Nationalisten marschieren durch Moskau

Großteils jugendliche Ultranationalisten feierten den Tag der russischen Einheit mit einem Marsch durch Moskau
Erstveröffentlicht: 
04.11.2010

Rechtsextreme in Russland erstarken - Gewalttaten gegen Ausländer nehmen zu

 

 

Moskau/Wien - Er ist der unpopulärste Feiertag Russlands. Nur ein Prozent der Russen hält den Tag der russischen Einheit am 4. November für einen wichtigen Feiertag. 2005 wurde der Feiertag als Ersatz für den 7. November, an dem laut julianischem Kalender die Oktoberrevolution stattfand, eingeführt und ist seitdem für die meisten Russen ein Fremdkörper.

Rechtsextreme Gruppierungen haben den 4. November jedoch für sich beschlagnahmt und veranstalten am Jahrestag des Sieges über Polen im Jahr 1612 einen "russischen Marsch". Mit Parolen wie "Russland den Russen" marschierten am Donnerstag rund 5000 Skinheads und Rechtsradikale durch den Bezirk Ljublino im Südosten Moskaus. Laut den Veranstaltern waren es sogar 10.000.

Bis auf ein paar Schlägereien verlief die Kundgebung mit abschließendem Konzert einer Skinhead-Band ohne Zwischenfälle. Die Miliz schritt auch bei "Sieg Heil"-Rufen der Demonstranten nicht ein. Einer der Sprecher, Oberst Wladimir Kwatschow, forderte laut der Zeitung Nowaja Gaseta, dass der Kreml von den Juden gesäubert werde.

Im Gegensatz zu den Vorjahren hatte die Moskauer Stadtregierung heuer den "russischen Marsch" genehmigt. Und zwar ohne Einschränkungen. Eine Demonstration der Opposition am 31. Oktober wurde hingegen von den Moskauer Stadtbehörden nur unter Auflagen erlaubt. Die Veranstaltung wurde nur für 800 Teilnehmer genehmigt.

Die Gewaltbereitschaft der russischen Rechtsextremen gegen Gastarbeiter, die vor allem aus Ex- Sowjetrepubliken zuwandern, hat seit der Krise noch zugenommen. Nach offiziellen Angaben des Innenministeriums ist die Zahl rechtsextremer Gewalttaten von 356 im Jahr 2007 auf 548 im Jahr 2009 gestiegen. Im ersten Halbjahr 2010 wurden 370 Gewalttaten gemeldet - 39 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Zeitgleich mit den Neonazis veranstaltete auch die Kreml-Jugendorganisation Naschi (Unsere) im Stadtzentrum unweit des Weißen Hauses einen "russischen Marsch". Auch hier überwogen patriotische Transparente, auf denen "Schande über Russlands Feinde" zu lesen war. Dazu zählen nach Ansicht der Naschi die Menschenrechtlerin Ljudmilla Alexejewa, Betreiber von Bordellen, Casino-Besitzer sowie Geschäftsleute, die Alkohol an Jugendliche verkaufen. (Verena Diethelm/DER STANDARD, Printausgabe, 5.11.2010)