Berliner Beamte stritten bei Castor-Transport mit Kollegen / Demonstranten gingen dazwischen / Prügel von Polizisten für Polizisten

Erstveröffentlicht: 
26.11.2005

Bei Demonstranten hat die Berliner Polizei keinen guten Ruf. Wenn die Beamten mit dem Bärchen im Wappen im Einsatz sind, sorgt das bei potenziellen Krawallmachern für Respekt. Das ist der Grund, weshalb die Berliner von anderen Bundesländern gerne angefordert werden. Auch beim jüngsten Castor-Transport im Wendland war die Truppe aus der Hauptstadt im Einsatz, um Atomkraftgegner von der Strecke zu drängen. Wie erst jetzt bekannt wurde, prügelten bei diesem Einsatz Anfang der Woche zwei Berliner Polizisten - allerdings waren ihre Opfer nicht Straßenblockierer, sondern niedersächsische Kollegen.

 

Demonstranten schlichteten den Streit.13 000 Polizisten aus mehreren Bundesländern schützten den Transport der Atommüllbehälter aus dem französischen La Hague nach Gorleben. Im Einsatz waren auch die 13., die 14. und die 24. Einsatzhundertschaft aus Berlin, ebenso die 1. Technische Einsatzeinheit und Hundeführer. Vor dem Ort Grippel hatten sich am Montag Atomkraftgegner an einen quergestellten Traktor gekettet. Davor blockierten Protestierer die Straße.Die 24. Hundertschaft aus Berlin rückte in mehreren Reihen vor und schob die Demonstranten vor sich her in Richtung Trecker. Die Menge staute sich, weil sie nicht an dem Fahrzeug vorbei kam. "Es wurde immer bedrohlicher", sagt Castor-Gegnerin Susanne Kamien von der Lüchower Bäuerlichen Notgemeinschaft. Zwei Konfliktmanager der niedersächsischen Polizei redeten deshalb auf die Berliner Kollegen ein. Die Beamten befürchteten, dass die am Traktor Angeketteten von der Menschenmenge erdrückt würden und stellten sich den Berlinern in den Weg. Sie waren deutlich durch orangefarbene Jacken mit der Aufschrift "Konfliktmanager" gekennzeichnet. "Plötzlich hatte einer von ihnen die Faust eines behelmten Polizisten im Gesicht", sagt Susanne Kamien. "Dieser packte seinen Berliner Kollegen daraufhin am Kragen und verlangte dessen Dienstnummer. Ein zweiter behelmter Polizist schlug ihm dann ins Gesicht." Da wurde der Konfliktmanager sauer und rempelte den Berliner Kollegen an, sagt Kamien. Das bestätigt auch der Dokumentarfilmer Max Rheinländer, der das Geschehen auf Video festhielt. Susanne Kamien sagt: "Ich und andere Leute sind dazwischen gegangen." Rheinländer versuchte den Konfliktmanager wegzuziehen. "Das war eine gefährliche Situation", sagt er. "Fast wären die am Traktor angeketteten Leute zertrampelt worden." Anschließend versuchten die Polizisten sich gegenseitig festzunehmen, berichten Zeugen.Der Konfliktmanager hat jetzt ein blaues Auge. Er erstattete Anzeige. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg ermittelt gegen die Berliner Beamten. "Wir versuchen zu ergründen, was passiert ist", sagt der Sprecher der Lüneburger Polizei, Torsten Oestmann.Die Berliner beschuldigen jedenfalls den Konfliktmanager: "Er hat unserem Kollegen zweimal ins Gesicht gehauen", sagt ein Beamter. "Die Antwort war dann eine gerade Rechte." Auch der Hundertschaftsführer habe sich von dem Konfliktmanager "fast eine eingefangen". Deshalb sei dem Kollegen aus Niedersachsen gesagt worden, dass er festgenommen sei. "Das alles ist beweissicher videografiert worden", heißt es bei der Berliner Polizei. Vielleicht ist das der Grund, weshalb die Niedersachsen "das Strafrechtliche gar nicht so hoch hängen" wollen, wie sie sagen. "Wichtiger ist für uns die zwischenmenschliche Komponente", so Sprecher Oestmann. "Vielleicht kriegen wir die Beteiligten dazu, sich wieder zu vertragen."------------------------------Gern gebuchtIn Berlin gibt es zehn Einsatzhundertschaften. Sie gehören zu den zwei Abteilungen der Bereitschaftspolizei. Fünf Hundertschaften und eine Technikeinheit sind in der Kruppstraße in Tiergarten stationiert. Die anderen fünf Einheiten plus Techniker sind an der Ruppiner Chaussee in Reinickendorf kaserniert untergebracht.Die Bereitschaftspolizei wurde seit 1992 aufgebaut. Sie wird zu besonderen Anlässen eingesetzt. Dazu gehört auch die Amtshilfe für andere Bundesländer. Berlins Truppen werden gern gebucht für die Sicherung von Castor-Transporten sowie Großdemonstrationen, von denen Gewalt ausgehen könnte. Sie gelten als besonders erfahren und schlagkräftig.Die 23. und die 24. sind die bekanntesten Einsatzhundertschaften Berlins. Sie sind speziell dafür ausgebildet, Randalierer schnell und beweissicher festzunehmen. Die Beamten arbeiten meist ohne Schlagstock, um beide Hände für einen schnellen Zugriff frei zu haben.