Ministerium sieht keine Eile für mögliche Beobachtung von "Reichsbürgern"

Erstveröffentlicht: 
21.10.2016

Die Bundesregierung sieht nach dem tödlichen Angriff eines "Reichsbürgers" auf Polizisten in Franken keinen Grund zur Eile bei der möglichen Beobachtung der Gruppe durch den Verfassungsschutz. Zunächst müsse es eine "sorgfältige Prüfung" geben, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Freitag in Berlin. In Bayern gibt es auch im Polizeidienst "Reichsbürger", einer von ihnen wurde nun vom Dienst suspendiert.

 

Die Forderung nach einer Überwachung der gegen die Bundesrepublik gerichteten "Reichsbürger" war bereits kurz nach den Schüssen eines 49-Jährigen bei einer Waffenrazzia in Georgensgmünd aufgekommen. Der Mann hatte vier Polizisten verletzt, ein 32-Jähriger starb als Folge der Schüsse.

 

Der "Kölner Stadtanzeiger" berichtete unter Berufung auf Berliner Sicherheitskreise, dass eine Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) derzeit unwahrscheinlich sei. Es seien nicht sämtliche "Reichsbürger" tatsächlich rechtsextremistisch, so dass sie nicht alle über einen Kamm geschoren werden könnten. Zudem seien sie nicht bundesweit vernetzt. Beides seien aber Voraussetzungen für eine Überwachung durch das BfV, so dass es nicht dazu kommen werde, berichtete die Zeitung weiter.

 

Erkenntnisse über die "Reichsbürger" gibt es vor allem bei den Landesverfassungsschutzbehörden, im jüngsten Jahresbericht des Bundesamtes wird die Bewegung nicht erwähnt. So ist auch die Zahl der Anhänger unklar. Schätzungen zufolge gibt es deutschlandweit eine niedrige dreistellige Zahl an Anhängern.

 

In Bayern hat die Polizei mehrere mutmaßliche "Reichsbürger" in ihren Reihen. Landes-Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte in der Nachrichtensendung "Rundschau" des Bayerischen Rundfunks, dass gegen vier Polizisten Disziplinarverfahren wegen ihrer Verbindungen zu der Bewegung laufen. Ein Beamter sei bereits im Frühjahr vom Dienst suspendiert worden. Sollten sich Zweifel an der Verfassungstreue der verdächtigen Beamten ergeben, müssten diese die Polizei verlassen, sagte Herrmann.

 

Von den drei anderen Beamten wurde einer am Donnerstag vom Dienst suspendiert, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Nord sagte. Der 35 Jahre alte Polizist aus dem Landkreis Augsburg habe selbst an seine Gemeindeverwaltung Briefe geschrieben, durch die diese ihn den "Reichsbürgern" zuordnen konnte. Am 11. Oktober und damit vor der Tat aus Franken seien entsprechende Überprüfungen und Befragungen zu dem Polizisten durchgeführt worden. Das Disziplinarverfahren gegen den Mann laufe aber noch, die Suspendierung sei noch vorläufig.

 

Bei den zwei weiteren Fällen handelt es sich um Wach- und Streifenbeamte aus dem Polizeibereich Oberbayern Süd. Gegen diese laufen nach Angaben eines Sprechers des Präsidiums bereits seit Juli disziplinarrechtliche Verfahren. Es sei aber noch unklar, wieweit die beiden dem Gedankengut der "Reichsbürger" tatsächlich nahe stehen. Die Polizisten seien bisher nicht suspendiert.

 

SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte generelle Konsequenzen aus dem Fall. Dazu gehöre, Straftaten gegen Polizei und Retungskräfte "besonders hart zu bestrafen", sagte Gabriel den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagsausgaben). Er stellte sich hinter Forderungen der Gewerkschaft der Polizei, künftig jeden Angriff gegen Polizisten als Straftat zu bewerten, auch bisher als Bagatelldelikte verfolgte kleinere Angriffe.