Mildes Urteil gegen Neonazi-Plattenlabel in Memmingen

Erstveröffentlicht: 
16.12.2016

Betreiber von Oldschool Records für Verbreitung von nur 7 von 88 angeklagten Nazi-Platten verurteilt. Staatsanwaltschaft sieht Mitverantwortung von rechter Musik für rassistische Übergriffe wie in Sömmerda.

 

Am 15.12. fiel das Urteil gegen den Betreiber des Neonazi-Plattenlabel Oldschool Records (OSR). Benjamin Einsiedler habe sich laut Gericht der Volksverhetzung und dem Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen durch den Vertrieb von Neonazi-CDs schuldig gemacht. Dafür wurde er zur Zahlung von 120 Tagessätzen zu je 40, insgesamt 4800 Euro und einem Bußgeld wegen einem Verstoß gegen das Waffengesetz verurteilt. 1600 Euro seines durch die Straftaten erzielten Gewinnes werden eingezogen. Das urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 

Die Staatsanwaltschaft plädierte auf eine etwa doppelt so hohe Strafe und verwies auf die rassistischen Übergriffe in Sömmerda. Musik wie die vom Angeklagten verbreitete sei gefährlich, weil sie zu solchen Taten anstifte. Bei Anklageerhebung sah die Strafverfolgungsbehörde noch bei 88 der 2014 sichergestellten Produktionen – darunter Oldschool Records-Eigenproduktionen – einen volksverhetzenden, Gewalt- und Straftaten billigenden, das Naziregime verherrlichenden oder sonstigen bei Verbreitung strafbaren Inhalt. In manchen der Machwerke wird zum Mord an Juden, Kommunisten oder Schwulen aufgerufen. Teilweise werden verbotene Kennzeichen von Naziorganisationen dargestellt.

 

Im Laufe der 8 Verhandlungstage seit Ende September drängte der Stuttgarter Verteidiger Alexander Heinig die Staatsanwaltschaft zunehmend in die Defensive. Die Anklagebehörde wirkte schlecht vorbereitet und relativierte unter dem Druck der Verteidigung ihre Anklage. Teilweise sahen deren Vertreter in einzelnen ihrer eigenen Anklagepunkte nun doch keine Strafbarkeit mehr. Alexander Heinig gilt als Szeneanwalt und kennt sich aus in Sachen Neonazis und ihrer Musik. Die CDs seiner früheren Band Ultima Ratio werden bis heute beim Label seines Mandanten vertrieben. Von seinen Kollegen Gisa Pahl und Steffen Hammer, der ebenfalls als Rechtsrocker bekannt wurde, lässt er Rechtsgutachten erstellen, die erklären sollen, weshalb die inkriminierten Produktionen nicht strafbar seien. Heinig versuchte, den Prozess zu politisieren. Im Plädoyer sagte er, man wolle seinen Mandanten seiner politischen Einstellung wegen wirtschaftlich ruinieren. Heinig plädierte auf Freispruch.

 

Bei einigen Produktionen verzichtete das Gericht darauf, sie inhaltlich zur Kenntnis zu nehmen. Das Verfahren wurde hinsichtlich der dazugehörigen Anklagepunkte eingestellt, sodass am es am letzten Verhandlungstag nur noch um 19 der 88 Produktionen ging. Etwa, weil bereits die Polizei die Texte nicht verstehen konnte oder sie in englischer Sprache gehalten sind. Bei einigen dieser 19 Tonträger sei dem Angeklagten laut Gericht kein Vorsatz vorzuwerfen, weil sie nach einer früheren Hausdurchsuchung von der Polizei zurück gegeben wurden. Der Angeklagte habe deshalb unabhängig von einer objektiven Strafbarkeit davon ausgehen können, sie verkaufen zu dürfen. Bei anderen Produktionen konnte ein tatsächlicher Verkauf nicht nachgewiesen werden. Bei vier Tonträgern folgte das Gericht der Argumentation der Verteidigung, dass deren Inhalte von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. So verurteilte das Gericht Benjamin Einsiedler für nur 7 von 88 Tonträgern aus der Anklage.