Polizeiagent in britischer Umweltbewegung
Jahrelang spionierte Mark Kennedy die britische Umweltszene aus, entwickelte sich immer mehr zum Agent Provocateur. Dann flog er auf. Auch in Deutschland soll er aktiv gewesen sein. VON Ralf Sotscheck
Er sieht aus, wie sich die Polizei einen Öko-Aktivisten offenbar vorstellt: Bart, lange Haare, Tätowierungen, Ohrringe. So war Mark Kennedy vom Geheimdienst der britischen Polizei verkleidet worden, bevor sie ihn vor mehr als sieben Jahren auf geheime Mission schickte. Er tauchte 2003 auf einem Bauernhof in der englischen Grafschaft Yorkshire auf, wo die Umweltorganisation "Earth First" ihre Aktionen plante. Er nannte sich Mark Stone, und das stand auch in seinem Pass und in seinem Führerschein.
Da der damals 33-jährige einen Kleintransporter besaß und über jede Menge Geld verfügte, mit dem er Flugblätter und Informationsbroschüren finanzierte, aber auch Geldstrafen für andere Aktivisten bezahlte, war er schnell in die Bewegung integriert. Und er schien hochmotiviert: Keine Umweltdemonstration in Großbritannien fand fortan ohne ihn statt, er war bei der Organisation der Proteste gegen den G8-Gipfel im schottischen Gleneagles dabei, er kletterte auf Bäume in London und hängte Protestplakate gegen BP auf.
Er kettete sich an einen Zaun des Atomkraftwerks Hartlepool, besetzte einen Kran am Didcot-Kraftwerk in Oxfordshire, kaperte mit 29 anderen einen Kohlezug, der sich auf dem Weg zum Drax-Kraftwerk in Yorkshire befand, und organisierte den Transport für das Klimacamp in Heathrow.
Er infiltrierte Dutzende andere Organisationen, von anarchistischen Gruppen über Anti-Rassismus-Organisationen bis hin zu militanten Tierschützern. Er bereiste 22 Länder, darunter Deutschland, Italien, Spanien und Island, um dort Umweltschutzaktivitäten auszuspionieren. Andrej Hunko, Abgeordneter der Linken, hat im Bundestag eine kleine Anfrage wegen Kennedys Aktivitäten in Deutschland gestellt, jedoch keine Antworten auf seine Fragen erhalten.
Kennedy war 1994 in London in den Polizeidienst eingetreten. Als neun Jahre später die "National Public Order Intelligence Unit" gegründet wurde, ein Geheimdienst, der "einheimische Extremisten" im Visier hat, war er eins der ersten Mitglieder. Er beschränkte sich aber keineswegs darauf, im Hintergrund Informationen zu sammeln und sie an seine Vorgesetzten weiterzugeben, sondern entwickelte sich immer mehr zum Agent provocateur und plante ständig neue Aktionen.
So flog er schließlich auch auf. Er war die treibende Kraft hinter der geplanten Besetzung des von E.ON betriebenen Kohlekraftwerks in Ratcliffe-on-Soar in den East Midlands. Kennedy hatte ausgekundschaftet, wie man am besten ins Kraftwerk gelangte. Die Vorbereitungstreffen hatten in seinem Haus stattgefunden, er hatte einen Lastwagen für 778 Pfund gemietet, um das notwendige Material zu transportieren.
Vor der Besetzung versteckten sich 114 Aktivisten in einer Schule in der Nähe des Kraftwerks. Einige wollten die Aktion wegen der erhöhten Polizeipräsenz in der Gegend in letzter Sekunde abblasen und sandten Kennedy aus, um die Lage zu erkunden. Er kehrte mit der Information zurück, dass weit und breit keine Polizisten zu sehen seien. Minuten später wurde die Schule von der Polizei gestürmt.
113 der Verhafteten nahmen denselben Anwalt, nur Kennedy beauftragte einen anderen Anwalt, woraufhin die Klage gegen ihn sofort fallen gelassen wurde. Das erregte natürlich Misstrauen, und als seine Mitstreiter nachforschten, fanden sie seinen echten Pass sowie Papiere, die ihn als Polizisten auswiesen. Als man ihn zur Rede stellte, brach Kennedy weinend zusammen, gestand alles, entschuldigte sich und nannte den Namen einer Kollegin, die ebenfalls als Polizeispitzel arbeitete. Außerdem bot er an, als Zeuge für die Angeklagten auszusagen.
Von den 113 Menschen, die in der Schule bei Ratcliffe-on-Soar festgenommen worden waren, wurden 26 angeklagt. Da 20 von ihnen geständig waren, wurden sie vorige Woche zu milden Strafen verurteilt. Das Verfahren gegen die übrigen sechs wurde am Montag sang- und klanglos eingestellt, nachdem sie von der Staatsanwaltschaft verlangt hatten, Informationen über Kennedys Rolle preiszugeben.
Kennedy lebt inzwischen im Ausland. Er hat den Polizeidienst quittiert und soll zu der Überzeugung gelangt sein, dass Aktionen gegen den Klimawandel gerechtfertigt seien. Craig Logan, einer seiner früheren Freunde, sagt: "Dieser Mann war ein außergewöhnlicher Lügner. Nichts von dem, was er sagt, kann man ihm glauben."