Im Terrorprozess gegen die rechte „Gruppe Freital“ gab es am Dienstag einen turbulenten Start. Die acht Angeklagten, von denen die meisten bisher als unbescholten galten, schwiegen jedoch. Die Vorwürfe gegen sie reichen bis zum versuchten Mord. Der Prozess wurde vorerst für eine Woche unterbrochen.
Dresden. In Sachsen hat erstmals ein Terrorprozess begonnen: Die "Gruppe Freital" steht seit Dienstag in Dresden vor Gericht. Die Bundesanwaltschaft wirft den sieben Männern und einer Frau (19 bis 39 Jahre) die Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. Im Zusammenhang mit fünf Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und politische Gegner in Freital und Dresden wird den mutmaßlichen Rechtsterroristen außerdem versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und das Herbeiführen von Sprengstoffexplosionen zur Last gelegt. Ursprünglich war für diesen Mittwoch bereits der nächste Termin vorgesehen. Wegen der Vielzahl an Anträgen unterbrach der Vorsitzende Richter Thomas Fresemann die Verhandlung jedoch für eine Woche.
Bundesanwalt Jörn Hauschild sprach vor dem Oberlandesgericht Dresden von "gemeingefährlichen Straftaten", die ein "Klima von Angst und Repression" erzeugen sollten. Dabei sei von den Angeklagten in Kauf genommen worden, "Menschen aus niedrigen Beweggründen heimtückisch zu töten" - nur, um ihre rechtsextremistische Gesinnung durchzusetzen. Zu Prozessbeginn verweigerten sieben der acht Angeklagten jegliche Auskunft und machten auch keine Angaben zu ihren Personalien.
"Wir sind bedroht und eingeschüchtert worden"
Am Rande des Prozesses äußert sich die Betroffene Steffi Brachtel gegenüber der Leipziger Volkszeitung: "Wir sind bedroht und eingeschüchtert worden", sagte sie. "Briefkästen wurden mehrfach gesprengt, wir sind tätlich angegriffen worden. Ja, die Angeklagten haben Freital terrorisiert", so Brachtel weiter. Ihr Ziel sei es, den Angeklagten ins Gesicht zu schauen - deshalb sei sie zum Prozess gekommen. "Ich stelle fest, dass die Vorwürfe an den meisten Angeklagten abprallen, nur der Jüngste, Justin S. (19) scheint wirklich über das nachzudenken, was er getan hat", schildert sie ihre Beobachtungen. Der Prozess sei richtig und wichtig. Es müsse ein Zeichen gesetzt werden, dass man nicht alles machen kann. Die Angeklagten hätten den Tod von Menschen in Kauf genommen, ganz bewusst. "Das muss Konsequenzen haben", sagt sie.
In der "Gruppe Freital" soll es zwei Rädelsführer gegeben haben. Timo S. (27), ein aus Hamburg stammender Busfahrer und bekannter Neonazi, war laut Anklage der "Ideen- und Impulsgeber". Patrick F. (25) fungierte als Technikspezialist, bei ihm wurden auch die meisten Bomben-Bauteile durch die Polizei gefunden. Zum Einsatz kamen unter anderem in Tschechien gekaufte und in Deutschland verbotene Böller (unter anderem SuperCobra 6 und 12), von denen einige die 130-fache Sprengkraft der hier zulässigen Pyrotechnik besaßen. In der Gruppe, die aus der Bürgerwehr FTL360 entstanden sein soll, habe es eine "Eigendynamik" gegeben, so Bundesanwalt Hauschild: Die Angeklagten waren wechselnd an den Angriffen beteiligt, so dass jeder von ihnen "Drecksarbeit" zu verrichten hatte. Daneben werden gegen weitere mutmaßliche Täter separate Ermittlungen beziehungsweise Verhandlungen geführt.
Aufregung nach Sprengstoffwarnung
Der Prozess in Dresden findet unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen in einem speziell umgebauten Gerichtssaal statt. Schon vor Beginn der Verhandlung war die Aufregung im Gericht groß, denn zwei Suchhunde der Polizei reagierten im Toilettenbereich. Die Beamten befürchteten versteckten Sprengstoff zumal auch im Gerichtssaal ein „merkwürdiger Geruch“ wahrgenommen wurde. Kurze Zeit später dann aber Entwarnung: Die Suchhunde hätten offensichtlich am Dienstagmorgen auf ein Pflegemittel für Gummi angeschlagen, sagte ein Polizeisprecher. Wegen des Sprengstoffverdachts hatte sich der Einlass zum ersten Terrorprozess der sächsischen Justiz verzögert.
Zu Prozessbeginn waren auch einige der 25 Opfer, die als Nebenkläger auftreten, gekommen. Die Anwältin Kristin Pietrzyk, die einen angegriffenen Syrer vertritt, sprach von "national befreiten Zonen", die durch die "Gruppe Freital" geschaffen werden sollten und bezeichnete die auch versuchten Mord umfassende Anklage als stringent. Ähnlich äußerte sich die Rechtsextremismus-Expertin der sächsischen Linksfraktion, Kerstin Köditz: "Ich erwarte eine Aufarbeitung der äußerst gewalttätigen Phase, in die der Neonazismus in den vergangenen beiden Jahren in Sachsen eingetreten und die bis heute nicht ausgestanden ist." Die „Gruppe Freital“ sei ein Hauptprotagonist dieser Entwicklung, so Köditz – "aber längst nicht der einzige". Dagegen sprach der Verteidiger von Maria K. (28), Endrik Wilhelm, von einem "Ausnahmegericht" und einem "Tribunal". Ziel sei, kritisierte der Rechtsanwalt, dass "in Sachsen ein Exempel statuiert wird".
Der Prozess ist bislang auf 60 Tage bis Ende September anberaumt und wird nächsten Dienstag fortgesetzt.