Von der Leyen muss Akten zum Fall Mundlos herausgeben

Erstveröffentlicht: 
02.06.2017

Erfolg für die WELT: Das Oberverwaltungsgericht in NRW entscheidet für die Informationsfreiheit. Das Verteidigungsministerium muss der Presse 5132 Seiten zum Fall des NSU-Terroristen Uwe Mundlos zur Verfügung stellen.

 

Der bislang schwerste Fall von Rechtsextremismus in der Bundeswehr ist nicht Franco A. – es war der Terrorist Uwe Mundlos (1973–2011). Das Mitglied der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), der zehn Morde zur Last gelegt werden, hatte sich während seines Wehrdienstes radikalisiert. Doch der Umgang damit ist kein Ruhmesblatt: Akten zum Fall Mundlos will das Verteidigungsministerium der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung stellen.

 

Das Zurückhalten brisanter Informationen ist allerdings nicht statthaft – das hat jetzt das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen in einem wegweisenden Urteil festgehalten. Die fünf Richter des 15. Senats wiesen das Ministerium an, insgesamt 5132 Seiten zum Komplex Mundlos herauszugeben. Gegen die Entscheidung kann noch Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.

 

Der Rechtsanwalt Christoph Partsch wertet das Urteil (Az.: 15 A 1578/15) als „Erfolg für die Pressefreiheit“. Er hatte im Auftrag des Verlags Axel Springer, in dem die WELT erscheint, gegen das Ministerium die Klage eingereicht. Zuvor hatte diese Redaktion vergeblich Einsicht in die Unterlagen verlangt und sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) berufen. Es soll allen Bürgern Zugang zu amtlichen Informationen gewähren. Die Auseinandersetzung zwischen der WELT und dem Ministerium ist bereits seit September 2012 anhängig, als der Ressortchef noch Thomas de Maizière (CDU) hieß. Doch unter seiner Führung wurden die begehrten Informationen ebenso zurückgehalten wie nun unter seiner Nachfolgerin Ursula von der Leyen (CDU).

 

Anwalt Partsch erklärt dazu: „Das mittlerweile fünf Jahre dauernde Verfahren zeigt, dass es dem beklagten Verteidigungsministerium nicht um Aufklärung oder Rechtsklärung geht, sondern darum, mit allen Mitteln das Verfahren zu verzögern und zu verkomplizieren.“ Das Ministerium missachte die Recherchefreiheit der Presse wie auch die Informationsfreiheit.

 

Ähnlich lautet der Tenor in dem 58 Seiten umfassenden Urteil. Dort wird dem Ministerium vorgehalten, es verhalte sich „in Teilen rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.“ Lediglich Unterlagen des Militärischen Abschirmdienstes und Disziplinarakten seien vom Geltungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes nicht erfasst. Ansonsten habe der Verlag der WELT als Klägerin zu Recht darauf verwiesen, „dass im Fall des bekennenden Neonazis und mutmaßlichen Mörders und NSU-Terroristen Uwe Mundlos ein erhebliches Aufklärungs- und Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht“. Dazu sei die unabhängige Presse dann „aber auf die entsprechende Informationsbasis angewiesen“. 

 

Soldat Mundlos wurden „gute Leistungen“ bescheinigt


Zu der Informationsbasis gehören aus Sicht des Gerichts auch Akten anderer Soldaten, die das Ministerium nach der Entdeckung des NSU zu dem Komplex zusammengetragen hatte. Denn aus diesem Material könne man möglicherweise auf rechtsextreme Einstellungen und Handlungen in der Bundeswehr schließen. Die bisherige Haltung des Ministeriums in dem Rechtsstreit wirkt besonders seltsam, weil Ressortchefin von der Leyen sich seit Wochen als Aufklärerin rechtsextremer Umtriebe in der Bundeswehr inszeniert. Auslöser war die Enttarnung von Franco A., der als Offizier im Verdacht steht, ein rechtsextremes Netzwerk in der Bundeswehr aufgebaut zu haben.

 

Erst Mitte Mai ließ die Verteidigungsministerin deshalb bundesweit Kasernen und Hochschulen der Bundeswehr durchsuchen. Gefahndet wurde dabei nach Devotionalien aus der NS-Zeit, insbesondere nach Stahlhelmen, Waffen und Bildnissen von Hitlers Wehrmacht. „Ich finde, die Bundeswehr muss nach innen und außen klar signalisieren, dass sie nicht in der Tradition der Wehrmacht steht“, begründete sie das.

 

Weitaus gravierender als der aktuelle Fall ist aber der von Mundlos. Obwohl der aus Jena stammende Professorensohn während seines Dienstes im Panzergrenadierbataillon 381 im thüringischen Bad Frankenhausen straffällig wurde, entfernten ihn seine Vorgesetzten nicht aus der Bundeswehr. Im Gegenteil, Mundlos wurde sogar zwei Mal befördert. Zum Abschied erhielt er im Mai 1995 ein Dienstzeugnis, in dem ihm „gute Leistungen“ bescheinigt wurden.

 

Vor diesem Hintergrund müssen sich die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium unbequeme Fragen gefallen lassen. Was wäre gewesen, wenn man Uwe Mundlos rechtzeitig und konsequent zur Verantwortung gezogen hätte? Aufschluss über die Versäumnisse des Verteidigungsministeriums können vermutlich die Akten geben, die bislang unter Verschluss gehalten werden. Das nährt den Verdacht, man habe etwas zu verbergen.