Bad Langensalza. "In Thüringen sind erschreckend viele Immobilien im Besitz von Neonazis, problemlos kann die extrem rechte Szene für ihre Veranstaltungen auf Gebäude zugreifen", schreibt Martina Renner auf ihrer Homepage. Dass diese Immobilien auch Ausgangspunkt von Gewalttaten sein können, zeigt der "Ballstädt-Prozess" vor dem Landgericht Erfurt.
Das von Neonazis erworbene "Gelbe Haus" in Ballstädt war Treffpunkt der Neonazis, die beim Überfall auf die Kirmesgesellschaft im Februar 2014 zehn Personen teils schwer verletzt haben. Die 15 Beschuldigten, die sich deshalb seit Dezember 2015 vor Gericht verantworten müssen, stammen aus der neonazistischen "Kameradschaft Jonastal".
Renner: Immobilie könnten für öffentliche Aktivitäten genutzt werden
Nun haben Käufer, die mutmaßlich zur rechtsextremen Szene gehören sollen, aus dieser Szene kaum zehn Kilometer von Ballstädt entfernt eine neue Immobilie erworben. In Henningsleben, einem Ortsteil von Bad Langensalza, kauften sie für rund 30.000 Euro einen Gebäudekomplex mit Wohn- und Nebengebäude sowie einer Scheune. Das Landesamt für Verfassungsschutz bestätigte am Mittwoch Informationen Martina Renners. "Der Immobilienerwerb ist behördlich bekannt", sagte eine Sprecherin des Landesamts auf Anfrage. Es handle sich um den Kauf durch eine Privatperson "zu Wohnzwecken". Die zuständigen Stellen seien vom Verfassungsschutz über den Kauf informiert worden. "Betrachtet man die Ereignisse im ‚Gelben Haus‘ in Ballstädt, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass die weitläufige Immobilie rein privaten Zwecken dienen soll. Schon in dem wesentlich kleineren Haus in Ballstädt fanden Neonazi-Treffen und Rechtsrock-Konzerte statt, im Tonstudio werden dort CDs von Rechtsrock-Bands produziert", entgegnet jedoch Martina Renner.
Die Käufer der neuen Immobilie sind keine Unbekannten, mindestens zwei von ihnen gehören der "Kameradschaft Jonastal" an. Steffen M. stammt aus dem Umfeld der Rechtsrock-Band "Sonderkommando Dirlewanger". 2014 wurde er wegen Beteiligung am extrem rechten, kriminellen Netzwerk "Objekt 21" in Österreich zu drei Jahren Haft verurteilt. Die österreichischen und deutschen Behörden stufen "Objekt 21" laut MDR Thüringen als eine der gefährlichsten bewaffneten Neonazi-Gruppen ein.
Marco Z. ist seit mehr als 20 Jahren in der Neonazi-Szene aktiv und kann ebenfalls auf eine Haftstrafe von knapp vier Jahren zurückblicken. Gegen beide wurde bereits wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Neben diesen beiden wohnt auch Rocco B. in dem neu gekauften Haus in Henningsleben. Der heute 31-jährige spielt in Rechtsrock-Bands, wohnte bislang in Bad Langensalza und gehört zu den angeklagten Neonazis im "Ballstädt-Prozess".
Nach Angaben der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (Mobit) kann die rechte Szene in Thüringen derzeit durch Kauf, Pacht oder Miete über 13 Immobilien legal verfügen.