Seit Wochen kämpfen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im U.S. Bundesstaat Wisconsin gegen die Verabschiedung des Gesetzes AB11. Mit dem Gesetz soll den ca. 300.000 im öffentlichen Dienst Beschäftigten das Recht auf kollektive Tarifverhandlungen und damit Tarifverträge, sowie Renten und Krankenversicherung verwehrt werden.
Die Beschäftigten sollen künftig zwischen 17% bis 18% aus ihren Gehaltsscheck zur Krankenversicherung und Renten beitragen, was offener Lohnraub ist. Doch nicht genug: Die Löhne sollen für die nächsten drei Jahre eingefroren werden.
Wenn sich dieses Union-Busting
Manöver durchsetzt, sind weitreichende Verschlechterungen für die
Bevölkerung zu erwarten. Ein ähnliches Gesetz soll in Ohio, Indiana,
Tennessee und Florida eingeführt werden. Auch in den USA reagiert der
Staat auf die Krise mit Kürzungen bei sozialen Diensten, Studiengebühren
für die öffentlichen Hochschulen. Auf der anderen Seite werden auch
dort die Reichen immer reicher und zahlen immer weniger Steuern: Der Anteil der Unternehmenssteuern an den Steuereinnahmen beträgt weniger als 7%.
Während dessen wird der arbeitenden Bevölkerung vorgeworfen, sie wären
gierig und würden in den zu viel in diesen wirtschaftlich schwierigen
Zeiten fordern.
Perfektes Timing also, um ArbeiterInnenrechte anzugreifen und zu
zerschlagen, was von der Arbeiterbewegung in der Vergangenheit erkämpft
wurde? Die Spitze der Angriffe sind die auf die Gewerkschaften, deren
Arbeit als "unamerikanisch" verunglimpft wird. Damit ist gleichzeitig
der opportunistische Kurs einiger Gewerkschaften gescheitert, die
bereits mit der Bush Regierung einen Deal ausmachten, der 100 Millionen
US Dollar in den Staatshaushalt durch eine Lohnkürzung von 3% im
öffentlichen Dienst spülte. Im Jahr 1971 hatten die Gewerkschaften des
öffentlichen Dienstes sich auf ein gesetzlich verankertes
Stillhalteabkommen eingelassen, das in den letzten 40 Jahren für
relative Ruhe in diesem Sektor sorgte. Viele der tariflich gesicherten
Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst wurden in den letzten Jahren
privatisiert und in befristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt. Die
Fluktuation wurde genutzt, um die Neubesetzung mit LeiharbeiterInnen
sowie mit MigrantInnen durchzuführen, die unter weit schlechteren
rechtlichen Bedingungen und zum Teil illegal beschäftigt wurden. Seit
einem in den 1990er Jahren verhängten Einstellungsstopp wurden weitere
Errungenschaften zerschlagen, so wurden die Beschäftigten gezwungen,
einen dreiwöchigen unbezahlten Urlaub hinzunehmen.
Wisconsin ist für die dort regierenden Republikaner ein Prüfstein zur
Durchsetzung ihrer reaktionären Politik. Dem Haushalt fehlen 3,6
Milliarden U.S. Dollar. Um diese Lücke trotz aller Proteste zu füllen,
ist offenbar jedes Mittel Recht: Für Aufsehen sorgte Scott Walker, der
republikanische Gouverneur von Wisconsin, der in einem Telefongespräch mit Ian Murphy in Erwägung gezogen hat, Provokateure zu Demonstrationen zu schicken, um diese zu diskreditieren:
Im Verlauf der 20minütigen Unterhaltung entlockte Murphy dem
republikanischen Gouverneur eine Reihe provokativer Bemerkungen. Walker
schlug vor, die 14 Senatoren der Demokratischen Partei wegen schwerer
Straftaten anzuklagen, da diese, um die Abstimmung im Parlament zu
verhindern, in das benachbarte Illinois "geflüchtet" waren. Zum
Beschluss wären 20 Stimmen nötig gewesen, diese konnten die 19
republikanischen Abgeordneten so nicht aufbringen. Abgesehen von dieser
Kuriosität gehen immer weniger Menschen in Wisconsin davon aus, dass
AB11 im Parlament verhindert wird und gehen mit immer neuen
Protestaktionen auf die Straße. Am vergangenen Samstag kam es in Madison
mit 100.000 TeilnehmerInnen zu einer der größten Protestdemonstrationen
der dortigen Geschichte. In weiteren ca. 50 Städten kam es zu
Solidaritätsaktionen mit teilweise mehreren tausend Menschen. Ein
interessanter Aspekt bei den Aktionen ist der Vergleich, den viele der
Protestierenden mit den Aufständen in Ägypten, Libyen und Tunesien
ziehen. Zwar ist der soziale und poltische Protest weit entfernt von
einem Aufstand, dennoch richtet er sich im Grunde gegen dieselben
Ursachen: Ein kapitalistisches System, das nicht in der Lage ist, die
Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen.
Zunehmend ins Visier gerät die Obama Administration, die Billionen
Dollar in die Bankenrettung und die Bonuszahlungen für die Vorstände der
Wall Street gesteckt hat, sich jedoch weigert, bankrotten Staaten und
Stadtverwaltungen zu helfen. Er will einen Lohnstopp der
Bundesbediensteten und arbeitet an einem Haushalt, der Hunderte von
Milliarden U.S. Dollar an Kürzungen in den sozialen Bereichen vorsieht
und damit vor allen die Bevölkerung trifft. Damit steigen die
Aussichten, dass sich die Sozialproteste in weitere US-Bundesstaaten
ausweiten.
Siehe auch den LabourNet Schwerpunkt: Massenproteste gegen Sparpläne im Öffentlichen Dienst.