Der Klett-Verlag spricht von einem "bedauerlichen Vorfall".
Wer hat wirklich Schuld an der Eurokrise? Wenn man der Illustration in einem deutschen Lehrbuch für Politik glaubt, dann gibt es einen klaren Übeltäter: die Rothschild-Bank. Die steht nämlich hinter der riesigen Euro-Münze mit dem gefräßigen Maul, die droht, die gesamte EU zu verschlingen. Die Botschaft an die Schüler, die das Lehrbuch Anstöße 2 vom Klett-Verlag sehen, ist eindeutig: Treibende Kraft in dem ganzen Übel ist eine Bank. Eine jüdische Bank.
Eine solche Zeichnung hätte in einem deutschen Schulbuch des 21. Jahrhundert niemals auftauchen dürfen. Denn die Vorstellung, dass die jüdische Bankiersfamilie der Rothschilds im Verborgenen die Geschicke der Welt (zum Nachtteil der Mehrheit) beeinflusst, ist eine klassische antisemitische Verschwörungstheorie, die sich schon die Nazis zunutze gemacht haben. Die Mär der jüdischen Weltverschwörung lässt grüßen – jetzt auch von den Seiten des Klett-Verlags, eines, nach eigenen Angaben, "führenden Bildungsmedienherstellers" des Landes .
Laut Bildverzeichnis hinten im Buch stammt die Illustration von dem amerikanischen Künstler David Dees. Dees hat sich auf die Bebilderung von kruden Verschwörungstheorien spezialisiert. Auf seiner Website: Hillary Clinton als Kinder-Prostitutions-Patin, Impfen als brutale Staatskontrolle, die Anti-Trump-Proteste als perfide Inszenierung des jüdischen Unternehmers George Soros. Und natürlich wimmelt es überall von David-Sternen; der israelische Premier Netanjahu taucht auch mal auf, als Hintermann der Terrormiliz Islamischer Staat. Auf einem Cover verherrlicht der Zeichner sogar den verurteilten Holocaust-Leugner Ernst Zündel. Die Weltsicht, die David Dees in seinen Zeichnungen verbreiten will, strotzt nur so vor Antisemitismus.
Wie landet so etwas in den Seiten eines deutschen Schulbuchs? Auf Nachfrage von VICE reagierte der Klett-Verlag überrascht – offenbar hatte man keine Ahnung, was man da verbreitet. "Nach Rücksprache im Haus möchten wir Ihnen mitteilen, dass es sich bei dem Abdruck der genannten Karikatur tatsächlich um einen bedauerlichen Fehler handelt", schreibt der Verlag in einer E-Mail. Und: "Im Nachdruck werden wir die Karikatur selbstverständlich austauschen und unter dem Online-Link dieses Kapitels eine korrigierte Version der Seite so schnell wie möglich einstellen."
Aber wie konnte es überhaupt dazu kommen? Für den Inhalt verantwortlich sei damals eine externe Redaktion gewesen, aber man könne sich nicht mehr erinnern, wer das war. Trotzdem: "Mit der damals zuständigen, externen Redaktion arbeiten wir nicht mehr zusammen." Na, dann ist ja alles super.
Bis auf die Bücher, die jetzt noch mit der Illustration im Umlauf sind. Wie viele das eigentlich sind, will der Verlag auch nicht sagen – nur, dass Anstöße 2 schon seit 2012 an mehrere Bundesländer ausgeliefert wurde. Jetzt irgendetwas zu unternehmen, vielleicht die betroffenen Schulen zu informieren, kommt Klett offenbar nicht so wichtig vor. Das ist zumindest der Eindruck, den eine Sprecherin am Telefon vermittelt. Bis Neudrucke geplant sind, erklärt sie, könnten schließlich noch Jahre vergehen.
Und das war's offenbar. Im Moment sind also noch Tausende Schulbücher mit der antisemitischen Zeichnung eines Verschwörungstheoretikers an deutschen Schulen im Umlauf. Auf seiner Website schreibt Klett, das Buch solle "durch anschauliche Materialien" bei den Schülerinnen und Schülern "sukzessive ein Problembewusstsein auch für komplexe Themen wie etwa Globalisierung und Ökologie" wecken.
Eigentlich sollen Schulbücher dazu beitragen, dass Schüler Medienkompetenz erlernen. In Zeiten von rechter Propaganda im Netz sollte diese Fähigkeit wichtiger denn je sein.