Ein Sieg für Braunschweig international

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Erstveröffentlicht: 
01.06.2011

Rechtsradikale dürfen nicht marschieren - Stationäre Demo vorm Bahnhof - Rechtsextreme kündigen Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht an


Von Henning Noske und Katja Dartsch

 

"Bei uns herrscht ein Gefühl der Erleichterung" - so die Reaktion des Braunschweiger Polizeichefs Harry Döring auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, die für Experten eine Überraschung ist. Zwar dürfen 700 bis 800 Neonazis Samstag nach Braunschweig kommen - doch ihr Marsch durch die Stadt bleibt verboten.

 

Die Neonazis müssen, so die Auflage des OVG, mit einer "stationären Demonstration" direkt auf Hauptbahnhof vorlieb nehmen.

 

Dies kommt einer herben Niederlage für die Rechten gleich, die ausgerechnet am Tag des Festes "Braunschweig international" durch die Stadt marschieren wollten. Dies bleibt ihnen nun verwehrt - die Braunschweiger Innenstadt hat "Freie Fahrt" für ein großes, friedliches Fest der Völkerversändigung mit tausenden Teilnehmern.

 

Der von vielen Beobachtern nicht für mögliche gehaltene Spruch aus Lüneburg bedeutet Aufwind für alle, die vor Zusammenstößen, Störern und damit einer gefährlichen Eskalation wie 2005 gewarnt hatten. Ausdrücklich bestätigen die Lüneburger Richter die taktische Lagebeurteilung der Braunschweiger Polizei, nach der ein Marsch der Rechten durch Braunschweig unkalkulierbare Sicherheitsrisiken mit sich gebracht hätte.

 

Zuletzt war beim Leserforum unserer Zeitung am Montagabend im Haus der Wissenschaft in Braunschweig deutlich geworden, dass beim erwarteten größten Polizeieinsatz der Braunschweiger Geschichte eine Art Ausnahmezustand programmiert war.

 

Zudem hätte "Braunschweig international" definitiv nicht stattfinden können - die Wut darüber hätte eine zutieftst gefährliche Situation heraufbeschwören können.

 

Dass sich das Lüneburger OVG dieser Position anschließt und damit auch den Spruch des Braunschweiger Verwaltungsgerichts nur teilweise aufhebt, ist ein Paukenschlag. "Wir akzeptieren die Lüneburger Entscheidung, denn wir haben jetzt eine übersichliche, günstige und gut zu kontrollierende Lage", sagt Polizeipräsident Döring. Jetzt ist es möglich, die Neonazi-Demo und die Gegendemonstrationen verschiedener Bündnisse klar zu trennen - und wie bei einem Fußballspiel die gegnerischen Parteien konsequent auseinanderzuhalten.

 

"Wir werden die Rechten von den Zügen zu einem Parkplatz neben dem Braunschweiger Hauptbahnhof führen - und wir werden sie nach ihrer Demonstration auf dem gleichen Weg wieder zurückführen", erklärt Döring nicht ohne Genugtuung über diese Wende der Dinge.

 

Klar ist jedoch auch: Das OVG hat das Grundrecht der Versammlungsfreiheit bestätigt - es gilt auch für Neonazis, wenn die Demonstration friedlich bleibt.

 

Deshalb dürfen die Rechten am Samstag nach Braunschweig kommen - dies ist auch eine bittere Pille für diejenigen, für die das eine Zumutung ist. In der Tat handelt es sich um einen Kompromiss, den mancher nicht schlucken möchte. Doch die Gefahr, die angesichts bürgerkriegsähnlicher Zuspitzungen bestand, ist nun gebannt. Mehr noch.

 

Jetzt ist klar: Wer sich jetzt der "abgeschirmten" Neonazi-Demo mit irgendwelchen Absichten nähert, diese zu verhindern, muss befürchten, dass die Polizei dies unterbinden wird. Für friedliche Demonstranten, und dies werden am Samstag viele sein, ist daher die Trennung glasklar. Sie garaten nicht zwischen die Fronten - was noch 2005 ein Riesenproblem darstellte.

 

Doch eine kleine Unsicherheit gibt es noch. Der Hildesheimer Anmelder der Neonazi-Demo hat bereits angekündigt, einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht (BVG) einzureichen. "Wir wollen die Demonstrationsstrecke gehen, wir wollen in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen werden", begründet die Ehefrau des Anmelders diese Entscheidung.

 

Wilfried Holz, stellvertretender Pressesprecher des BVG, bestätigte am Mittwochnachmittag, dass ein Eilantrag des Anmelders angekündigt worden sei - noch liege dieser aber nicht vor. Sofern der Eilantrag noch am Mittwoch einginge, werde das Karlsruher Gericht am Donnerstag oder Freitag eine Entscheidung fällen.