Mindestens 12 Opfer bei Polizeirazzia im osttürkischen Van / HDP-Vertreter sprechen von Massenhinrichtungen
Während der Krieg in der Türkei in Deutschland medial kaum noch vorkommt und andere Meldungen die Berichterstattung dominieren, geht das Sterben im Osten der Türkei unvermindert weiter. Immer mehr drängt sich der Eindruck auf, dass die zivilen Opfer nicht bloße »Kollateralschäden« eines Krieges zwischen der Türkei und der PKK sind. Die türkischen Sicherheitskräfte gehen zunehmend mit tödlicher Gewalt gegen alle Kräfte vor, die im Verdacht stehen, mit der PKK zu sympathisieren und schrecken inzwischen offensichtlich auch nicht mehr vor völkerrechtswidrigen Hinrichtungen von Zivilisten zurück. Allein letzte Woche wurden mindestens 15 Menschen auf diese Weise getötet.
Am Dienstag starben in Silopi, einer Kleinstadt in der Grenzregion zur Syrien und Irak, eine kurdische Politikerin von dem regionalen Ableger der linken HDP-Partei, zwei kurdische Aktivistinnen und ein unbekannter Kurde. Die Opfer hatten kurz zuvor bei einer HDP-Politikerin einen letzten Anruf absetzen können, in dem sie davon berichteten, dass sie beschossen wurden und verletzt seien. Später fand man die von Kugeln durchgesiebten Leichen, die kaum identifiziert werden konnten.
Viele gehen davon aus, dass die vier Verletzten von den türkischen Sicherheitskräften gefangengenommen und dann hingerichtet wurden. Der Fall löste große Proteste in der Türkei und in Europa aus, nicht zuletzt weil die Opfer ganz offensichtlich nicht bewaffnet waren und hier von einem Gefecht oder einer Schießei keineswegs die Rede sein konnte.
Die Empörung in der kurdischen Öffentlichkeit hat aber keinen Einfluss auf das Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte. Dies wurde deutlich, als bei einer Polizeirazzia in Van am Sonntag zwölf junge KurdInnen erschossen wurden. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi und viele türkische Medien sprechen von zwölf PKK-Mitgliedern, die bei einer Schießerei getötet wurden. Die kurdischen Quellen sprechen dagegen von einer »Massenhinrichtung«, so etwa der HDP-Abgeordnete Lezgin Botan aus Van. Sie verweisen dabei darauf, dass 11 der 12 Opfer durch Kopfschüsse getötet wurden. »Es ist unmöglich, dass dies bei einer Schießerei passiert«, sagte Lezgin Botan der kurdischen Nachrichtenagentur ANF.
Diese Vorfälle werden den Krieg weiter eskalieren lassen, nicht zuletzt weil die türkische Regierung bisher nichts unternommen hat um mögliche (Kriegs-)Verbrechen der eigenen Sicherheitskräfte aufzuklären und die Täter zu bestrafen. Es kursieren sogar Meldungen, wonach inzwischen kurdische Kriegsopfer beerdigt werden, ohne dass die Angehörigen die Möglichkeit haben, die Leichen zu sehen. Eine Überprüfung der Todesumstände und -gründe ist so nicht mehr möglich. Eine solche Situation macht es möglich, dass Kriegsverbrechen ungestraft stattfinden können.