Der Fahrer von Manuela Schwesigs Staatssekretär ist durch fremdenfeindliche Sprüche aufgefallen. Doch nach Informationen des SPIEGEL entschied ein Gericht: Das Familienministerium darf den Mann nicht feuern.
Von Sven Becker und Wolf Wiedmann-Schmidt
Wenn es um den Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit geht, steht Manuela Schwesig an vorderster Front. Vor einigen Monaten präsentierte die Familienministerin eine neue Kampagne gegen Diskriminierung. Sie strahlte in die Kamera, in der Hand ein rotes Herz mit der Aufschrift "No Hate". Kein Hass. "Wir müssen klare Kante zeigen", lautet das Mantra der SPD-Politikerin. (Diese Meldung stammt aus dem SPIEGEL. Den neuen SPIEGEL finden Sie hier.)
Doch nun muss Schwesig ausgerechnet im eigenen Ministerium erfahren, wie schwierig klare Kante im Arbeitsalltag sein kann. Es geht um einen Fahrer ihres Hauses, der durch fremdenfeindliche Sprüche aufgefallen ist. Doch Schwesig wird den Mann nicht los. Ein Gericht kassierte nach Informationen des SPIEGEL seine fristlose Kündigung und verfügte, dass das Familienministerium den 55-Jährigen weiterbeschäftigen muss.
Der Mann ist als "Chefkraftfahrer" angestellt, Einkommen 4299 Euro brutto. Er ist der persönliche Fahrer von Schwesigs Staatssekretär Ralf Kleindiek und kutschiert den Spitzenbeamten mit SPD-Parteibuch in einer schwarzen BMW-Limousine von Termin zu Termin.
Mitte April des vergangenen Jahres saß der Chauffeur mit Kollegen im Aufenthaltsraum BE 03 des Familienministeriums in der Nähe des Berliner Gendarmenmarkts. Eine Fahrerin mit bulgarischen Wurzeln suchte jemanden, der während ihrer Urlaubszeit einspringen kann. Der Mann und die Frau gerieten aneinander, es kam zum Wortgefecht, am Ende sagte er ihr: "Ich hasse Ausländer."
In einem Gespräch über die Flüchtlingskrise soll er in jenen Tagen vor Kollegen noch einen weiteren Satz fallen gelassen haben: "Die Arbeitslager stehen doch noch, nur die Gasanlagen müssen wieder in Betrieb genommen werden."
Als die Ministeriumsspitze von den Äußerungen erfuhr, entließ Schwesigs Haus den Fahrer am 3. Mai fristlos, mit dem Segen des Personalrats. Doch der Chauffeur klagte gegen seinen Rauswurf, und so landete der Fall vor dem Berliner Arbeitsgericht. Und das entschied vor wenigen Wochen: Die Kündigung ist unwirksam.
Dabei hatte der Mann sogar zugegeben, im Streit mit der bulgarischstämmigen Kollegin den Satz "Ich hasse Ausländer" gesagt zu haben. Inzwischen bedauere er die Aussage aber. Auch den Satz mit den Konzentrationslagern, die man wieder in Betrieb nehmen sollte, habe er so ähnlich gesagt. Allerdings sei das nicht seine Meinung gewesen, behauptete der Fahrer; er habe nur ein Gespräch von Rechtsradikalen in einer Kneipe wiedergegeben, das er nach einem Fußballspiel belauscht habe.
Das Familienministerium hielt das für eine Ausrede. Den Mann weiterzubeschäftigen, sei "insbesondere deswegen nicht zumutbar, weil das Ministerium als Ressort zuständig ist für Vielfalt, Integration und Prävention gegen Ausländerfeindlichkeit", argumentierten Schwesigs Leute. Mehr als 100 Millionen Euro gibt das Ministerium jährlich für entsprechende Programme aus.
Doch das Berliner Arbeitsgericht kam zu einem anderen Ergebnis. "Ich hasse Ausländer" sei in diesem Fall keine Beleidigung gewesen, sondern lediglich eine "unqualifizierte Art", eine Kollegin abzuwimmeln. Und die Gasanlagenäußerung? So sie zutreffe, so das Gericht, sei sie zwar "als Verharmlosung des Massenmords in der NS-Zeit zu verurteilen". Da der Satz aber nicht öffentlich fiel, sei er weder volksverhetzend noch beschädige er das Ansehen des Ministeriums. Eine Abmahnung hätte ausgereicht, befanden die Richter, auch weil er sich davor nichts zu Schulden habe kommen lassen. Weder der Rechtsanwalt des Chauffeurs noch das Familienministerium wollten sich auf Anfrage zu der Sache äußern.
Die Auseinandersetzung geht nun in die nächste Runde, Anfang dieser Woche hat das Ministerium Berufung eingelegt. In der Zwischenzeit darf der Mann in seinem alten Job weiterarbeiten. Seit Kurzem fährt er wieder Schwesigs Staatssekretär durch Berlin.