Warum ein Buch über den einen Freistaat beim anderen Freistaat Asyl erhält
Landesvertretungen sind eine Besonderheit des Föderalismus. Als eine Art Botschaft der Bundesländer in Berlin sind sie Schaufenster der kulturellen und politischen Vielfalt ihrer jeweiligen Region. So gesehen hätte sicher auch die Präsentation eines neuen Buches mit dem Titel "Unter Sachsen. Zwischen Wut und Willkommen" gut in die sächsische Landesvertretung gepasst. Rund 40 Autoren beschreiben in dem Band ihre Sicht auf den Freistaat, darunter Journalisten, der einstige CDU-Innenminister Heinz Eggert und Frank Richter, Ex-Direktor der Landeszentrale für politische Bildung. Tatsächlich fragte der Verlag vor geraumer Zeit bei den Sachsen in Berlin an, erhielt aber zur Antwort, es gebe weder freie Termine noch Interesse. In der Landesvertretung heißt es indes, der Verlag habe nur den 30. März vorgeschlagen, also just den Tag vor der Bundesratssitzung. Da fänden nie Veranstaltungen in der Landesvertretung statt.
Auch auf die Anfragen des Verlags bei mehreren namhaften sächsischen CDU-Politikern, das Buch vorzustellen, kamen nur Absagen. Neue Planungen wurden nötig. Schließlich fand sich eine Räumlichkeit, sogar in der Landesvertretung eines Freistaats, nämlich von Thüringen. Und statt eines Vertreters der CDU erklärte sich kurzerhand einer von der SPD bereit. Pikanterweise ist das Martin Dulig, Vize-Ministerpräsident von Sachsen. Die Nummer zwei der Staatsregierung hat offenbar weniger Probleme damit, ein Sachsen-Buch in Thüringen zu präsentieren, als die eigene Landesvertretung ins Gebet zu nehmen. Ob es daran liegen könnte, dass diese der CDU-geführten Staatskanzlei unterstellt ist?
Als Ko-Präsentatorin des Buches konnten Verlag und Herausgeber sogar eine weitere Sächsin gewinnen: Linken-Chefin Katja Kipping. Sie und Dulig werden nun also in der Berliner Repräsentanz des rot-rot-grün regierten Thüringen über Sachsen reden. Und die CDU darf allenfalls zuhören.