V-Mann „Corelli“ sollte geheim beerdigt werden

Erstveröffentlicht: 
29.10.2016

Rechtsextremist aus Sachsen-Anhalt lebte unter falschem Namen in einem Zeugenschutzprogramm in NRW im Raum Paderborn

 

Düsseldorf. Zu ihrer Vernehmung im Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III des nordrhein-westfälischen Landtags bringt Dinchen Franziska Büddefeld einen Juristen mit. Es geht um einen „sehr sensiblen Vorgang", wie die 54-jährige Abteilungsleiterin Rechtsextremismus des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) sagt: den mysteriösen Tod des V-Mannes „Corelli" in Paderborn.

 

Es gab ein langes Hin und Her, bis ihr Vorsitzender Hans-Georg Maaßen die öffentliche Vernehmung erlaubt hat. Auch im Umgang mit dem Düsseldorfer Landtag strengt sich das BfV nicht sonderlich an, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Erst die Androhung rechtlicher Schritte stimmte Maaßen anscheinend um. Angeblich ging es seiner Behörde um eine für sie sinnvolle Abgrenzung des Aussagethemas. 

 

"Schutzprogramm geschützt"


„Corelli" alias Thomas Richter, der dem Verfassungsschutz den ersten Hinweis auf die Terrorgruppe NSU gegeben haben soll, war 39-jährig an einer unerkannten Diabetes gestorben, wie inzwischen angezweifelte Untersuchungen ergaben. Der Verbindungsmann in die rechte Szene fiel demzufolge im April 2014 in ein tödliches Koma. Kurz darauf saßen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, der Polizei und Staatsanwaltschaft im Polizeipräsidium Bielefeld und überlegten, wie man vorgeht.

 

Büddefeld liest zunächst vom Blatt ab, als sie von dem Treffen erzählt. Sie spricht von einem „Brainstorming", einer gemeinsamen Ideenfindung. Die Obleute im Untersuchungsausschuss konfrontieren die Abteilungsleiterin mit einer Aussage, wonach sie, Büddefeld, den „Wunsch" geäußert habe, den V-Mann still und leise unter seinem Tarnnamen bestatten zu lassen. In der Lage sei es darum gegangen, das Interesse das BfV zu vertreten, erklärt die Verfassungsschützerin, und „die Legendierung weiter geheim zu halten". Wenn man die Legende nicht zurücknehmen muss, „wird ja nicht bekannt, dass es mal eine andere Person war". Ergo sei das „Schutzprogramm geschützt".

 

Jene ursprüngliche Linie ließ sich später nicht mehr halten, die Staatsanwaltschaft Paderborn setzte eine Pressemitteilung auf. Der Vorentwurf weist „Corelli" als ehemaligen V-Mann aus, der sich in einem Schutzprogramm des BfV aufgehalten habe. In Abstimmung mit dem Verfassungsschutz fügte man dann einige Änderungen ein. In der finalen Version vom 30. April fehlt der Begriff „V-Mann", es heißt lediglich: „Thomas R. befand sich in einer Schutzmaßnahme einer Bundessicherheitsbehörde." 

 

"So wollten wir nicht in der Öffentlichkeit auftreten"


Warum es die Veränderungen gegeben habe, fragen die Mitglieder des Untersuchungsausschusses? „Weil wir als Bundesamt so nicht in der Öffentlichkeit auftreten wollten", erwidert Büdedefeld. Ihr Haus sah wohl schon in der  korrekten Beisetzung ihrer einstigen Top-Quelle eine Gefahr
für ihre nachrichtendienstliche Arbeit.

 

Wer hätte die Angehörigen informieren sollen? Ein Bruder konnte sich erst nach einem Pressebericht, der den amtlichen Plan durchkreuzte, bei den Behörden melden. Wie hätten er und die Familie von dem Tod erfahren, rechtliche Ansprüche geltend machen sollen? Büddefeld nimmt sich erneut eine lange Pause, bis sie schmallippig zu Protokoll gibt:  „Schwierig."