Der Gipfel der Schande

Alles zum G20-Gipfel 2017 auf Indymedia linksunten
Erstveröffentlicht: 
10.07.2017
Mob wütet in Hamburg: 500 verletzte Polizisten Streit über Schuldfrage, Schnelle Hilfe für Opfer G-20-Treffen endet mit wackligem Kompromiss

 

Hamburg/Leipzig. Fast 500 verletzte Polizisten – darunter auch 20 aus Sachsen – zerstörte Geschäfte, verbrannte Autos, aufgerissene Straßen: Hamburg erlebte ein Wochenende des Schreckens. Einen Tag nach dem Ende des Spitzentreffens der 20 wichtigsten Staats- und Regierungschefs zogen die Verantwortlichen gestern Bilanz. „Wir haben schlimme Bilder gesehen“, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz. Der SPD-Politiker sicherte den Opfern der Krawalle rasche Entschädigungen zu. Den G-20-Gipfel und die Bürger zu schützen, sei nicht so gelungen, „wie wir uns das vorgestellt haben. Das erschreckt.“ Mit aller Konsequenz müsse gegen die Straftäter vorgegangen werden, forderte Scholz.

 

Vor allem in der Nacht zum Sonnabend war die Lage zeitweise völlig außer Kontrolle geraten. Hunderte gewaltbereite Randalierer hatten im Hamburger Schanzenviertel Barrikaden errichtet und in Flammen gesetzt, Geschäfte zerstört und geplündert, Häuser besetzt und von Baugerüsten Polizisten mit Steinschleudern und Metallkugeln beschossen. Anwohner alarmierten vergeblich die Polizei, Reporter vor Ort sprachen von einem „rechtsfreien Raum“. Erst kurz vor Mitternacht gelang es den verstärkten Einsatzkräften mit Wasserwerfern und schwer bewaffneten Sondereinsatzkommandos, die Kontrolle zurückzuerlangen. Die Strategie der Polizei stand deshalb gestern in der Kritik – offenbar wurde ein Großteil der 21 000 Polizisten am Freitag zunächst eingesetzt, um das Abendprogramm der Staats- und Regierungschefs in der Elbphilharmonie abzusichern.

 

Der Chef der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt sieht die Schuld dagegen klar in der verfehlten Politik des Hamburger Senats. Wendt legte Bürgermeister Scholz den Rücktritt nahe, „Wenn er keinen Plan hat, wie er linke Gewalt künftig verhindern will, muss er seinen Hut nehmen.“ Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer, selbst Mitglied im globalisierungskritischen Netzwerk Attac, warnte dagegen: „Was jetzt nicht passieren darf, dass sich Demokraten am Feuer der Chaoten wärmen.“ Gleichwohl seien die Randalierer „behandlungswürdige Chaoten“, für die es keinerlei Verständnis geben dürfe.

 

Auch rund 20 sächsische Beamte wurden in Hamburg verletzt, darunter einige vom Bundespolizei-Standort Bad Düben. Sie erlitten unter anderem einen Jochbeinbruch, einen Handbruch und ein Knalltrauma. Die Verletzten wurden in Hamburger Kliniken behandelt und sollen heute nach Bad Düben zurückkehren. Insgesamt waren rund 600 sächsische Spezialkräfte beim G-20-Gipfel.

 

Die Schuldfrage ist inzwischen auch ein Streitfall der sächsischen Landespolitik. Die Leipziger Landtagsabgeordnete der Linken, Juliane Nagel, gab der Polizei eine Mitschuld. In einer Mitteilung sprach sie von „gewollter Eskalation“. So habe die Polizei den Protestzug „Welcome to Hell“ mit 12 000 Teilnehmern brutal auseinandergetrieben. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) nannte diese Vorwürfe „unerhört und populistisch“.

 

In der politischen Bilanz des G-20-Treffens überwiegt die Enttäuschung. So gelang es nicht, die USA doch noch zu einem verbindlichen Klimaschutz zu bewegen. Der Klima- und Energieaktionsplan, den der Gipfel auf den Weg brachte, gilt deshalb als wackliger Kompromiss.