Freiburger Samba-Kampf

Erstveröffentlicht: 
16.03.2011

Die grüne Vorzeigestadt Freiburg behält seit drei Monaten die Instrumente einer linken Trommelgruppe ein.

Sie sind das Sinnbild für kreativen und friedlichen Protest: Sambatrommeln und Clowns. Nur nicht im Baden-Württembergischen Freiburg, wo Oberbürgermeister und Ordnungsamt ein Trommelkonzert als Körperverletzung verfolgen.

 

Mit kreativem Protest wollten Gipfelgegner beim Deutschland-Frankreich-Treffen vergangenen Dezember in Freiburg globale Missstände anprangern. Doch massive Polizeipräsenz hinderte bunte Raddemonstranten, Clowns und Sambatrommler mit ihren Motivkarren und Transparenten, in die Innenstadt zu ziehen. Während eine Militärkapelle 400 Meter entfernt lautstark die Staatsgäste empfing, kreisten Einsatzkräfte die Sambamusiker ein und beschlagnahmten ihre Instrumente. Begründung: Körperverletzung durch Lärm. Wieder herausgeben will die Stadt die 13 Trommeln, Pfeifen und Glocken nur gegen 650 Euro, während die »Sambasta«Musiktruppe seit nunmehr drei Monaten auf gebührenfreier Rückgabe besteht. »Kreativer Protest muss möglich sein, gerade an so einem Tag«, betont Sambasta-Spieler, Soziologe und Familienvater Jens Rieger.

Doch Freiburgs grüner Oberbürgermeister (OB) Dieter Salomon bleibt hart. »Wir machen uns gegenüber den Bürgern unglaubwürdig«, kommentiert OB-Sprecher Walter Preker die ablehnende Haltung seines Dienstherrn. Der stünde vor einem »Gerechtigkeitsproblem«, wenn alle anderen Bürger wegen Verstößen zahlen müssten, nur die Samba-Gruppe nicht. Und der Verstoß sei laut Polizei eben keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Körperverletzung. »Brachiale 110 Dezibel« seien ermittelt worden, sagt Polizeisprecher Ulrich Brecht. Das sei mit einer Motorsäge vergleichbar. »Kollegen an der Front« hätten sich dadurch »verletzt gefühlt«. Die Ermittlungen liefen noch.

 

Trotz der aus Polizeisicht eindeutigen Beweislast hält ein Vierteljahr danach noch keiner der Beschuldigten eine Anzeige in den Händen – nicht einmal einen Bußgeldbescheid etwa wegen Ruhestörung. Die Kaution von 50 Euro je Instrument sei nur ein Vorgriff auf die zu erwartende Kostenforderung, sagt die Stadt und rechnet dem Verwaltungsgericht Freiburg einen Aufwand von bis jetzt 139,71 Euro je Person für Einsatz und Verwahrung der Gegenstände vor. Dort hatte Anfang Januar eine der Sambasta-Musikerinnen auf kostenlose Rückgabe ihrer Instrumente geklagt, ohne Erfolg. Denn das Gericht unterstützte die Polizei, als es feststellte, die Beschlagnahme sei erforderlich gewesen, um die Kommunikationsfähigkeit der Polizei bei erhöhter Sicherheitslage sowie die »Verständigung der Staatsgäste« zu erhalten. Die tagten allerdings mehrere 100 Meter vom Beschlagnahmeort entfernt.

 

Rechtsanwältin Katja Barth bezweifelt, dass die für abgeschleppte Fahrzeuge geltenden Sicherheitsleistungen auch bei Kundgebungsteilnehmern anwendbar sind. Die Beschlagnahmung sei ein Eingriff in die Versammlungs- und Kunstfreiheit, sagt sie. Das gelte auch für Demonstrationen, die, wie in Freiburg, nicht angemeldet, aber angekündigt wurden.

Bevor sie überhaupt aufspielen konnten, seien sie von Polizisten mit teilweise schmerzhaften Kneifgriffen in eine Seitengasse gedrängt worden, erinnert sich Hennig Liebeck. Erst dort begannen sie zu musizieren. »Etwa eine Viertelstunde lang«, erzählt der Umwelttechniker, bis Polizeikräfte sie an einer Hausmauer einkesselten. Von kurz nach 11 bis etwa 13 Uhr habe an besagtem 10. Dezember die Prozedur gedauert, bis der letzte der höchstens 20 Demonstranten abgeführt worden sei. Auch ein mit politischen Motiven drapierter Fahrradkarren wurde gestoppt, drei protestierende Clowns mit Regenschirm, Trillerpfeife und Seifenblasenfläschchen der Stadt verwiesen. Ein Mitclown musste sich in aller Öffentlichkeit bis auf die Unterwäsche entkleiden.

 

Der Freiburger FDP-Stadtrat Nikolaus von Gayling findet die Haltung der Stadt »eine Lächerlichkeit«. Mit einer großzügigen Geste könnte der OB »gut dastehen«, stattdessen reagiere er »amtlich«, kritisiert Gayling. Er verlangt in einer von ihm angestoßenen Unterschriftensammlung die »bedingungslose Herausgabe« aller Instrumente. 20 der insgesamt 48 Stadträte, vornehmlich Grüne, Grünalternative und Unabhängige Listen (Linke), beteiligten sich. Die Erklärung bewirkte, dass Ordnungsamtschef Walter Rubsamen auf Geheiß des Bürgermeisters nun persönlich mit den Betroffenen verhandelt – recht »störrisch«, findet Sambasta-Musiker Rieger. Rubsamen habe erneute Beschlagnahme der Instrumente angedroht, wenn sie ihre Demonstrationen in Zukunft nicht anmeldeten.

Aufgeben wollen Jens Rieger und Sambasta so schnell nicht. Eine Klage sei in Vorbereitung, die prüfen soll, »ob kreativer Protest in der Form unterdrückt werden darf«.