Der Aufruf von Ex-Pegida-Frontfrau Festerling für bulgarische Bürgerwehren bleibt juristisch ohne Folgen. Die Staatsanwaltschaft Leipzig sieht darin kein Anwerben für einen fremden Wehrdienst.
von Matthias Meisner
Sie selbst wollte im Einsatz für die Sicherung der europäischen Grenzen notfalls ihr Leben geben: Anfang Juli hielt Tatjana Festerling, Ex-Frontfrau von Pegida, eine flammende Rede auf einer Kundgebung des Leipziger Pegida-Ablegers Legida. Kurz zuvor war sie in Bulgarien, hatte sich dort paramilitärischen Bürgerwehren angeschlossen, die in der Grenzregion zur Türkei Jagd auf Flüchtlinge machen.
In Leipzig rief sie die Männer auf dem Platz dazu auf, vornehmlich jene "mit militärischer oder polizeilicher Ausbildung", ans Schwarze Meer zu reisen und sich dem Einsatz der dortigen "Patrioten" gegen die "Invasoren" anzuschließen. Das nämlich sei es, "was die Eliten mit allen Mitteln verhindern wollen. Gelebte europäische Völkerfreundschaft". Einen ähnlichen Appell veröffentlichte Festerling auf ihrer Internetseite.
Zunächst hatte die Hamburger Polizei - Festerling hatte dort eine Wohnanschrift - ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, gemäß Paragraph 109 h des Strafgesetzbuches, "Anwerben für einen fremden Militärdienst". In dem Paragraphen heißt es: "Wer zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt oder ihren Werbern oder dem Wehrdienst einer solchen Einrichtung zuführt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." Auch der Versuch ist strafbar.
Ist die bulgarische Bürgerwehr eine bewaffnete Miliz?
Die Staatsanwaltschaft Leipzig hatte dann später selbst ein Ermittlungsverfahren gegen Festerling eingeleitet, dieses aber nun eingestellt, wie Behördensprecher Ricardo Schulz am Dienstag auf Anfrage bestätigte. Die Staatsanwaltschaft sah in dem Aufruf für die Beteiligung an Bürgerwehren in Bulgarien kein "Anwerben für einen fremden Wehrdienst".
Schulz erläuterte dem Tagesspiegel, ein Anwerben im Sinne von Paragraph 109 h sei dabei jede Tätigkeit, die bezwecke, einen Deutschen zugunsten einer ausländischen Macht durch die Einwirkung auf seinen Willen zum Wehrdienst zu verpflichten. Für die Vollendung der Tat sei es "notwendig, dass es tatsächlich zu der einvernehmlichen Verpflichtung eines Geworbenen gekommen ist". Ist dies nicht der Fall, komme allenfalls eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht. "Im Übrigen muss der Täter über eine Abschlussbefugnis der ausländischen Macht verfügen, so dass als Werbender in der Regel nur ein sogenannter Agent in Frage kommt."
Schulz erklärte: "Diese Voraussetzungen erfüllen die vorstehend zitierten Äußerungen der Beschuldigten nicht. Dabei kann dahinstehen, ob es durch die Äußerungen der Beschuldigten tatsächlich zur Verpflichtung eines Deutschen für die ,Bulgarian Military Veterans Union - Vasil Levski' gekommen ist. Die Äußerungen stellen noch kein Anwerben im Sinne des Gesetzes dar." Zum einen sei es fraglich, ob die Beschuldigte tatsächlich deutsche Männer hätte verpflichten können, Mitglied der Miliz zu werden, "hierzu konnten keine weiteren Erkenntnisse gewonnen werden".
Festerling sieht "Anlass zum Feiern"
Zum anderen sei nach den hiesigen Erkenntnissen ebenfalls "nicht hinreichend klar", dass es sich bei der "Bulgarian Military Veterans Union - Vasil Levski" im Juni und Juli 2016 tatsächlich um eine bewaffnete Miliz gehandelt habe. Der Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung im Sinne des Paragraphen 109 umfasse nur Organisationsstrukturen, die zumindest auch dazu bestimmt seien, äußere Angriffe mit Waffengewalt zu unternehmen oder abzuwehren. "Dass die genannte Miliz tatsächlich ,bewaffnet' ist, konnte mit den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht nachvollzogen werden", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft und verwies darauf, dass Festerling selbst immer wieder von "unbewaffneten" Patrouillen gesprochen habe.
So präsentieren sich die von Tatjana #Festerling gefeierten bulgarischen Bürgerwehren auf Propagandavideos im Netz pic.twitter.com/mEjbHXnWPX
— Matthias Meisner (@MatthiasMeisner) 12. Juli 2016
Zunächst hatten die Behörden in Sachsen im Sommer bereits den Anfangsverdacht verneint, schließlich aber doch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Entscheidung über die Einstellung dieses Verfahrens fiel am 26. Oktober, der entsprechende Bescheid ging Festerling Anfang November zu. Sie selbst machte ihn am Montagabend auf Twitter publik. Auf ihrer Homepage schrieb Festerling, es gebe nun "Anlass zum Feiern": Die Justiz "lässt sich eben nicht von der deutschen Lügenpresse vor den Karren spannen".
Festerling hatte im Sommer auf Facebook ausführlich über ihre Bulgarien-Mission berichtet. Dort gepostete Fotos zeigten sie in Bulgarien in Tarnkleidung, umringt von teils vermummten Männern. In einer solchen Uniform trat sie auch auf der Leipziger Legida-Kundgebung auf. In Bulgarien traf sie außerdem den Flüchtlingsjäger Petar Nizamov, der im April wegen seiner Aktivitäten unter Hausarrest gestellt worden war und gegen den in Bulgarien mehrere Strafverfahren laufen.