Schon 2012 gab es bei der rechten Hooligan-Gruppierung „Faust des Ostens“ aus Dresden eine Razzia. Doch weil Sachsens Justiz unter Personalmangel leidet, gab es bislang weder Prozess noch Urteil. Unterdessen waren Mitglieder der Gruppe beim Angriff auf Connewitz im Januar 2016 beteiligt und sind in andere Gewalttaten verstrickt.
Dresden. Sie gelten als gefährliche Schläger mit rechtem Hintergrund und werden seit Langem als kriminelle Vereinigung eingestuft: Dresdner Hooligans, die sich als „Faust des Ostens“ verstehen. Schon 2012 erfolgte eine groß angelegte Razzia gegen das Netzwerk, ein Jahr darauf erhob die Staatsanwaltschaft Dresden Anklage gegen fünf mutmaßliche Anführer – seither ist allerdings nicht viel passiert. Bis heute gibt es weder einen Prozess, noch ein Urteil. Die Folge ist: Die Hooligans können weiterhin wüten, nachweislich war ein Teil der Gruppe beim Angriff auf den Leipziger Stadtteil Connewitz und beim Überfall auf einen Migranten beim Dresdner Stadtfest im vergangenen Jahr beteiligt. Das ergaben die Antworten von Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) auf Kleine Anfragen des Grünen-Innenexperten Valentin Lippmann.
„Es nutzt nichts, wenn sich das Operative Abwehrzentrum einer hohen Aufklärungsquote rühmt, es aber zu keiner Verurteilung der Täter kommt. Dass eine zügige Verhandlung über die rechtsextremistische Hooligangruppierung ’Faust des Ostens’ dringend erforderlich ist, zeigen die vielen weiteren Straftaten“, macht Lippmann gegenüber der LVZ klar. Er frage sich, so der Grünen-Politiker, wo der von Ministerpräsident Stanislav Tillich (CDU) nach der Belagerung des Flüchtlingsbusses in Clausnitz (Landkreis Mittelsachsen) vor fast einem Jahr beschworene starke Staat bleibe. Seine Forderung lautet deshalb: „Die Verfolgung rechtsextremer Straftaten und Gewalttaten von Hooligans durch Polizei und Justiz muss effektiver werden.“
Die Zahlen des Justizministeriums sprechen dabei für sich. Allein gegen die fünf in Dresden angeklagten Hooligans wurden seit 2013 zwölf neue Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dabei geht es unter anderem um gefährliche Körperverletzung, Beleidigung von Polizisten, Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie Hausfriedensbruch, da sich gegen das vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) verhängte Stadionverbot für Dynamo Dresden widersetzt wurde. Die Liste der Straftaten und Verurteilungen ist bereits lang und umfasst Diebstahl, Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung und Raub. Auch die zwölf weiteren, nicht mit den mutmaßlichen Anführern angeklagten Mitglieder der “Faust des Ostens“ sind seit 2013 fortlaufend straffällig geworden: Allein in den vergangenen beiden Jahren wurden 24 Verfahren eröffnet. „Das Signal, das von diesen langen Verfahrensdauern an die rechte Hooliganszene ausgeht, ist fatal. Es lautet kurz gesagt: Ihr könnt agieren wie ihr wollt, es hat keine Folgen“, kritisiert Lippmann, „gerade in diesen Zeiten ist jedoch ein konsequentes Vorgehen von Polizei und Justiz gegen solche rechten Mehrfachintensivstraftäter erforderlich.“
Im sächsischen Justizministerium – wie auch im Innenministerium von Ressortchef Markus Ulbig (CDU) – werden solch lange Verfahren ebenso als Problem gesehen. „Allen muss klar sein: Auf eine Straftat muss schnell eine Verurteilung folgen“, fordert Gemkow. Allerdings muss der Minister im konkreten Hooligan-Fall auch eingestehen: „Wann über die Eröffnung des Hauptverfahrens (an der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden – Anm. d. Red.) entschieden wird, unterliegt der richterlichen Unabhängigkeit.“ Doch es nicht allein die Unabhängigkeit scheint der Grund für das schleppende Verfahren zu sein. Vielmehr spiegelt die „Faust des Ostens“ ganz offensichtlich ein Grundproblem der sächsischen Justiz wider: Der Personalmangel ist eklatant.
Das sei im Wesentlichen der zunehmenden Kriminalität geschuldet, macht Gemkow klar. „2009, als der Beschluss zum Stellenabbau gefasst wurde, war man davon ausgegangen, dass mit der zurückgehenden Bevölkerung auch die Kriminalität sinkt. Doch das ist nicht der Fall – die Realität ist, dass die Kriminalität gestiegen ist und die Verfahren deutlich zugenommen haben.“ So haben die Ermittlungsverfahren innerhalb von sieben Jahren um mehr als ein Fünftel zugenommen. Aufgrund dieses Anstiegs und der Personalnot bleiben immer mehr Fälle liegen. Die aktuell 375 Staatsanwälte in Sachsen haben im vergangenen Jahr 234 000 Verfahren gegen bekannte und 174 000 gegen unbekannte Täter bearbeiten müssen. „Das ist eine unglaublich hohe Zahl“, stellt der Justizminister fest. Deshalb hat der Freistaat zuletzt umgesteuert und die großflächig geplanten Stellenstreichungen gestoppt: Bis 2020 bleiben damit 370 der ursprünglich zu streichenden 444 Stellen erhalten. Erste Maßnahmen seien schon im Jahr 2014 eingeleitet worden, erklärt Gemkow, der von „große Herausforderungen“ spricht. Im alten Doppelhaushalt waren 56 zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen worden, im neuen Etat für 2017/2018 sind weitere 64 vorgesehen.
Der Kurswechsel erfolgte aber offenbar zu spät. Hinzu kommt ein weiteres Problem, das sich in naher Zukunft zu einer entscheidenden Schwächung des Justizapparates auswachsen könnte: Die Überalterung. Von den derzeit 1002 Juristen beenden in den nächsten 15 Jahren fast drei Viertel ihren Dienst, ergaben Antworten des Justizministeriums auf Anfragen des Linkenabgeordneten André Schollbach aus Dresden. Bereits jetzt seien Teile der Justiz an der Belastungsgrenze angelangt, sagt Schollbach, der selbst auch als Anwalt arbeitet, und weist auf „viele Verfahren, die sich jahrelang hinschleppen“ hin. Eines dieser Verfahren betrifft eben jene mutmaßlich kriminelle Vereinigung „Faust des Ostens“ – die in absehbarer Zeit nicht mit einer Verurteilung rechnen muss.
Von Andreas Debski