Das Fatale an der Schlacht von Dresden war, daß es zu
keinerlei Schlacht kam. Der gesammelte Nazipöbel von NPD bis
Kameradschafts-SA, marschierte einmal mehr völlig ungehindert
durch die Straßen. Die Innenstadt wurde den Nazis stundenlang
überlassen. »Dresden macht vor, wie man gegen Neonazis
kämpfen kann«, nennt das Wolfgang Tiefensee.
Nun müssen wir die Größenverhältnisse in die
Perspektive setzen. 6000 Faschisten sind eine Menge. Aber als die
NPD am 1. März 1997 gegen die Wehrmachtsausstellung nach
München mobilisierte, da waren es knapp 5000. Diese numerische
Steigerung in zwölf Jahren fällt kaum ins Gewicht.
Der Unterschied zwischen dem Sieg von München 1997 und dem
Desaster von Dresden 2009 liegt nicht in den Zahlen. Er liegt auf
der Ebene der Organisation, des Willens, der Kampfmoral und der
Kampfkraft.
Das Alarmierende sind nicht 1000 Nazis mehr oder weniger. Das
Problem ist die Zusammensetzung der Nazidemonstration. 1997 in
München gab es auch schon einen massiven Anteil von
Stiefelfaschisten. Aber insgesamt war die Nazidemo deutlich
älter – viele inzwischen verstorbene Altnazis latschten
damals noch mit – und weitaus weniger
schlagkräftig.
Was dagegen 2009 in Dresden auf der Straße war, das war eine
durchorganisierte, faschistische Bürgerkriegsarmee. Bedrohlich
sind weniger die 6000 Neonazis an sich, als die militärische
Schlagkraft dieser 6000 Neonazis: ihre Kompaktheit, ihre
Organisation, ihre intakten Befehlsketten, ihre Sicherheit im
Manövrieren.
Das muß um jeden Preis zerschlagen werden! Aber wie? 1997 in
München endete die NPD-Demo mit einer krachenden Niederlage.
Auch damals spielte die Polizei den Faschos in die Hände. Auch
damals gewährte die Justiz den Faschos die Münchner
Innenstadt als Marschroute. Edmund Stoiber gab an, den Marienplatz
nötigenfalls freiknüppeln zu lassen. Dort aber kam die
Nazidemo bis heute nicht an. In Dresden 2009 kamen sie durch, und
zwar problemlos! Sie kamen nicht durch, 1997 in München.
Warum? In Dresden gab es zwei Bündnisse. Dem einen fehlte die
Masse, dem anderen die Entschlossenheit. 1997 in München gab
es ein gemeinsames Bündnis, eine breite antifaschistische
Einheitsfront von autonomer Antifa bis DGB. Die militanten
Aktivisten in diesem Bündnis waren gute Einheitsfrontkader.
Sie waren in der Lage, auch Gewerkschafter und bürgerliche
Antifaschisten für den Slogan »Marienplatz –
nazifrei!« zu gewinnen, und schließlich in der
Großdemonstration praktisch durchzusetzen, daß man den
Marienplatz unter allen Umständen verteidigen
mußte.
Nach dem Ende der Bündnis-Demo strömten dann Abertausende
weiter Richtung Marienplatz. Verstärkt durch die spontane
Beteiligung von Passanten in der Innenstadt waren es bald an die
20000. Diese bauten über eine, über zwei Stunden Druck
auf gegen die Polizeiabsperrungen ... bis der erste über die
Spanischen Reiter sprang, und dann war kein Halten mehr. Der
Marienplatz wurde gestürmt und besetzt, schon zogen die Massen
ins Tal, der Nazi-Demonstration entgegen. Zweimal, dreimal wurde
versucht, durch die Polizeiketten zu brechen, Unruhe bei den Nazis,
Anzeichen von Panik. Nur knapp hielten die Ketten der Polizei. Am
Ende wurden die Nazis zur Umkehr gezwungen. Es war eine krachende
Niederlage für die Faschisten.
Seither haben die Nazis in München nichts Nennenswertes mehr
hingekriegt, keine bundesweite Mobilisierung dorthin gewagt. Nach
Dresden wird man als Faschist auch 2010 wieder gerne fahren.
Gibt es Lichtblicke? Ja, gibt es. 4000 auf der Demonstration von
»No pasarán« – das ist ein satter
Mobilisierungserfolg der Antifa. Die antifaschistischen
Gegenaktivitäten fielen dieses Jahr insgesamt stärker aus
als sonst – zahlenmäßig. Aber dieser Mangel an
Entschlossenheit! Diese Bereitschaft, sich mit dem Setzen von
»Zeichen«, mit purer Symbolik zufriedenzugeben,
während man den Faschisten kampflos die Innenstadt
läßt. Dresden zeigte 2009, wie man gegen Nazis nicht
kämpft.