Legida läuft nicht mehr – ein Dank an alle
An ihrem zweijährigen Geburtstag gaben die Legida-Organisatoren bekannt, nicht mehr demonstrieren zu wollen. Auch am gestrigen Abend war der Gegenprotest groß und laut gewesen. Ein Dank an Tausende.
Als Erstes muss man der CDU danken. Vielen Dank an Herrn Clemen, vielen Dank an die christlich-demokratische Union. Nur deren Konzept des konsequenten Ignorierens – bei gleichzeitigem Gegendemonstranten-Bashing – ist es zu verdanken, dass Legida die Hufe hochreißt. »Der ständig erhöhte Bedarf an Polizeikräften sowie die immer wiederkehrenden Einschränkungen in der Innenstadt sorgen aus Sicht der Leipziger CDU für enorme Belastungen der Steuerzahler«, gab die Partei vor dem zweiten Geburtstag des fremdenfeindlichen Bündnisses bekannt. Damit hat sie Legida wohl überzeugt, denn deren Organisator Arndt Hohnstädter rief am Montag mit der gleichen Begründung seinen Leuten zu, dass dies der letzte Abendspaziergang war: »Freunde, es soll kein Abgesang sein, aber wir werden uns hier auf der Straße künftig zurücknehmen, weil in Zeiten, in denen unser Staat von außen und innen bedroht wird, ist es nicht opportun, jede Woche oder jeden Monat Tausende Polizisten von ihren Familien abzuhalten.«
Dass währenddessen – genauso wie die gesamten zwei Jahre zuvor – von Antifagruppen bis Pfarrer Wolff, von Bürger- bis Fußballvereinen das »No-Legida« unisono, ja: mit einer Stimme auf die Straßen getragen wurde, war eine einzige »Selbstbeschäftigungstherapie« in Augen der CDU. Ernsthaft?
Rote »Frontstadt Leipzig«
Dabei ist das breite Bündnis, ist die Geduld und Zähigkeit der vielen Gegendemonstranten dafür verantwortlich, dass Legida keinen Bock mehr hat. Die Aussicht, einmal mehr als Wanderzirkus umherzulatschen und permanent akustisch zu Kesselgulasch verhackstückt zu werden, lockte nur noch rund 300 Leute – gut, das waren immerhin doppelt so viele, wie zur Dezemberdemo kamen. Legida war längst auf einen kleinen Kern aus Nazi-Hools, Umlandbesorgten und rechtsoffenen Rentnern zusammengeschmolzen; zu stolz oder trotzig, um die eigene Irrelevanz zu erkennen und aufzugeben. Nicht einmal die Nazi-Band Kategorie C vermochte es noch, dem Häuflein einen Anschein von Attraktivität jenseits der Dauerlatscher zu verleihen. Nach zwei Jahren nun soll damit Schluss sein. An der einst vom Hamburger Nazi Christian Worch ausgerufenen »Frontstadt Leipzig«, die als rote Bastion – so der Mythos – fallen müsste, haben sich die Kollegen von rechts einmal mehr die Zähne ausgebissen.
Letzter Abend von Legida
Übers Ende vom Lied ist schnell berichtet: Mit 300 Leuten lief Legida am Montag um 19 Uhr im Waldstraßenviertel auf dem Arenaparkplatz auf. Ein paar wärmende Worte und Liedchen der Band später trat Legida um 20 Uhr einen Gang ums Karree an. Dabei wurden sie von allen Seiten – die Polizei hatte die Demoroute mit Hamburger Gittern, Bullis, Wasserwerfern und Behelmtenketten abgesichert – lautkräftig von Sprechchören, Trillerpfeifen und Trompeten beschallt. Ein paar Schneebälle flogen auch, den von der LVZ vermeldeten Durchbruchsversuch hingegen gab es nicht. Zuvor hatten sich mehrere Demonstrationen zum Waldplatz aufgemacht, Kleingruppen waren zuvor schon unterwegs. Man kann wohl von 3.000 Gegendemonstranten insgesamt ausgehen. Lustlos und bis auf ein paar Hooliganrufe lautlos ging Legida seinen Gang. Zum Abschluss kurz nach 21 Uhr verkündete man, nicht mehr regelmäßig auf die Straße gehen zu wollen. Die Kraft fehle. Dafür wolle man konzentrierte Veranstaltungen machen. Und auch »inhaltlich« mehr machen. Was nach zwei Jahren immerhin eine neue Idee wäre. Das ist so lustig wie die Offensive für Deutschland, die Bommelmütze Silvio Rösler nach seinem Rückzug von Legida gründete, die meinte, man werde »jetzt politisch«. Ein paar konkrete Ideen des Inhaltlich-mehr-Machens gibts bei Legida schon. Kabarettabende zum Beispiel.
Auf Facebook verschaffte ein verdrossener Dabeigewesener seinem Unmut über den Abgesang Luft: »War der reinste Reinfall. Lass es 200 Leute gewesen sein. Die Redner Scheiße die Gruppe Scheiße. Haben uns ausgeklingt und waren mit Sicherheit das letzte mal. Der deutsche Michel wartet hinter der Gardine auf seinen Schlächter.«
Leipzig ist nicht Dresden
Wir verzichten an dieser Stelle auf weiteres Nachtreten. Alles, Peinlichkeiten inklusive, ist auserzählt. Ein großer Dank geht an die »Selbstbeschäftigungstherapeuten«. Denn im Gegensatz zu jeder CDU-Theorie war es der laute, stets anwesende Gegenprotest, der an jedem Montag – bis auf den letzten im Dezember – den Legida-Anhängern zahlenmäßig mit großem Abstand überlegen war. Der gezeigt hat, dass nicht die die Mehrheit sind, die »Wir sind das Volk« brüllen. Dass das Motto des Montagabends vielmehr »Refugees are wecome here« und »Nationalismus raus aus den Köpfen« lautet. Dass Antifaschismus kein Schimpfwort ist, sondern eine vor allem in Deutschland notwendige Lebenseinstellung. Dass man Leuten, die mit Nazis auf die Straße gehen, diese Straße nicht überlassen will. Dass Leipzig nicht Dresden ist. Tausende, manchmal sogar Zehntausende Menschen haben das in den letzten zwei Jahren deutlich gemacht.
Auch dank ihnen läuft Legida nicht mehr, sondern macht höchstens noch Kabarett. Aber auch wenn sie nicht mehr auf die Straße gehen, bleiben faschistische und menschenfeindliche Einstellungen in den Köpfen erhalten. Dagegen muss man weiter widersprechen. In den Medien, im Netz, in Kneipen. Und wenn es sein muss, auch wieder auf der Straße.
TOBIAS PRÜWER, JULIANE STREICH