In den Flügelkämpfen verortet sich der Zwickauer Kreisverband im gemäßigten Lager. Dabei gibt es sogar Kontakte in die Neonazi-Szene.
Von Michael Stellner
Zwickau. Frank Neufert ist stolzes Mitglied der fünfköpfigen AfD-Fraktion im Zwickauer Kreistag. Das ist ihm auf seinem Facebook-Profil sogar eine extra Erwähnung wert, in Klammern unter seinem Namen. Schwierigkeiten kriegt Neufert jetzt aber vom AfD-Kreisverband, weil er als Hintergrundbild eine Grafik gewählt hat, die den griechischen Buchstaben Lambda im Kreis zeigt - das Symbol der Identitären Bewegung (IB), die als rechtsextrem gilt und unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz steht. Es ist nicht der einzige Hinweis, dass Spitzenfunktionäre der Zwickauer AfD keine Berührungsängste zur Neonazi-Szene haben.
Dabei betont Kreischef Frank-Frieder Forberg beharrlich, der Zwickauer Kreisverband vertrete in der Partei die bürgerliche Mitte. Forberg empfängt Gäste im Zwickauer Rathaus, wo er als Fraktionsgeschäftsführer der AfD im Stadtrat ein eigenes Büro hat. Vom AfD-Rechtsausleger Björn Höcke und dem Dresdner Richter Jens Maier will sich der Kreisverband nach seinen Angaben stark abgrenzen. Dem Direktkandidaten Benjamin Przybylla soll aufgrund dessen Pegida-Nähe die Kandidatur entzogen werden. "Wenn 20Prozent dieser Leute die Partei verlassen würden, dann hätten wir Zulauf von doppelt so vielen Gemäßigten, die jetzt noch einen Bogen um die AfD machen", prophezeit Forberg. Extreme mag er nicht.
Ob er damit auch Leute wie Alexander Schwarz meint? Der 37-jährige Zwickauer ließ sich Anfang des Jahres in den AfD-Kreisvorstand wählen, obwohl er eine Vergangenheit als Rechtsrocker hat. Als Bassist der Neonazi-Band White Resistance (Weißer Widerstand) nahm er an Rechtsrock-Konzerten teil, auf die auch der Verfassungsschutz ein Auge geworfen hatte. 2006 liefen Ermittlungen gegen die Band, weil sie im Verdacht stand, die in Deutschland verbotene Neonazi-Organisa- tion "Blood and Honour" heimlich fortzuführen und dieselben Ideen sowie Ziele zu verfolgen.
Schwarz trat mit White Resistance am 9. Dezember 2006 in London bei einem geheimen "Blood and Honour"-Konzert auf. Bei der Rückreise nahmen ihm Beamte am Flugplatz Altenburg-Nobitz mehrere Gegenstände ab, darunter einen Zettel mit verziertem Hakenkreuz. Auf seinem Handy fanden sie Fotos von verschiedenen Neonazi-Konzerten. Bei einem Bandkollegen stellten sie eine Gürtelschnalle sicher mit der Aufschrift "Ian Stuart", dem Namen des "Blood and Honour"-Gründers Ian Stuart Donaldson.
Verkörpert Schwarz die bürgerliche Mitte, von der Forberg spricht? Der Musiker sagt Ja. "Ich selbst finde mich übrigens auf der Seite der Mehrheit unseres Kreisverbands wieder" und der sei basisdemokratisch bestimmt, teilt Schwarz in einer umfangreichen Stellungnahme an die "Freie Presse" mit. Darin räumt er auch ein, als Bassist in der Rechtsrock-Band White Resistance gespielt zu haben. Das stützt die These des in Ungnade gefallenen Kandidaten Przybylla, der seinerseits dem Kreisverband einen Rechtsruck vorwirft, auch wenn er Schwarz für einen Spion des Verfassungsschutzes hält. Schwarz weist das zurück und spricht von Rufschädigung. Für sein Auftreten in der Neonazi-Band beruft er sich auf künstlerische Freiheit. "Texte werden überspitzt, Stilmittel bewusst provokativ eingesetzt. Das ist in vielen Genres der Fall", erklärt Schwarz.
Also alles harmlos? Nein, finden die Rechtsextremismus-Experten vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB) aus Nürnberg. Sie haben nach dem Neonazi-Konzert "Live H8" 2013 im bayerischen Scheinfels Songtexte untersucht und kommen zu dem Schluss, dass die dort aufgetretene Band White Resistance mit nationalsozialistischen Versatzstücken arbeite. So gebe es Aufrufe zur Gewalt, wie im Songtext zu "Gerechte Bestrafung": "Unsere Stiefel sind geschnürt, unser Hass, der ist geschürt. Musst du auch nicht in den Knast, du wirst bezahlen, Päderast." In anderen Songs hetze die Band gegen Juden.
Damit aber nicht genug. Im asylfeindlichen Bürgerforum Zwickau, in dem sich Rechtsrocker Schwarz früher als Wortführer betätigte, wurde Ende 2015 ein Strategiepapier entworfen, wie man die AfD übernehmen könnte. "Wir infiltrieren die AfD und setzen unsere Leute an die richtigen Stellen", heißt es darin. Nur Sven Itzek, den damaligen Vorsitzenden, müsse man loswerden. "Er soll sich in den Dienst der Sache stellen und den Platz räumen", steht in dem Papier. Itzek ist inzwischen zurückgetreten.
Alexander Schwarz spielt die Bedeutung des Schriftstücks herunter. "Das Papier ist sehr emotional und überspitzt formuliert, weil es aufrütteln sollte", sagt er. Es habe sich im Bürgerforum nicht durchgesetzt. Der Kreischef und Itzek-Vertraute Forberg sieht darin auch keine Bedrohung. Itzeks Aus habe andere Gründe gehabt. Und die Rolle des AfD-Vorstandsmitglieds Schwarz als Rechtsrocker? Für Forberg kein Problem, solange "nichts strafrechtlich Relevantes passiert ist."
Anders verhält es sich beim Facebook-Auftritt von Kreisrat Neufert. Zur Identitären Bewegung gibt es einen Unvereinbarkeitsbeschluss des AfD-Bundesvorstands. Eine Zusammenarbeit ist ausgeschlossen. Neufert soll nun eine Abmahnung bekommen, kündigt Forberg an. Der Kreisrat selbst reagiert nicht auf Fragen der "Freien Presse". Stattdessen änderte er sein Hintergrundbild. Jetzt steht dort: "Gegen Ämter-Hybris" und "Das Mandat achten".