Verbindungen zwischen Neonazis, Hooligans und Rockern gibt es in Bremen schon lange, sagt Journalistin Andrea Röpke im Interview mit dem WESER-KURIER. Ob das ein Grund zur Sorge ist, lesen Sie hier.
Die Hells Angels sind zurück in Bremen. Seit dem Sommer renovieren sie das Lokal „Parzelle Eins“ in Bremen-Walle. Wie schätzen Sie die Lage der Rocker ein?
Andrea Röpke: Im Konkurrenzkampf mit anderen Rockergruppen brauchen die Hells Angels dringend Verstärkung, um sich im Stadtgebiet zu halten. Ihr Unterstützerkreis ist riesig geworden. Kleidung mit dem Hells-Angels-Code „81“ ist besonders im Kampfsportmilieu, bei Türstehern, Sicherheitspersonal und Hooligans angesagt. Und als wenn das nicht schon gefährlich genug wäre, wechseln Neonazis zu den Rockern oder unterstützen diese über Bruderschaften.
In welchen Geschäftsfeldern sind die Rocker aktiv?
Die Hells Angels sind äußerst umtriebig: Zwischen Bremen und Delmenhorst bauen sie und ihre Sympathisanten vielfältige Unternehmen auf. Das reicht von den klassischen Modellwohnungen zur Prostitution oder Tattoo-Studios hin bis zu Gaststätten, Restaurants und Handwerksbetrieben. Wir beobachten bundesweit, dass sie für ihre Firmen vor allem junge Männer anwerben, die sie in Kampfsportvereinen oder bei den Hooligans treffen. Wir hatten in Bremen sogar den Fall, dass ein ehemaliger NPD-Mann für einen Hells Angels-nahen Zuhälter Prostituierte mit einer Limousine hin- und herchauffiert hat. Obwohl diese Rockergangs Teil der organisierten Kriminalität sind, gelingt es ihnen, ihre illegalen Geschäfte immer professioneller zu tarnen.
Welche Ziele verfolgen die Hells Angels in Bremen?
Vermutlich geht es darum, sich in Bremen zu etablieren. Eine Zeit lang haben die Verantwortlichen des verbotenen Hells Angels Charters MC Bremen sich heimlich in Cafés in Woltmershausen getroffen. Jetzt tritt das angeblich aufgelöste Charter Westside wieder offen auf. In Bremerhaven treffen sich Mongols-nahe Rockergangs. Im Bremer Umland gibt es den großen MC Gremium. Die Rocker versuchen jetzt das, was die NPD „Strategie der Akzeptanzgewinnung“ nennt. Sie engagieren sich für soziale Zwecke – spielen die Unschuldsengel.
Welche Verbindungen zur rechten Szene pflegen die Bremer Hells Angels?
Verbindungen zwischen Neonazis, Hooligans und Rockern gibt es in Bremen schon lange. Wenn zum Beispiel die Bremer Hooliganband Kategorie C auftritt, kann man bei den Besuchern dieser Konzerte die ganze Bandbreite rechtsorientierter Mischszenen beobachten. Ein aktuelles Bremer Beispiel ist auch Fritjof Balz: Früher saß er für die „Bürger in Wut“ im Blumenthaler Beirat. Heute verbreitet er über diverse Facebook-Gruppen seine rechten Parolen. Balz ist zur zentralen Figur einer hasserfüllten Bremer Facebook-Gemeinde geworden, die wir mit demokratischer Aufklärung kaum noch erreichen. Jetzt will Balz Mitglied bei den Hells Angels werden. Leute wie Balz oder die Band Kategorie C fungieren als Türöffner: Sie machen die Rocker für Wutbürger und subkulturell geprägte Rechte salonfähig.
Was haben Rocker und Rechte von einer gemeinsamen Allianz?
Die Rockergangs suchen wieder einen festen Zusammenhalt. Durch den hohen Migrantenanteil in einigen Clubs gibt es eine hohe Fluktuation. Das gefällt den Bossen nicht. Sie suchen zuverlässige Männer. Die Neonazi-Szene orientiert sich gerade neu. Parolen, mit denen sonst die NPD durch die Straßen gezogen ist, haben längst die Anhänger der Alternative für Deutschland übernommen. Rassistische Straßenbewegungen wie „Pegida“ haben die Neonazis überrollt, Gruppen wie die von Bremern aufgebauten „Hooligans gegen Salafisten“ radikalisieren sich. Es entstehen überregionale Zusammenschlüsse wie die „Bruderschaft Nordic 12“, die den autoritären, brachialen Habitus der Rocker kopiert – gepaart mit einer neonazistisch-völkischen Ideologie. Wir beobachten von Salzwedel, über Bremen und Hamburg bis nach Rostock, dass Neonazis die Seiten wechseln. Der Schritt ist nicht groß. Die Szenen ähneln sich durch Elitegebaren, martialische Auftritte und Machogehabe. Hinzu kommt der Traum von Macht und dem großen Geld.
Sind Zusammenschlüsse zwischen diesen beiden Gruppen ein neues Phänomen?
Das Phänomen ist nicht neu, aber in dieser Stärke beängstigend. Bereits mit dem Verbot von militanten Neonazi-Gruppen wie „Blood & Honour“ im Jahr 2000 sind rechtsradikale Skinheadanführer zu den Rockergangs gewechselt. Zudem nutzten Rechtsrock-Bands immer häufiger Clubhäuser von Motorradgangs wie Gremium, den Hells Angels oder den Red Devils. Als zum Beispiel vor einiger Zeit der Sänger der Bremer Neonazi-Band Endstufe im Stadtteil Findorff seine Hochzeit gefeiert hat, fand das Fest in einem Clubhaus der Rocker statt. Mit dabei waren Neonazis, Hooligans, Zuhälter und Rocker.
Die Sicherheitsbehörden haben angekündigt, den Hells Angels in Bremen mit „Null Toleranz“ zu begegnen. Tut die Polizei Ihrer Meinung tatsächlich genug, um das Treiben der Rocker in den Griff zu bekommen?
Die Beiratssitzung in Bremen-Walle hat doch ganz deutlich gezeigt, dass vor allem erst mal eines fehlt: Aufklärung. Wie kann es kriminellen Rockergangs wie den Hells Angels gelingen, sich als Beschützer von Witwen und Waisen aufzuspielen? Warum wird dem Chef des Hells Angels Charter MC Westside eine endlos lange autoritäre Rede aus dem Publikum heraus gewährt, bei der er sich als vorbildlicher Bürger aufspielen kann, während andere Bürger sich kurzfassen sollen? Viele hängen noch dem Mythos von Freiheit und einem Leben nach eigenen Gesetzen an – dabei geht es hier eher um mafiaähnliche Strukturen.
Das Gespräch führte Jan Oppel