3600 in Greifswald bei nasskaltem Sprühregen

Anti-Atom-Demo in Greifswald am 11.12.2010

Liebe FreundInnen, in Greifswald demonstrierten nach Angaben der örtlichen Initiativen am Samstag bei nasskaltem Sprühregen 3600 Menschen gegen den Castor-Transport von Südfrankreich ins Zwischenlager Lubmin - das ist ein toller Erfolg für die monatelange harte Arbeit vor Ort! Wir hoffen, dass nächste Woche viele Leute an die Ostsee fahren und dort mithelfen, gegen diese neue Castor-Fuhre zu protestieren. Auch in Freiburg fand am Samstag aus Anlass des dt.-franz. Gipfels eine Anti-Atom-Demo statt. Aktuelle Infos auf www.lubmin-nixda.de und www.contratom.de. Am Sonntag geht es im Münsterland in Ahaus weiter.

 

Hier die letzten Demo-Infos:

 

1. Die Demo beginnt um 14 Uhr vor dem Zwischenlager in Ahaus-Ammeln, Schöppinger Landstraße.

2. Busse und Autos können direkt auf der Landstraße geparkt werden, die wird wie immer für den Normalverkehr gesperrt. Lasst euch an den Polizeisperren nicht aufhalten. Gibt es irgendwelche Probleme mit der Zufahrt oder der Polizei, ruft bitte bei der BI Ahaus an: 0176-24608632.

3. Das Wetter soll stark bewölkt sein - und auf jeden Fall über 0 Grad Celsius. Die Straßen dürften also frei sein.

4. Nach der Auftaktkundgebung soll das Atommülllager "in die Zange" genommen werden. Wie groß die Zange wird, hängt von der Teilnehmerzahl ab. In jedem Fall wird die Zufahrtsstraße komplett dicht sein. Bitte bringt auch Sitzmobiliar für eine weitere Sitzprobe mit, denn unser Motto "Nix rein, nix raus" richtet sich 2011 wieder auf die Anlieferung von Atommüll.

Bringt gute Laune, Transpis, Atomfässer oder ein paar Weihnachtsüberraschungen mit, die Vokü sorgt für Verpflegung - gehen wir zum Jahresabschluss nochmal gegen die unverantwortliche Atompolitik lautstark und bunt auf die Straße!

Noch zwei aktuelle Infos zum Stand in Majak:

1. Ein Moskauer Gericht hat die Klage von Anwohnern gegen den Weiterbetrieb der Atomanlage zugelassen! Das ist ein kleiner Schritt nach vorn, um den katastrophalen Zuständen dort ein Ende zu setzen.

2. Aus Majak ist zu hören, dass die Wiederaufbereitungsanlage in Majak gar nicht stillsteht, wie von Röttgen behauptet. Auch wurde dort die Sorge geäußert, dass mit dem deutschen (und europäischen) Atommüll womöglich russische Atomsprengköpfe gebastelt werden, weil Majak ja immer ein Militärprojekt war. Im Neuen Deutschland sind dazu zwei sehr interessante Berichte erschienen.

Wir wollen deshalb auf der Demo zur Unterstützung der Anwohner-Klagen in Majak Spenden sammeln, die wir dann nach Russland weiterleiten.

Wer generell für die regionale Anti-Atom-Arbeit im Münsterland spenden möchte, damit wir auch 2011 wieder entschlossenen Widerstand organisieren können, ist dazu natürlich herzlich eingeladen. Widerstand kostet leider immer auch Geld, aber gerade die letzten Wochen haben gezeigt: Widerstand wirkt!

Spendenkonto:
Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen
Volksbank Wettringen
BLZ 357 730 701
Konto 401 646 18
Stichwort "Majak" (für die Anwohner-Klagen)
Stichwort "Atomausstieg" (für die regionale Arbeit)

Euch vielen Dank im Voraus und wir freuen uns auf euch morgen!

Atomfeindliche Grüße
Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen, SOFA Münster, BI "Kein Atommüll in Ahaus"
(www.sofa-ms.de, www.kein-castor-nach-ahaus.de, www.urantransport.de)

 

 

 

Hintergrundinformationen
Lubmin - der vergessene Standort
Der Ort Lubmin ist in erster Linie als Seebad und Urlaubsziel an der Ostsee bekannt oder und in zweiter Linie durch eine die Ostseegaspipeline, Solaranlagen, den Widerstand gegen das ehemals geplantes Kohlekraftwerk. Vergessen wird häufig, dass Lubmin auch Standort eines Zwischenlagers für atomare Abfälle ist.
Neben den Resten des ehemaligen Atomkraftwerks (AKW) Greifswald entstand ab 1992 ein etwa 20.000 m² großes Gebäude mit acht Hallenabschnitten, das für den Rückbau und die Zwischenlagerung von atomaren Abfällen der ostdeutschen AKW Greifswald und Rheinsberg vorgesehen war. Der Stolz der Betreiber sind Konditionierungsanlagen zur Separierung und Verpackung von hoch-, mittel und schwachradioaktiven Substanzen. Die Größe der Anlage überschreitet die benötigten Kapazitäten der beiden AKWs deutlich. Bereits Anfang der 90er Jahre gab es kritische Stimmen, die eine Ausrichtung der Lagerkapazität nach dem Bedarf der westdeutschen Atomindustrie vermuteten.
Die Landespolitiker Mecklenburg-Vorpommerns stimmten 1991 dem Bau eines Zwischenlagers in Lubmin zu, unter der Bedingung, dort nur atomare Abfälle aus ostdeutschen AKWs zu lagern. Da es keine exakte Abschätzung des radioaktiven Inventars gab, blieb die tatsächlich benötigte Größe des Lagers jedoch im Dunkeln und die damalige Umweltministerin Angela Merkel positionierte sich mit der Aussage, die langfristige Nutzung des Zwischenlagers sei derzeit nicht verbindlich festlegbar. Zwanzig Jahre später wird die Vermutung bestätigt, dass in Lubmin auch Atommüll aus westdeutschen Atomanlagen gelagert werden soll. Noch in diesem Jahr wird hochradioaktiver Müll aus den Forschungszentren Karlsruhe und dem französischem Cadarache erwartet. In Cadarache lagern derzeit Abfälle vom Forschungsschiff Otto Hahn aus Geesthacht.
In den letzten Jahren wurde nach 30-jähriger Probezeit deutlich, dass die Endlagerung radioaktiven Mülls in Salzbergwerken, wie Asse oder Morsleben nicht funktioniert.
Ca. 126.000 Fässer Atommüll drohen im Bergwerk Asse das Grundwasser zu kontaminieren und müssen unter Gefahren geborgen werden. In Gorleben lagert der Atommüll zwar noch oberirdisch, die Bundesregierung versucht aber gesetzliche Rahmenbedingungen für eine Einlagerung zu schaffen. Dagegen sprechen Studien, die auch für dieses Salzbergwerk Wassereintritte und damit erheblich Gefahren im Falle der Einlagerung von Atommüll prognostizieren.
Wohin der Müll gebracht werden soll, ist also weiterhin unklar. Eine Möglichkeit, ihn wenigstens etwas aus dem Fokus der öffentlichen Diskussion herauszubekommen, wäre die Zwischenlagerung in Lubmin.
Die Zwischenlagerung in Lubmin ist derzeit für bis 2039 genehmigt. Da aber in den nächsten Jahrzehnten nicht mit der Lösung der Frage nach der Endlagerung atomaren Mülls zu rechnen ist, bleibt die Zukunft des Mülls und deren Unterbringung ungewiss.
Der Betrieb eines AKWs, sowie die damit verbundenen Produktion von Atommüll, wird lediglich dadurch ermöglicht, dass die Betreiber von AKW im Gegensatz zu Betreibern jedweder anderer Unternehmen die Entsorgung ihrer umweltschädlichen Abfälle nicht nachweisen müssen. Es reicht für die Entsorgung von Atommüll bereits ein sogenannter Entsorgungs"vorsorge"nachweis. Die Vorsorge ersetzt das Entsorgen, dass es bisher nicht gibt und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nie geben wird. Da es keine sichere Entsorgung gibt und auch in absehbarer Zukunft die Lösung des Problems nicht in Sicht ist, heißt für viele Menschen die logische Konsequenz die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen weltweit. Die Bundespolitik sieht anders aus und so ist mit weiterem Atommüll, auch und vielleicht vor allem nach Lubmin, zu rechnen.
Über die Lagerungsproblematik hinaus wird vermutet, dass vor allem ein Grund bei der Standortwahl Lubmin die Hauptrolle gespielt hat. Wie schon zuvor in Gorleben zugegeben, werden von der Politik bevorzugt Standorte in strukturschwachen Gegenden, in denen mit wenig Protest zu rechnen ist, gewählt.
Der Schriftsteller Andreas Meier hat dies auf den Punkt gebracht: "Was man wegwirft, ist zwar weg, aber immer noch da. Nur nicht hier, sondern woanders. Wegwerfen und hinwerfen, und vorher produzieren und dann hin und her, damit die Leute glauben, es gäbe eine Lösung".
Hier wird nach einem Prinzip gehandelt, das wir auch aus anderen Bereichen wie z. B. der Gentechnik oder bei Tiermastfabriken kennen: Immer dorthin, wo der Widerstand als am geringsten einzustufen ist.
Sie werden sich aber hier kräftig irren. Die Proteste gegen das "Bombodrom" oder das geplante Kohlekraftwerk in Lubmin haben gezeigt, dass Widerstand möglich und erfolgreich sein kann. Ein breites Bündnis mit über 40 gesellschaftlichen Organisationen ruft bereits jetzt dazu auf, am TAG X des Castortransportes von Karlsruhe nach Lubmin bunt und vielfältig Protest zu gestalten, darauf aufmerksam zu machen, dass hinter den Transporten ein riesiges ungelöstes steht und der Bundesregierung das alte indianische Sprichwort beizubringen: "Wenn Dein Pferd tot ist, steig ab!"

Chronik

 

Lubmin: ca. 15km Luftlinie östlich von Greifswald
Größe der Leichtbauhalle: 20.000m²
Zwischenlagerung von schwach-, mittel- und hochradioaktivem Atommüll, z.Z. 65 Castorbehälter eingelagert
bis Ende 2010 Genehmigung für fünf Castorbehälter aus Karlsruhe und für vier Behälter aus dem französischem Cadarache
1990 Abschaltung der fünf AKW-Blöcken; weitere drei wurden nie fertig gestellt
1991 Zustimmung des Schweriner Landtags mit den Stimmen aller Fraktionen für den Bau des Zwischenlagers, wenn ausschließlich Atommüll aus den ostdeutschen AKWs eingelagert werden
1992 Beschluss zur Beschränkung auf Abfälle aus Greifswald und Rheinsberg wird durch die Regierungskoalition (CDU/FDP) verhindert
1993 "Umwidmung" zur Einlagerung von hochradioaktivem Müll; Teillager für hochradioaktive Abfälle ist dreimal so groß wie nötig
1995 Es werden 15.000 Einwendungen gegen Zwischenlager erhoben
1999 Fertigstellung und Inbetriebnahme des gesamten Zwischenlagers
2006 Einlagerung der letzten Castorbehälter aus Rheinsberg und Greifswald
2007 Transport des Reaktordruckbehälters aus dem AKW Rheinsberg

Autoren: Rebecca Südmersen, Adelwin Bothe und Daniel Daedlow

 

 

"Das metallische Material eines gefüllten CASTORs ist ständig radioaktiver Strahlung ausgesetzt"

 

Von Prof. Dr. Rolf Bertram

 

Es ist höchste Zeit, die Verantwortlichen an jahrzehntealte materialkundliche Erkenntnisse zu erinnern, die trotz ihrer Bedeutung für Transport und Lagerung von Atommüll bisher nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt wurden:
In die CASTOR-Wandungen aus Gußeisen sind zur Neutronenabschirmung Polyethylenstäbe (PE) eingelassen. Das metallische Wandmaterial wie auch die Moderatorsubstanz (PE) eines gefüllten CASTORs sind ständig der radioaktiven Strahlung ausgesetzt. Durch die vom Atommüll ausgehende radioaktive Strahlung wird PE vorrangig zu Wasserstoff und Kohlenstoff zersetzt (Radiolyse). Wasserstoffatome haben die Eigenschaft, in die gußeiserne Ummantelung zu wandern (Diffusion) und nach außen durchzudringen. Über Leckraten von Wasserstoff aus geschlossenen Behältern gibt es eine umfangreiche Literatur.
Diese lange bekannten Prozesse führen zum Verlust des Wasserstoffs und damit zur Schwächung der Neutronenabschirmung. Durch den so verstärkten Neutronenfluß wird das Eisengefüge zunehmend verändert. Zusammen mit der durch Wasserstoff verursachten Versprödung des Eisens kommt es zur Minderung der Stabilität und erhöhter Korrosion.
Die Strahlungsgefährdung durch Transport und Lagerung von CASTORen wird durch weitere von Betreibern und Genehmigungsbehörden nicht beachtete (oder verschwiegene) Effekte verstärkt : Im Neutronenstrahlungsfeld des CASTORs werden unvermeidbar kernchemische Reaktionen in den Strukturmaterialien Eisen und PE ausgelöst, d.h. diese Materialien werden selbst zunehmend radioaktiv. Im Gußeisen (mit bis zu 4% Kohlenstoff) kommt es zur Bildung von Radionukliden, wobei vorrangig die starken Gamma- und Betastrahler Fe-59 , Co-60 und langlebiger Radiokohlenstoff C-14 zu beachten sind. Im Polyethylen (Grundbestandteile C und H) entstehen durch Aktivierung Radiokohlenstoff und Tritium. Auch dieses radioaktive Isotop des Wasserstoffs durchdringt die Behälterwandungen.
Bei Transport und Lagerung von Glaskokillen wird häufig argumentiert, die verglaste Masse sei infolge der weitgehenden Abtrennung von Uran- und Plutonium-Nukliden weniger gefährlich. Dabei wird übersehen, daß in den ersten 1000 Jahren die Radiotoxizität im Atommüll im wesentlichen durch Americium 241 (Am-241) bestimmt wird. In einer Endlagerkokille ist die Radioaktivität von Am-241 etwa zehnmal so hoch wie in einer Tonne gebrauchten Kernbrennstoffs. Für die CASTOR-Problematik folgt daraus:

Mit zunehmender "Betriebszeit" nimmt die

Neutronenstrahlung und die Radioaktivität der Strukturmaterialien in gefährlicher Weise zu.

Durch Strukturveränderungen und Aufnahme von Wasserstoff läßt die Stabilität der Behälter nach, was bei Risikoabschätzungen berücksichtigt werden müßte.

Da die Verformungsfähigkeit des Eisens drastisch verschlechtert wird, sind Fall- und Brandversuche mit wasserstoffversprödeten und strahlenbelasteten Behältern unumgänglich.

Autor: Prof. Dr. Rolf Bertram (im Ruhestand, Technische Universität Braunschweig)
priv. Am Klausberge 27, 37075 Göttingen
eMail: bertramrolf@aol.com