine Knochen nicht mehr so mit machen oder wenn du von der Hektik deines Alltags Kopfschmerzen bekommst. Und wir glauben zu wissen, dass unter all diesen Leute, die auf ihren Zug warteten oder sich um eine andere Möglichkeit der Fortbewegung kümmern mussten, einige dabei waren die innerlich zu schmunzeln anfingen. Sei es weil der Chef sowieso ein Idiot ist, und man ihn aufgrund des unvorhersehbaren Chaos mal einen Morgen oder vielleicht einen ganzen Tag nicht ertragen musste. Oder weil man dem Leistungsdruck der Schulen, temporär, entfliehen konnte. War man sonst immer nur einer/eine unter vielen, die auf die Bahn warteten, um dann an unterschiedlichsten Ecken Berlins seinem Alltag nachzugehen, so war an diesem Morgen die gewohnte Ordnung aufgebrochen. Die Metropole, als Dreh- und Angelpunkt des Bestehenden, in seiner Grundfestung erschüttert. Wir auf jeden Fall freuten uns, als wir am Bahngleis standen und ganz praktisch die alleinige Kontrolle über das hatten, was wir mit unserem freien Tag anfangen sollen."
wirr war's trotzdem ;-)
trotzdem, werte genoss_innen vom eyaf... von diesem isländischen vulkan: das erste bekenner_innenschreiben WAR wirr. euer zweiter, nachgereichter text leistet erheblich mehr, was vermittlung, begründung usw. angeht. bei dem ersten hatte mensch dagegen eher das gefühl, als wäret ihr nicht in der lage, einen sinnzusammenhang über mehr als drei (kurze) sätze durchzuhalten.