Wirtschaft in Ostdeutschland spürt Folgen von Fremdenhass

Erstveröffentlicht: 
23.02.2017

Arbeitsuchende lehnen im Osten potenzielle Jobangebote ab, weil sie das fremdenfeindliche Image abschreckt. Für die Wirtschaft im Osten könnte das Folgen haben.

 

Wirkt sich der zunehmende Fremdenhass im Osten negativ auf die Wirtschaft aus? Einige Anzeichen gibt es dafür offenbar. "Aktuell sind uns einige Einzelbeispiele bekannt, bei denen Arbeitsplatzangebote in Sachsen mit Verweis auf das politische Umfeld ausgeschlagen wurden", sagte der Vorstandssprecher des Vereins Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen, Andreas von Bismarck, dem "Handelsblatt".

 

Da viele potenzielle Interessenten bei einer Absage nicht offen sagten, dass diese auch maßgeblich durch das fremdenfeindliche Image begründet ist, sei die Dunkelziffer noch "deutlich größer", sagte von Bismarck.

 

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte vor der Fremdenfeindlichkeit im Osten. Dort mangele es an Vielfalt und an Toleranz, um gut qualifizierte, motivierte und junge Menschen anzuziehen und ihnen eine gute Zukunft zu bieten.

 

Diese Regionen müssten sich öffnen und "eine Willkommenskultur auch zu Menschen mit einer anderen Hautfarbe, einer anderen Religion und anderen Lebenskonzepten entwickeln". Sonst werde Ostdeutschland "wirtschaftlich noch weiter abgehängt und den Exodus der jungen Menschen nicht stoppen können".

Der stellvertretende Leiter der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts, Joachim Ragnitz, mahnte allerdings, es sei "sehr vereinfacht", die Schwierigkeiten abgelegener ländlicher Regionen in Ostdeutschland bei der Suche nach ausländischen Arbeitskräften "allein oder auch nur primär" auf Fremdenfeindlichkeit zurückzuführen. Wenn Ausländer nicht dorthin wollten, habe das eher mit einem Mangel an Arbeitsplätzen - insbesondere auch für Familienangehörige - oder allgemein mit ungünstigen Lebensbedingungen zu tun.

 

Auch Zuwanderer aus anderen Regionen Deutschlands wollten deshalb nicht unbedingt in solche Regionen, sagte Ragnitz. Es sei daher Aufgabe der regionalen Akteure, die Attraktivität dieser Regionen für Zuwanderer aus Deutschland oder aus dem Ausland zu erhöhen.

 

Die Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), lässt das Ausmaß von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland wissenschaftlich untersuchen. Bedroht sei nicht nur der soziale Frieden, sondern auch der Wirtschaftsstandort: "Es ist ein Irrsinn, dass Positionen in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und im kulturellen Bereich nicht besetzt werden können, weil die Wunschkandidaten nicht nach Ostdeutschland ziehen wollen", sagte Gleicke dem "Handelsblatt".

 

Dies müsse so deutlich gesagt werden, weil moralische Appelle bei manchen Leuten offenbar nichts bringen würden. "Denen muss man klar machen: Die Rechtsextremisten und Ausländerhasser versauen nicht nur unseren Ruf. Die sägen auch an dem Ast, auf dem wir alle sitzen."