In einem Berufungsprozess am Landgericht Leipzig sind zwei Teilnehmer einer Legida-Demonstration wegen Nötigung zu Geldstrafen verurteilt worden. Sie hatten nach Ansicht der Richter am 30. Januar 2015 zwei Gegendemonstranten auf dem Leipziger Augustusplatz eine Antifa-Fahne entrissen. Einer der Verurteilten bezeichnet sich selbst als Rassist und gilt als wichtiger Akteur in der Thüringer Neonaziszene.
Als sich die völkische Legida-Bewegung am 30. Januar 2015 zum dritten Mal versammelte – wie in der Vorwoche erneut auf dem Augustusplatz –, waren wie gewohnt mehrere Tausend Gegendemonstranten auf den Straßen. Darunter befanden sich unter anderem die beiden Studenten Jonas S. und Oliver M., die auf einer Treppe an der Oper mit einer Antifa-Fahne und „Nie wieder Deutschland“-Rufen die Legida-Teilnehmer provozieren wollten.
Bereits nach wenigen Sekunden wurden sie von hinten angegriffen. Die beiden Legida-Sympathisanten Robert K. und Martin B. waren deshalb im vergangenen Mai am Leipziger Amtsgericht zu Geldstrafen verurteilt worden. K. sollte 1.200 Euro zahlen, B. 4.800 Euro. Sowohl die Verurteilten als auch die Staatsanwaltschaft legten dagegen Rechtsmittel ein.
Im Berufungsprozess am Landgericht schilderte das Opfer Jonas S. erneut den Vorfall, konnte sich aber weder an Details noch an die Gesichter der Angreifer erinnern. „Von hinten kamen zwei stämmige Männer, die uns die Fahne entrissen haben“, erzählt der 20-Jährige. „Einer stieß sein Knie in Richtung meines Bauches. Ich dachte, die wollten uns verprügeln. Deshalb bin ich weggerannt.“
Die Strategie der Strafverteidiger zielte darauf ab, die beiden Geschädigten als die eigentlichen Täter darzustellen. Diese hätten sich unangemeldet versammelt und versucht, die Legida-Kundgebung zu stören. Richterin Karen Aust belehrte die Beiden deshalb, dass sie die Aussagen verweigern dürften, wenn sie sich damit selbst belasten würden. Beim zweiten Geschädigten hatte diese Strategie Erfolg: Er wollte nicht einmal angeben, ob er sich an jenem Tag auf dem Augustusplatz aufhielt. Ein Polizeibeamter bestätigte zumindest, dass die Aggressionen von den beiden mehrfach wegen Körperverletzung vorbestraften Angeklagten ausgingen – mit Einzelheiten konnte aber auch er nicht dienen.
Richterin Aust sah es daher lediglich als erwiesen an, dass die Beiden den Geschädigten die Antifa-Fahne entrissen haben. Sie verurteilte Robert K. zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.400 Euro und Martin B. zu einer Geldstrafe von 2.000 Euro, zu der noch 200 Euro aus einem anderen Verfahren hinzukommen. Die Staatsanwaltschaft hatte – wie schon in der ersten Instanz – Freiheitsstrafen gefordert, für Robert K. sogar ohne Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Am Rande des Prozesses …
Robert K. gilt als wichtiger Akteur in der Thüringer Naziszene. Der selbsternannte Rassist – so sein Bekenntnis auf einer Kundgebung am Tag nach dem erstinstanzlichen Urteil des Leipziger Amtsgerichts – bezeichnet sich als Sprecher des Thügida-Ablegers „Wir lieben Ostthüringen“. Von ihm angemeldete oder unterstützte Demonstrationen finden auffallend häufig an für Neonazis symbolträchtigen Jahrestagen statt, etwa am Hitler-Geburtstag, dem Todestag seines Stellvertreters Rudolf Heß oder am Tag der Reichspogromnacht.
Er selbst hat auf seinem Facebookprofil einschlägige Seiten wie „Blood and Honour“ und „Todesstrafe für Kinderschänder“ mit „Gefällt mir“ markiert, verteilt Flyer für die rechtsextreme Splitterpartei „Der III. Weg“ und posiert im T-Shirt mit der Aufschrift „nWo – Nazi World Order“ für die Kamera. Laut der Website „Thüringen Rechtsaußen“ nahm K. im Sommer 2015 – gemeinsam mit Martin B. – an einer Veranstaltung der Holocaustleugner-Organisation „Europäische Aktion“ teil.
Der 29-Jährige tritt regelmäßig als Redner bei Thügida und dessen Ablegern in Erscheinung. Dabei teilt er sich häufig die Bühne mit Mitgliedern der Neonaziparteien NPD und „Die Rechte“ sowie anderer rechtsradikaler Organisationen. Laut eigener Aussage demonstriert K. für „Familie, Volk und Vaterland“ sowie ein „von den Linken und der systemverseuchten Politik“ zu befreiendes „Großdeutschland“. Geflüchtete Mitmenschen bezeichnet er als „unzivilisiertes Pack“. Die Wurzel allen Übels sieht er unter anderem in Israel und den USA. Letztere verfolgten seiner Ansicht nach einen „Globalisierungsplan“, zu dem der „große Flüchtlingsstrom“ gehöre.
Laut der antirassistischen „Mobilen Beratung in Thüringen“ zeigten Teilnehmer auf mehreren seiner Demonstrationen den Hitlergruß. Er selbst rief im vergangenen Mai öffentlich zum militanten Widerstand gegen „Volkstod“ und „Überfremdung“ auf.
Einer auf der Thügida-Homepage veröffentlichten Satzung ist zu entnehmen, dass Robert K. Gründungsmitglied des vor einigen Monaten ins Leben gerufenen Vereins „Thügida & Wir lieben Sachsen“ ist – gemeinsam mit mehreren NPD-Mitgliedern und Alexander Kurth, dem sächsischen Landesvorsitzenden der Partei „Die Rechte“. Bereits vor der Vereinsgründung unterstützte das Bündnis unter anderem die Neonazi-Demonstration am 12. Dezember 2015 in der Leipziger Südvorstadt und organisierte eine „Unterstützerdemo“ für Legida am 4. April 2016.