"Sachsen-Bashing" von Dulig? Koalitionskrach um rechtes Image

Erstveröffentlicht: 
21.10.2016

Sachsen steht unter Druck: Ausländerfeindlichkeit und rechte Gewalt drohen zum Markenzeichen zu werden. Jetzt prangert auch der stellvertretende Ministerpräsident Dulig die Behörden an - und das nicht zum ersten Mal. Schon vor Monaten rückte er sächsische Polizisten in die Nähe von Pegida. Der Koalitionspartner CDU ist sauer und keilt zurück. Die Opposition wundert der Streit nicht.

 

In Sachsens Regierung gibt es nach den Pannen von Polizei und Justiz im Fall des Terrorverdächtigen al-Bakr einen handfesten Krach um das Image des Landes. Die sächsische CDU warf Vizeministerpräsident Martin Dulig vor, sich zum "Kronzeugen" eines "Sachsen-Bashings" zu machen. Der SPD-Landesvorsitzende hatte Polizei und Ordnungsbehörden in Sachsen in einem "Stern"-Interview eine "inakzeptable Laisser-faire-Haltung" gegenüber demokratischen Grundprinzipien attestiert und der CDU mangelnden Änderungswillen attestiert. Grund dafür seien auch 26 Jahre CDU-Regierung. Seit jeher gebe es in der Sachsen-Union ein großes Misstrauen "gegen jegliches Engagement, das nicht ins eigene Verständnis passte", meint Dulig in dem "Stern"-Interview.

 

Viele haben Rechtsextremismus und Rassismus verharmlost. Es wurde eingeteilt, wer ein guter und wer ein schlechter Demonstrant und Demokrat ist.

Martin Dulig, Vizeministerpräsident in Sachsen

 

Zugleich habe der Staat nur ungenügend klargemacht, dass er das Gewaltmonopol besitze - "und nicht etwa irgendwelche fremdenfeindlichen Schläger, die grölend durch Sachsen ziehen. Es ist nicht das erste Mal, dass Dulig dem Koalitionspartner die Leviten liest. Schon vor Monaten hatte Dulig sich öffentlich die Frage gestellt, ob Sympathien für Pegida innerhalb der sächsischen Polizei größer seien als im Bevölkerungsdurchschnitt. 

 

CDU empört über Dulig

 

Für den großen Koalitionspartner ist das Maß voll. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer keilt gegen den SPD-Minister: Dulig schade dem Freistaat durch sein Auftreten. "Martin Dulig hat ein zweites Mal pauschal Menschen, die für den Freistaat Sachsen arbeiten, bezichtigt, extremistische Positionen zu vertreten." Und Kretschmer fragt sich: "Wenn er ein so großes Misstrauen gegenüber den Beamten und Angestellten des Freistaates Sachsens hegt, wie kann er auf Dauer mit diesem Konflikt zurechtkommen?" Auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich reagiert verärgert. Medienberichten zufolge griff Tillich seinen Stellvertreter in einer Rede vor der CDU-Landtagsfraktion scharf an. Alte Wunden seien aufgerissen worden, das Vertrauensverhältnis zu Dulig beschädigt. 

 

Dulig: "Wir haben keine Krise in der Koalition"


Dulig wies den Vorwurf des Sachsen-Bashings zurück. Aus Moskau, wo er sich mit einer Wirtschaftsdelegation aufhielt, teilte er mit, er sei Vorsitzender der sächsischen SPD, einer selbstbewussten Regierungspartei in Sachsen, und nicht das Anhängsel einer CDU. "Wenn man etwas verändern will, dann muss man erst einmal kritikfähig sein," sagte Dulig. Er sei bereit, seine Verantwortung wahrzunehmen. Eine Krise in der Regierung sehe er aber nicht, sagte Dulig.

 

Auch SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe sieht Schwarz-Rot durch die aktuelle Debatte nicht in Gefahr. "Wir haben Gestaltungswillen und sind bewusst in diese Koalition gegangen", sagte sie. "Wir wollen Sachsen voranbringen. Dazu gehört es auch, Probleme zu benennen." 

 

Streit Inszenierung vor SPD-Parteitag?


CDU-Generalsekretär Kretschmer stellte eine Verbindung der Kritik Duligs zum bevorstehenden SPD-Parteitag in Chemnitz her, wo der Parteichef sich wohl ein gutes Wahlergebnis erhoffe. "Ich hoffe im Interesse aller Demokraten und unseres Freistaates Sachsen, dass nach dem SPD-Parteitag am Wochenende wieder Vernunft und Sachlichkeit die Oberhand gewinnen und Ruhe in die aktuellen Debatten einzieht." SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe wies den Vorwurf zurück. Die Kritik Duligs habe mit dem Parteitag nichts zu tun. Vielmehr gehe es um ein Problem, das nicht erst seit fremdenfeindlichen Krawallen wie in Clausnitz von der SPD thematisiert werde. 

 

Opposition spottet


Auch die Grünen sprechen von einem inszenierten Koalitionsstreit vor dem SPD-Landesparteitag, der Dulig die Stimmen der Delegierten sichern solle. Das verwundere ihn nicht, sagte Grünen-Fraktionschef Volkmar Zschocke: "Vielmehr verwundert , dass es der SPD in den zwei Jahren ihrer Regierungstätigkeit in zentralen Politikfeldern nicht gelungen ist, der CDU Paroli zu bieten." Linken-Partei und Fraktionschef Rico Gebhardt fragte sich angesichts des öffentlichen Duells zwischen CDU-Generalsekretär und SPD-Chef, "ob die Herren Tillich und Dulig überhaupt noch miteinander sprechen". Er rate zu einer "politischen Paartherapie"