Beim Leipziger Überwachungsskandal wurde neben einem Rechtsanwalt und zwei Journalisten auch ein Fansozialarbeiter überwacht

Erstveröffentlicht: 
25.06.2017

25. Juni 2017 Ralf Julke Politik > Sachsen  Keine Kommentare Sogenannte Antifa-Sportgruppe Beim Leipziger Überwachungsskandal wurde neben einem Rechtsanwalt und zwei Journalisten auch ein Fansozialarbeiter überwacht

 

Das besondere an Skandalen heutzutage ist, dass sie niemanden mehr aufregen. Sie werden ausgesessen, abmoderiert und bleiben so folgenlos, dass der Bürger das Gefühl bekommen muss, die freundliche Aufweichung seiner Rechte sei etwas ganz Normales. So wie bei jener völlig missglückten Suche nach einer linken „kriminellen Vereinigung“, bei der so nebenbei auch ein Rechtsanwalt, zwei Journalisten und ein Sozialarbeiter ins Abhörnetz gerieten.

Justizminister Sebastian Gemkow versichert zwar, dass die Kommunikationsinhalte, die bei diesen Personen abgelauscht wurden und die „der besonderen Vertrauensstellung eines Berufsgeheimnisträgers zugeordnet“ werden konnten bzw. dem „Kernbereich der privaten Lebensgestaltung“, nicht gespeichert bzw. zeitnah gelöscht wurden.

Aber so richtig fehlt in seiner Antwort an die anfragende Landtagsabgeordnete der Linken, Juliane Nagel, das Eingeständnis, dass die Ermittler hier weit über das Ziel hinausgeschossen sind auf der Suche nach einer nicht existenten „kriminellen Vereinigung“.

Drei Jahre lang haben sie nach dieser Vereinigung gesucht, während andernorts tatsächlich existierende kriminelle Vereinigungen fröhlich zündelten und Anschläge verübten. Aber das waren dummerweise welche aus dem rechtsextremen Spektrum. Die hatte man so gar nicht auf dem Radar.

In den drei Jahren ermittelten die Polizeibehörden in Leipzig völlig erfolglos gegen die vermutete kriminelle Vereinigung in der linken Szene der Stadt Leipzig.

Besonders kritisch sieht Juliane Nagel, dass dabei auch ein Fansozialarbeiter im vollen Bewusstsein seiner sensiblen Tätigkeit in der sozialen Arbeit mit jungen Menschen überwacht wurde.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens gegen 14 Personen wurden insgesamt 52 Kommunikationsereignisse erfasst, die dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzuordnen sind. Im November 2016 war das Ermittlungsverfahren gegen 14 Personen aus Leipzig wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung ohne Ergebnisse eingestellt worden.

Danach trat die Dimension der Überwachungsmaßnahme zutage, wertet Nagel das, was so langsam an Informationen zu dieser Ermittlung ans Tageslicht kommt. Auch die Arbeit des Fansozialarbeiters war als Unterstützung krimineller Aktivität fehlgedeutet und überwacht worden. Insgesamt waren etwa 240 Personen von den Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen betroffen.

Dass da drei Jahre lang augenscheinlich mit sehr freizügiger Regelauslegung ins Dunkle ermittelt wurde, war auch schon mehrfach Inhalt von Anfragen des Grünen-Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann. Im Dezember 2016 stellten sich die staatlichen Behörden selbst ein Unschuldszeugnis aus.

„Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden und die Staatsanwaltschaft Dresden haben die Ermittlungen gegen die sogenannte Antifa-Sportgruppe in mehreren Gesprächen ausgewertet“, teilte Justizminister Sebastian Gemkow auf Lippmanns Anfrage hin mit. „Im Ergebnis waren keinerlei Dienstvergehen zu erkennen, weshalb dienstrechtliche Konsequenzen oder personelle Veränderungen nicht angezeigt waren. Konkrete Konsequenzen auch für künftige Ermittlungen waren nicht angezeigt.“

Was Juliane Nagel, die auch Sprecherin der Linksfraktion für Datenschutz ist, arg ins Grübeln bringt.

„Auch wenn die politischen Verantwortungsträger wohl gern Gras über die Sache wachsen lassen würden: Die Aufarbeitung dieser ausgeuferten Überwachungsmaßnahme steht weiterhin aus“, zieht sie ihren Schluss aus all den Puzzle-Stücken zu einer Überwachungsaktion, bei der drei Jahre lang ohne jeglichen überzeugenden Grund abgehört und ermittelt wurde. „Es darf nicht sein, dass Unschuldige über drei Jahre heftige Einschnitte in ihre Privatsphäre hinnehmen mussten und sich am Ende herausstellt, dass diese Eingriffe zu Unrecht getätigt wurden.“

Dann wird sie etwas polemisch: „Sächsische Behörden waren hier von einem Ermittlungseifer gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten getrieben, der rechtsstaatliche Grenzen vollkommen außer Acht ließ.“

Aber die Fakten sprechen in Sachsen für sich. Gegen alles, was sich links der CDU befindet, wird gern, oft und akribisch ermittelt. Die tatsächlich brandgefährlichen Vorgänge auf der rechten Seite hat man jahrelang übersehen und kleingeredet und den linken Parteien im Parlament eher Gespensterseherei unterstellt.

Und dass man auch gleich noch wichtige Präventionsarbeit gefährdet, wenn man Sozialarbeiter abhört, scheint die staatlichen Beschützer auch nicht zu stören.

Juliane Nagel: „So wurde auch ein Fansozialarbeiter ausgespäht, obwohl den Behörden bekannt war, dass er eine besonders geschützte Tätigkeit ausübt; auch ein Rechtsanwalt sowie Journalisten wurden überwacht. Auf Basis reiner Vermutungen wurden die Beschuldigten zu einer ‚kriminellen Bande‘ erklärt und ohne Rücksicht auf Verluste Einblicke in Privat- und Arbeitsleben genommen.“

Ihr Fazit: „Auch dieser Fall zeigt: Der Paragraph 129 StGB wird immer wieder als Schnüffelparagraph missbraucht – in Sachsen besonders dann, wenn das linke politische Spektrum ins Visier genommen wird.“

Die Anfrage von Juliane Nagel. Drs. 9719

Valentin Lippmanns Anfrage zu den Ermittlungen gegen die „Antifa-Sportgruppe“. Drs. 7113