Aufgeflogen: Gespräch mit Journalisten abgehört

Erstveröffentlicht: 
27.06.2017

Im Umfeld eines Leipziger Fußballvereins ermitteln die sächsischen Behörden drei Jahre lang. Vorausgegangen waren gewalttätige Übergriffe auf vermeintlich Rechte. Die sächsischen Behörden beginnen 2013 mit Ermittlungen gegen 14 Personen aus dem Raum Leipzig. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung. Unter den Beschuldigten: der Fansozialarbeiter und ein Vorstandsmitglied des Fußballvereins BSG Chemie Leipzig. Auch gegen Fans wird ermittelt. Ein Traditionsklub als Tarnung? Trotz Telefonüberwachungen und Observationen wird die Polizei nicht fündig, nach drei Jahren werden die Ermittlungen ohne Ergebnis eingestellt.

 

Gespräche mit Journalisten gespeichert


Doch ZAPP liegen nun Unterlagen vor, die belegen, dass durch die Abhörmaßnahmen auch immer wieder Gespräche mit Journalisten gespeichert wurden. Juristisch fragwürdig, meint Christoph Gusy, Professor für Polizei und Ordnungsrecht an der Universität Bielefeld: "Journalisten dürfen nur unter extrem eingeschränkten Voraussetzungen überwacht werden. In bestimmten Fällen hat das Bundesverfassungsgericht das zugelassen, dann, wenn es zur Aufklärung von Straftaten nicht der Journalisten, sondern anderer Personen dienen kann. Aber das waren extreme Fälle. Im konkreten Fall ging es um einen Mord." 

 

Schwerwiegender Eingriff in das Fernmeldegeheimnis


In Leipzig waren die Journalisten sogenannter "Beifang". Sie waren die Gesprächspartner der Abgehörten. Eigentlich hätten die Gesprächsdaten umgehend gelöscht werden müssen, nachdem klar war, dass es sich um journalistische Arbeit handelt: "Diese Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis sind schwerwiegend und deshalb nur für begrenzte Zeit und in begrenztem Umfang zulässig", so Christoph Gusy, Professor für Polizei und Ordnungsrecht.

Besonders absurd: Die Zusammenarbeit mit den Journalisten wurde einem Beschuldigten als Mitarbeit an einer "kriminellen Vereinigung" ausgelegt. 

 

Wurden Gespräche jahrelang gespeichert?


Die zuständige Generalstaatsanwaltschaft räumt das Abhören der Journalisten gegenüber ZAPP ein. Sie sieht aber erst einmal keine Fehler bei sich: "Im konkreten Fall waren es zwei Journalisten, die jeweils ein Gespräch mit einem Tatverdächtigen geführt haben, das auch tatsächlich aufgezeichnet worden ist. Als man dann bemerkte, dass es sich hier um Journalisten handelte, sind diese Gespräche und dann auch diese Protokolle gelöscht worden", sagt der stellvertretende Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Oliver Möller.

 

Doch nach ZAPP Informationen wurden zahlreiche Gespräche jahrelang gespeichert - mit mindestens drei Journalisten. Erst kurz vor Einstellung des Verfahrens - Ende 2016 - wurden die Inhalte laut Polizei Sachsen gelöscht. Und entgegen der gesetzlichen Benachrichtigungspflicht wurden alle drei Journalisten nach eigenen Angaben auch nicht über die Überwachung informiert. 

 

Die Generalstaatsanwaltschaft will auf Anfrage die beiden Vorwürfe prüfen: "Ausschließen kann man Fehler nie. Auch bei den Strafverfolgungsbehörden arbeiten Menschen, die Fehler machen." 

 

Kein Interview von betroffener Zeitung


Zwei der Journalisten prüfen nun juristische Schritte. Der eine arbeitete als freier Journalist unter anderem  an einem Bericht für die "Vice". Der andere arbeitet für die "Leipziger Internet Zeitung". Beide wollen anonym bleiben. Der dritte Abgehörte ist ein Mitarbeiter der "Leipziger Volkszeitung". Auf Nachfrage bei Redaktionsleitung will man erst einmal kein Interview zum Thema gegen. Chefredakteur Emendörfer fordert von Zapp Belege für die Recherche. Ein zumindest ungewöhnliche Reaktion auf die Überwachung eines Kollegen, da Quellenschutz auch unter Journalisten gilt.

 

Der Verleger der Leipziger Zeitung, Robert Dobschütz, fürchtet einen Schaden für den Journalismus. "Wenn Menschen, wie im vorliegenden Fall in Sachsen offenkundig geschehen, vermuten müssen, dass heikle Informationen, aber auch Richtigstellungen oder Gerüchte, welche sie Journalisten mitteilen, zeitgleich bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Staatsschutz landen, werden sie es tendenziell unterlassen, mit der Presse zu sprechen. Vor allem dann, wenn sie Informationen über das Fehlverhalten von staatlichen Behörden weitergeben wollen oder sich im Rahmen von Recherchen zu Recht oder zu Unrecht selbst belasten könnten", so der Verleger.