Sie tauschen Musik, üben dumpfe Propaganda und verabreden sich zu Trauermärschen: Die Nazi-Szene ist im Internet hochaktiv. Doch damit nicht genug, ein Hack-Angriff auf die wohl wichtigste deutsche Nazi-Plattform belegt nun die organisierte Holocaustleugnung von Rechten im Internet
Die Verbraucherschutzministerin ist eine umsichtige Frau, man müsse weiter kämpfen, sagt sie, damit sich Rechtsextremisten nicht ausbreiteten im Internet. Doch als Ilse Aigner (CSU) am Montag in Berlin ihr Grußwort spricht zum Beginn der Aktionswoche „Soziale Netzwerke gegen Nazis“, da ahnt sie womöglich nicht einmal, was gleichzeitig ein paar Netz-Adressen weiter geschieht.
Nach Informationen der Frankfurter Rundschau haben die Betreiber der wohl wichtigsten deutschen Neonazi-Plattform im Internet ihr Forum thiazi.net inzwischen zum Ort für organisierte Holocaustleugnung ausgebaut. Das belegt ein Hacker-Angriff von Aktivisten der Autonomen Antifa Freiburg vom 17. September, der ihnen für 24 Stunden ungehinderten Zugriff auf das passwortgeschützte Forum verschaffte. Danach finden sich auf thiazi.net anders als bislang angenommen nicht nur dumpfe Propaganda und Berichte von Trauermärschen, sondern auch das „Nationalsozialisten Privatforum“, voll von Beiträgen, die den Holocaust billigen, verharmlosen oder leugnen.
Wie Dokumente aus dem Forum, die der FR vorliegen, belegen, tauschen sich dort auf Hunderten Seiten rechte Nutzer darüber aus, ob sie an den Holocaust „glauben“ und wie er sich öffentlich widerlegen lässt, „ohne sich selbst zu kriminalisieren“. Seit 2006 gibt es gar eine eigene Kategorie, in der sich Nutzer mit Namen wie Ahnenblut, Nordmann oder Joachim Peiper austauschen. Und auch im öffentlichen Teil des Forums gibt es ein mehr als 15 000 Beiträge umfassendes Kapitel mit dem Titel: „Holocaust: Betrug des 20. Jahrhunderts?“
So loggt sich etwa am 27. Juli ein Nutzer mit dem Namen Chauvinist ein und schreibt einen Beitrag, der von Konzentrationslagern handelt und von „Seuchen, Überarbeitung, Hunger und sonstigen Krankheiten“. Am Ende schreibt er: „Auf jeden Fall gab es keinen Holocaust, so wie er uns seit Jahrzehnten zwanghaft eingetrichtert wird, um einen Schuldkomplex auszulösen.“ Andere, wie der Nutzer Saxus, schreiben nur kurz: „Für mich ist der Holocaust existent, der Bombenholocaust von Dresden.“
Nutzer identifiziert
Eine Strafverfolgung fürchten die Nazis im Netz kaum, da sie ihre wahren Identitäten hinter den Nutzernamen verbergen. Viele gehen dabei allerdings allzu ungeschickt vor und geben so viel Privates über sich preis, dass sie erkennbar werden. So handelt es sich beim Nutzer Saxus offenbar um einen sächsischen NPD-Kreisrat, der sich so freimütig über seine Hobbys äußert und sich zu Wahlerfolgen gratulieren lässt, dass er im Forum selbst auf die mögliche Identifizierung hingewiesen wird. Hinter der Moderatorin „Prometheusfunke“ vermuten die Antifa-Aktivisten die Leiterin eines Kindergartens in Rheinland-Pfalz, hinter „Krafft“ den Stationsarzt der psychiatrischen Abteilung einer Klinik in Nordrhein-Westfalen – das Gegenteil vom Klischee des jungen, arbeitslosen, ostdeutschen Neonazis.
Die Tarnung ist dabei Taktik. In ausführlichen Beiträgen widmen sich Nutzer ihren Strategien, bei der Leugnung unerkannt zu bleiben und „noch ungefestigte, wankelmütige Schreiber“ zu überzeugen. Mehr als deutsche Behörden fürchten die Nazis die amerikanische Strafverfolgung. So löschten und entschärften sie immer wieder antiamerikanische Beiträge, aus Angst, der Server könne abgeschaltet werden. Die Holocaustleugnungen blieben stehen.