Bernd Pachal aus Marzahn-Hellersdorf AfD-Fraktionsvize lobt "kluge Politik" der Nazis

Erstveröffentlicht: 
16.12.2016

Bernd Pachal macht für die AfD in Marzahn-Hellersdorf Politik. Bei Facebook würdigt er die Rolle des SS-Mannes Reinhard Heydrich. Ein SPD-Verordneter fordert von der Fraktion eine Distanzierung.

von Ingo Salmen

 

Die AfD in Marzahn-Hellersdorf demonstriert gern moralische Überlegenheit und erinnert die anderen Parteien an grundlegende Prinzipien demokratischen Zusammenlebens. Beim ersten Treffen der Bezirksverordneten nach der Wahl Ende Oktober warnte der Fraktionsvorsitzende Rolf Keßler die Konkurrenz vor einem „ganz großen Demokratiedefizit“, sollte sie Änderungen der Geschäftsordnung per Tischvorlage beschließen. Mit großem Pathos beschwor ihr neuer Stadtrat Thomas Braun im November erst das Grundgesetz („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“) und dann die „Verantwortungsethik“.

 

Wer sich anschaut, was mancher AfD-Politiker abseits offizieller Verlautbarungen von sich gibt, muss sich allerdings fragen, wie es die Partei selbst mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hält. Die umfasst schließlich auch Aspekte wie Rechtsstaatlichkeit und die Freiheit von Gewalt- und Willkürherrschaft. Einen besonders krassen Fall brachte am Donnerstag der SPD-Verordnete Dmitri Geidel in der BVV-Sitzung zur Sprache. Der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, Bernd Pachal, hatte sich bei Facebook anerkennend über einen führenden Vertreter des Nazi-Regimes geäußert. Pachal lobte dort „die kluge Politik des Reichsprotektors Reinhard Heydrich“ in der damaligen Tschechoslowakei. „Dieser stellte schon vom ersten Moment an die Weichen richtig.“

 

Heydrich ist als „Schlächter von Prag“ in die Geschichte eingegangen, als Chef des Reichssicherheitshauptamtes und Organisator der Wannsee-Konferenz zur „Endlösung der Judenfrage“. Doch das alles ficht den Vize-Fraktionschef der AfD nicht an. „Heydrich“, schreibt Pachal, „war beliebt.“ Die Tschechen seien „erst verhalten, später dankbar bis begeistert“ gewesen.

 

Die Äußerungen passen ins Bild, das man sich von Pachal bei diversen geschichtlichen Erörterungen machen kann. „Hitler revidierte ein Versailler Unrecht nach dem anderen“, resümierte er im Herbst letzten Jahres die 30er Jahre. Nach Wiederbewaffnung, Anschluss Österreichs und der Einverleibung des Sudetenlandes hätten die Nazis beim Angriff auf Polen einfach nur „zu hoch gepokert“. Später wollte er auch von „Hitlers Schuld an der Zerstörung Deutschlands“ nichts wissen. „Aber nicht Hitler zerstörte Deutschland, sondern die Alliierten.“

 

Von Pachal ist bekannt, dass er 2015 auch schon mal das Fronttransparent bei einer Bärgida-Demo trug. Mit anderen Pegida-Zweigstellen in Bayern hält die AfD eine Parteimitgliedschaft für unvereinbar. Auch antisemitische Positionen sind Pachal nicht fremd, wie der Tagesspiegel schon kurz nach der Berlin-Wahl berichtete. AfD-Fraktionschef Keßler, seinerzeit auf die Haltungen seines Stellvertreters angesprochen, gab sich schmallippig: Das müsse er prüfen.

 

Am Freitag erneut danach befragt, sagte Keßler, er habe in der Vergangenheit weder antisemitische, noch andere Äußerungen Pachals wahrgenommen, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes ständen. Zu den aktuellen Vorwürfen wollte Keßler sich nicht äußern. Die Fraktion müsse sich erst einmal damit auseinandersetzen und werde sich dann äußern. 

 

"Wer in Deutschland lebt, muss sich an unsere Werte halten"


Der Sozialdemokrat Geidel will sich nicht länger vertrösten lassen. „Ich kann nicht fassen, dass im Jahr 2016 ein Mensch in einem deutschen Kommunalparlament sitzt und öffentlich Nazi-Schlächter lobt“, sagte er am Donnerstag im Marzahner Freizeitforum. „Wer in Deutschland lebt, muss sich an unsere Werte halten. Und Ablehnung des ganzen Nazi-Drecks steht da ganz oben.“

 

Geidel wandte sich auch direkt an den Fraktionsvize, der in der ersten Reihe Platz genommen hatte: „Ihre Aussage, Herr Pachal, geht gegen alles, wofür unser Deutschland steht. Sie haben sich als Demokrat absolut disqualifiziert.“ Er teile nicht die Ansicht, die AfD sei nur „eine NPD mit blauem Anstrich“, betonte der SPD-Verordnete. „Ich bin der festen Überzeugung dass die Mehrzahl Ihrer Fraktionsmitglieder aufrechte Demokraten sind, die von diesem Nazi-Gewäsch genau so angewidert sind wie ich“, sagte Geidel deshalb in Richtung aller AfD-Vertreter. „Lassen Sie sich von diesen Hitler-Nostalgikern nicht in Geiselhaft nehmen.“ 

 

Wie ist es um das Bekenntnis zur Demokratie bestellt?


Geidel verlangte von der Fraktion eine „Null-Toleranz-Politik gegenüber Sympathisanten von Kriegsverbrechern und Massenmördern“ und nahm Fraktionschef Keßler beim Wort. „Zeigen Sie uns, dass Sie es ernst meinen mit Ihrem Bekenntnis zur Demokratie und distanzieren Sie sich von Herrn Pachal.“

 

Eine Reaktion der AfD gab es in der Sitzung nicht. Kurz vor Mitternacht postete der Bezirksverband jedoch bei Facebook Fotos von Studierenden der Alice-Salomon-Hochschule und anderen linken Aktivisten, die vor Beginn der BVV gegen die Partei demonstriert hatten. Ein Gesprächsangebot des Fraktionsvorsitzenden Keßler hatten sie ausgeschlagen. „Merkwürdiges Demokratieverständnis der Möchtegerndemokraten“, wunderte sich die AfD.


 

Heydrich

Angriffskrieg und Judenvernichtung, Massenmord und der Überwachungsapparat des totalitären Staates. Viele Begriffe nationalsozialistischen Schreckens sind mit dem Namen Reinhard Heydrich verbunden. 1904 in Haale an der Saale geboren, tritt er schon 1931 der NSDAP und der SS bei. Er wird Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD), der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und schließlich des Reichssicherheitshauptamtes. 1938 schickt Heydrich Adolf Eichmann nach Österreich, um dort die Judenverfolgung zu organisieren. 1942 beruft er die Wannsee-Konferenz zur "Endlösung der Judenfrage" ein. Für den Krieg gegen Polen liefert Heydrich 1939 den Vorwand, indem er SS-Angehörige den Sender Gleiwitz überfallen lässt, was das NS-Regime als polnische Aggression verkauft. Hinter der Front im Osten lässt er Widerständler durch Einsatzgruppen der SS ermorden. 1941 wird Heydrich stellvertretender Statthalter in Prag und geht mit Massenhinrichtungen gegen die Opposition vor, während er zugleich eine Verbesserung der Lebensumstände der allgemeinen Bevölkerung anstrebt. Am 27. Mai 1941 ist Heydrich Ziel eines Attentats in Prag. Er stirbt am 4. Juni. Als Vergeltung löscht die SS wenige Tage später das Dorf Lidice aus. Quelle: Deutsches Historisches Museum/Lemo.