Sachsen: §129 für'n Arsch!

UlbigundseineSchutzsstaffel

Am 19. Februar, 12. April und 02. Mai 2011 kam es in Brandenburg, Sachsen und speziell in Dresden zu Hausdurchsuchungen gegen Linke aus verschiedenen politischen Zusammenhängen. Polizei und Staatsanwaltschaft werfen ihnen unter anderem „schweren Landfriedensbruch“ (§125a), „Aufruf zu Straftaten“ (§111), Sachbeschädigung (§303), Körperverletzung (§223) und „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ (§129 StGB) vor. Zunächst liefen die Ermittlungen unter identischem Aktenzeichen…

 
 
Überblick:
  • Intro
  • Don Vito Corleone Antifascista?
  • §129 im Kontext der Massenblockaden
  • Und die Szene?

Außerdem:

  • Trotz alledem: Am 24. September nach Leipzig!
  • Spendenkonto
  • Material

 

 



 
Intro:

Am 19. Februar, 12. April und 02. Mai 2011 kam es in Brandenburg, Sachsen und speziell in Dresden zu Hausdurchsuchungen gegen Linke aus verschiedenen politischen Zusammenhängen. Polizei und Staatsanwaltschaft werfen ihnen unter anderem „schweren Landfriedensbruch“ (§125a), „Aufruf zu Straftaten“ (§111), Sachbeschädigung (§303), Körperverletzung (§223) und „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ (§129 StGB) vor. Zunächst liefen die Ermittlungen unter identischem Aktenzeichen…

Nun wurden Aktenzeichen voneinander getrennt. Die Ermittlungen im Bezug auf die Razzia im „Haus der Begegnung“ (19. Februar 2011) laufen möglcherweise als eigenständige Verfahren weiter. 22 Personen wurden im besagten Objekt von 120 Beamten in Gewahrsam genommen und erkennungsdienstlich behandelt. Die Razzia fußte lediglich auf einer mündlichen richterlichen Zustimmung. Nachdem der Durchsuchungsbefehl doch noch ausgehändigt wurde, stellte sich heraus, dass die Hausdurchsuchung sogar an einer falschen Adresse durchgeführt wurde. Trotz der Trennung der Aktenzeichen, bleiben die Vorwürfe nach §111, §125a und §129 weiterhin bestehen.

Mit der Trennung der Aktenzeichen scheinen Polizei und Staatsanwaltschaft ihre Kreise enger zu ziehen, indem sie einzelne Betroffene aus dem ursprünglichen Verfahren ausschließen. Doch generell können Verfahren beliebig zusammengelegt und voneinander getrennt werden, sodass für die 22 Betroffenen aus dem „Haus der Begegnung“ noch keine Entwarnung gilt. Außerdem sind 3 weitere Personen (darunter der auch der Pfarrer aus Jena) hinzugekommen. Mit den Betroffenen der Razzien vom 12. April und dem 2. Mai sind jetzt jetzt insgesamt 41 Personen von der staatlichen Repression in Folge der §129-Ermittlungen betroffen.

 

Don Corleone Antifascista?


Seit mehr als zwei Jahren schnüffeln und forschen die Repressionsorgane innerhalb der sächsischen Szene herum. Als Anlass dafür diente sowohl die zunehmende Vernetzung antifaschistischer Gruppen im Kontext des 13. Februar, als auch ein Brandanschlag auf einen Bundeswehr-Fuhrpark in Dresden.

Der Oberstaatsanwalt und Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Lorenz Haase, posaunte zunächst die Phrase von einer linksradikalen Mafia in Dresden über alle möglichen Medienkanäle hinaus:

„Wenn man in Palermo mafiöse Strukturen durchleuchten will, dann muss man in die Breite ermitteln.“[1]

Wenig später ruderte er wieder zurück:

„Ich wollte darauf hinweisen,
dass wir nicht nur gegen Einzeltäter ermitteln. Wir haben es in Sachsen nicht mit einer linken Mafia zu tun, aber mit gut organisierten kriminellen Strukturen.“
[2]
Dem Gedankenspiel der Staatsanwaltschaft zu Folge tritt an die Stelle des berühmten Don Vito Corleone nun ein „Kopf der Gruppe“. So formulierte Lorenz Haase später:

„Wir vermuten, dass für diese Taten eine Organisation verantwortlich ist, dass die handelnden Gruppen
gelenkt worden sind. Und wir gehen davon aus, dass es einen Kopf der Gruppe gibt. Dies gilt es so aufzuklären, dass wir es nachweisen können.“
[3]

Die Ermittlungen gegen diese sogenannten mafiösen Strukturen werden in den Medien vom Gespenst der „linksextremen Gewalttäter“ begleitet. So wird der notwendige antifaschistische Selbstschutz in Limbach-Oberfrohna schnell mal zu „linker Selbstjustiz“.[4] Aber der Freistaat Sachsen ist nicht erst seit Kurzem bekannt für seine Einstellung: Rechts wegschauen und links zuhauen.

 

§129 im Kontext der Massenblockaden

 

Solange nach §129 ermittelt wird, wird die Staatsanwaltschaft wohl nichts unversucht lassen, um die linke Szene zu durchleuchten und zu kriminalisieren. Letzten Endes handelt es sich um einen Schnüffelparagraphen, der die persönlichen Freiheiten und Rechte der Beschuldigten und aller Verdächtigen außer Kraft setzt. Wer auch immer sich an den Vorbereitungen zum 13. Februar 2012 beteiligt oder versucht, antifaschistische Arbeit zu leisten, läuft Gefahr in das Fadenkreuz der Ermittler zu
geraten.

Es handelt sich also ganz klar um den Versuch, eine Spaltung und Entsolidarisierung zwischen der radikalen Linken und der bürgerlichen Zivilgesellschaft herbeizuführen und die erfolgreichen Blockaden der letzten Jahre in Zukunft zu unterbinden. Die Behörden verfolgen nun nicht mehr nur das Ziel, eine Protestbewegung als solche zu kriminalisieren und sich die Deutungshoheit über den 13. Februar und seine „Demonstrations-Kultur“ zurückzuholen.

Anscheinend soll den netten und demokratischen Bürgern nun vor Augen geführt werden, mit welchen „bösen Antidemokraten“ und „gewaltbereiten Chaoten“ sie seit zwei Jahren Europas größten Naziaufmarsch blockiert haben. Mit Schmuddelkindern spielt man nicht! Denn sonst kann es schon einmal passieren,
…dass mehrere 100.000 personen- und standortbezogene Mobilfunkdaten von den „friedlichen Blockierern“ gespeichert
werden [5]
…dass mal eben mehr als 200 DemonstrantInnen von Polizeibeamten, z.T. schwer verletzt werden [6]
…dass selbst eine Junge Gemeinde und ihr Pfarrer in die §129-Ermittlungen geraten. [7]

Obwohl Polizei und Staatsanwaltschaft ein Exempel nach dem anderen statuieren, müssen die Blockadebündnisse und ihre Partner Ruhe bewahren und solidarisch bleiben. Denn es stellt sich die Frage, unter welchen Umständen und wie lange diese Schmuddelkinder noch in den Anti-Naziprotesten geduldet werden. Schließlich baut der bürgerliche Rechtsstaat hier eine gewaltige Drohkulisse auf und lässt mit Handyüberwachung, Polizeigewalt und den §129-Verfahren die Ketten rasseln.

 

Und die Szene?

 

Die Szene soll gelähmt und verunsichert werden. Denn durch den Gesinnungsparagraphen 129 StGB, der sich beliebig auslegen und umkonstruieren lässt, basteln sich Polizei und Staatsschutz eine Art Generalschlüssel. Unter dem Vorwand, ein ganzes Arsenal an Delikten wie z.B. Körperverletzung (§223) oder Sachbeschädigung (§303 StGB) aufklären
zu wollen eröffnete die Staatsanwaltschaft im April 2009 die Ermittlungen nach §129.

Die formale Begründung lag auf der Hand: Ein erfolgreicher Brandanschlag auf den Fuhrpark der Dresdner Offiziersschule [8], verschiedene erfolgreiche Aktionen des antifaschistischen Selbstschutzes, sowie die Beteiligung an Aktionen rund um den 13. Februar. Der eigentliche Ermittlungshintergrund ist jedoch der Versuch der Verfolgung und Zerstörung antifaschistischer und linksradikaler Organisationsansätze. Wie wenig dieBehörden in der Hand haben, zeigt der Grund der Hausdurchsuchungen vom 12. April und 2. Mai 2011.
Die Durchsuchungen sollten zum Auffinden von „Beweisen“ dienen, die z.B. den bloßen „Bezug zum antifaschistischen Spektrum“ belegen sollen. Diese „Beweise“ sollten anscheinend die umfangreichen TKÜ-Maßnahmen und Beschattungen
bestätigen und ergänzen.

Das Verfahren um die imaginierte „Kriminelle Vereinigung“ ermöglicht den Repressionsorganen alternative Projekte, Vereine, Kneipen und Einzelpersonen ohne rechtliche Beschränkungen abzuhören, zu infiltrieren oder Bewegungsprofile zu erstellen. Wie schon in anderen Verfahren versucht der bürgerliche Staat die antifaschistischen und linksradikalen Strukturen zu diskreditieren und zu spalten. Dabei ist zweifelhaft, ob das Konstrukt der „Kriminellen Vereinigung“ aufrecht erhalten wird. Sollte es den Behörden nicht gelingen, dem Gericht eine „Vereinigung“ zu präsentieren, so gehen wir davon aus, dass eine Auswahl einzelner Beschuldigter erfolgen wird. Getroffen werden soll der vermeintlich militante Kern der sächsischen Szene.



Staatliche Repression prügelt, schnüffelt, schiebt ab und knastet!
Ihre Politik ist kriminell. Unsere Kriminalität ist politisch!

 

Solidarität mit den Betroffenen!

Kampagne 129 ev

 


Web: www.129-ev.tk

Mail: abolish129 [ät] riseup.net

 

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[1: TAZ am 26.07.2011 „Die
Dresden-Mafia“ http://www.taz.de/!75103/ ]
[2: TAZ am 26.07.2011 „Es gibt einen Kopf der Gruppe“
http://www.taz.de/!75168/ ]
[3:ebenda]
[4: Freie Presse am 14.06.2011 Stadt: Linke Selbstjustiz in
Limbach-Oberfrohna
http://www.freiepresse.de/LOKALES/CHEMNITZ/Stadt-Linke-Selbstjustiz-in-Limbach-Oberfrohna-artikel7680261.php]
[5: ADDN am 26.07.2011 „Die Dresdner Datenaffäre
weitet sich aus“
http://www.addn.me/antifa/die-dresdner-datenaffare-weitet-sich-aus/]
[6: ADDN am 23.02.2011 „Polizei verletzt mehr als 200
Menschen“
http://www.addn.me/antifa/polizei-verletzt-mehr-als-200-menschen/]
[7: MDR „Razzia bei Jenaer Jugendpfarrer
König“
http://www.mdr.de/thueringen/ost-thueringen/razziakoenig100.html]
[8: Direct Action News
http://directactionde.blogspot.com/2009/04/brandanschlag-auf-bundeswehr.html]

 


Trotz alledem: Am 24. September nach Leipzig!

Die Kampagne 129 ev unterstützt den Aufruf zum Antirepressions-Block „Trotz alledem: Linke Politikverteidigen!“ bei der Antifa-Demo am 24. September in Leipzig. Genau wie unsere Freund_innen in Leipzig denken wir, dass es „keine Alternative zur linksradikalen Organisierung“ geben kann.

Kommt alle zur bundesweiten Demonstration gegen das Nazizentrum in Leipzig und beteiligt euch am Antirepressions-Block!

 

Infos zur Demonstration: www.demo.fenceoff.org
Infos zum Antirep-Block: www.handanlegen.blogsport.de


Spendenkonto:

 

Rote Hilfe Dresden
Konto: 609760434
BLZ 36010043
Postbank Essen
Stichwort „129 Verfahren“ (für die Prozesskosten)
Stichwort „129 Soliarbeit“ (für Kosten der Kampagnenarbeit)

Material:



Kampagne 129 ev - am 18. August 2011
(zuerst veröffentlicht auf http://de.indymedia.org/2011/08/314185.shtml)