„Leipziger Montagsforum“ vom Netz: Aus den Augen, aus dem Sinn?

Erstveröffentlicht: 
10.01.2017

Das „Leipziger Montagsforum“ ist nur einen Tag, nachdem die Polizei Ermittlungen gegen die Betreiber eingeleitet hat, wieder Geschichte. Oder doch nicht? Seit Dienstag ist das Webportal, auf dem Neonazis unter anderem eine Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff und die Namen zehntausender politischer Gegner veröffentlicht hatten, jedenfalls nicht mehr erreichbar.


Ruft man die bekannte Domain auf, wird man auf den Twitter-Account des sächsischen Grünen-Vorstandsprechers Jürgen Kasek weitergeleitet. Der Leipziger Rechtsanwalt wird im Freistaat seit Jahren so massiv wie kein zweiter Politiker von Neonazis angefeindet. Selbstredend befanden sich auch Fotos des Juristen auf dem Server des „Montagsforums“. Des Weiteren ersetzten die Betreiber die Hetzschriften auf dem Server durch Aufnahmeanträge und Parteiprogramme der Grünen und Linken.

Ein Grund zum Aufatmen ist die überraschende Wendung keineswegs. Wenn ihnen in der virtuellen Welt Widerstände entgegenschlugen, wanderten die Betreiber in der Vergangenheit mit ihrem Forum kurzerhand zum nächsten Freehoster. In diesem Fall setzten sie erst einmal nur eine Weiterleitung. Darüber hinaus sind Teile der Daten auch an anderen Orten im Netz abrufbar.

Erste Spuren aufgrund der Fotos

Fraglich ist, ob sich die Betreiber mit dieser Taktik auf Dauer den Strafverfolgungsbehörden entziehen können? Ein Mann, dessen Fotos, welche er von einem L-IZ-Journalisten erstellt hat und die auf dem Server veröffentlicht worden sind, konnte jedenfalls durch die L-IZ-Redaktion bereits identifiziert werden.

Aufgrund der in den Fotos enthaltenen Metadaten ist nunmehr das genaue Datum und die Uhrzeit der Erstellung bekannt: pikanterweise schoß der schätzungsweise 45-jährige Hobbyknipser die Bilder mit einer kleinen Digitalkamera aus einer AfD-Demonstration im Jahr 2015 heraus.

Nach Sichtung von Bildern dieses Tages und der sekundengenauen Uhrzeit fand sich nach Abgleich der Zeiten dann der Bildersteller fotografierend auf einem Foto wieder. Dieses und weitere liegen der Redaktion vor. Was die Person mit dem Forum zu tun hat, ist noch offen und in der Folge wohl eher Sache der Verfolgungsbehörden. Diese ermitteln seit Montag, 9. Januar, bereits gegen die Betreiber des „Leipziger Montagsforum“, das Operative Abwehrzentrum (OAZ) ist bereits eingeschaltet.

Datensatz mit rund 24.500 Einträgen offenbar kalter Kaffee

Wie bereits berichtet, scheint es sich tatsächlich bei der auf dem Server abgelegten Namens- und Adressenliste um eine Kopie eines bereits vor rund zwei Jahren gehakten Internetshops namens „Impact Mailorder“ zu handeln. Erstmals taucht die Liste im September 2016 auf einer in Russland gemeldeten rechtsradikalen Anonymous-Seite auf, welche mit dem mittlerweile angeblich flüchtigen, mutmaßlichen Waffenhändler und Betreiber einer Anonymous-Facebookseite Mario Rönsch in Verbindung stehen soll.

Rönsch war bekannt geworden, als er im Umfeld der Montagsmahnwachen im thüringischen Erfurt auftauchte. Laut Medienberichten soll Rönsch auch mit der Shopseite „Migrantenschreck“ in Verbindung stehen, welche teils in Deutschland nicht zugelassene Waffen vorgeblich von Ungarn aus verkauft.

Der alternative Punkversandes „Impact Mailorder“ hatte bereits im September letzten Jahres nach einer eigenen Prüfung eingeräumt, dass die Daten, welche so also vor der Einstellung in das „Leipziger Montagsforum“ schon einmal im Netz veröffentlicht worden waren, maßgeblich aus ihren gestohlenen Kundendaten stammen. Was auch teils angegebene Telefonnummern und E-Mail-Adressen auf der Liste erklärt, welche nun auch im internen Leipziger Forum aufgetaucht ist. Die Kunden des Versandes wurden demnach bereits vor längerer Zeit informiert.

Seitdem scheint die Liste der Shopkunden in Verschwörungskreisen als „Antifa-Liste“ zu gelten, es kam sogar schon zu Androhungen von sogenannten „Hausbesuchen“. Eine Einordnung der Daten, welche schon aufgrund der Grundlage falsch sein dürfte. Vielmehr berichtete der Journalist Felix M. Steiner auf dem „Störungsmelder der „Zeit“, es seien sogar noch Adressdaten hinzugefügt worden, welche auf Vertreter der rechtsextremen Szene verweisen.

Zum Beitrag auf dem „Störungsmelder“ der Zeit-Online.