Staatsanwalt ermittelt - Berliner soll Millionen beim Bau von Flüchtlingsheimen abgezockt haben

Erstveröffentlicht: 
16.10.2016

Dank überforderter Politiker verdiente Helmuth Penz mit Flüchtlingsunterkünften Millionen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Es geht um Betrug und Mafia-Methoden.

 

Er hat wie kaum ein anderer von der Flüchtlingskrise im letzten Jahr profitiert, verdiente dank überforderter Politiker und Lageso-Mitarbeiter mit seinen Firmen zum Bau und Betrieb von Flüchtlingsunterkünften Millionen: Helmuth Penz (71).

 

Doch der West-Berliner Geschäftsmann, der in den 1980er-Jahren in den Garski-Bauskandal verwickelt war, könnte bald wieder im Zentrum eines der größten privaten Betrugsskandale der letzten Jahre stehen! Nach Recherchen der B.Z. geht es um Korruption, Betrug, Unterschlagung und Mafia-Methoden. Jetzt soll sein umstrittenes Unternehmen Pewobe sogar verkauft werden. 

 

Das ist die Akte Penz


Donnerstag, 1. September 2016: Um kurz vor 9 Uhr stürmen Dutzende Beamte der Berliner Polizei Büros mehrerer Penz-Unternehmen und Privatwohnungen. Auch die Firma Gierso, an der Penz vor Jahren beteiligt war, wird durchsucht. Insgesamt 36 Objekte. Zahlreiche Akten werden beschlagnahmt.

 

Der Vorwurf: Die Heimbetreiber sollen nicht nur Personal abgerechnet haben, das gar nicht eingesetzt wurde. Die Pewobe soll dem Lageso außerdem Baukosten für Heime in Rechnung gestellt haben, die in dieser Höhe nie angefallen waren.

 

Monatelang hatte die Staatsanwaltschaft dafür im Verborgenen ermittelt (AZ 242 Js 1206/16). Selbst das Lageso wusste nichts, wichtige Pewobe-Akten schaffte die zuständige Senatsverwaltung klammheimlich beiseite. Zu groß das Misstrauen, dass einige Lageso-Mitarbeiter mit Penz gemeinsame Sache machen könnten. Gegen acht Beschäftigte ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft.

 

Tatsächlich legen interne Unterlagen nahe, dass an den Vorwürfen falscher Personalabrechnungen etwas dran ist. So zeigt z. B. ein interner Stellenplan der Pewobe (liegt der Red. vor) vom 28. August 2015, dass in den damals zwölf Unterkünften von 121 Stellen jede fünfte nicht besetzt war, insgesamt rund 27. In der Lichtenberger Bornitzstraße fehlte sogar jede zweite Stelle. Solche Personalprobleme soll es monatelang gegeben haben, so Insider.

 

Für die Pewobe lukrativ, sparte sie doch damit viel Geld. Mitte 2015 hatte das Lageso rund 163 000 Euro von der Pewobe zurückverlangt, weil zu viel Personal abgerechnet worden war. Dabei ging es jedoch lediglich um den Zeitraum 2013 bis September/Oktober 2014.

 

Die Staatsanwaltschaft wirft Penz nun im Durchsuchungsbeschluss (liegt vor) vor, er persönlich habe veranlasst, dass die Pewobe dem Lageso falsche Kalkulationen zusandte, die dann für die Kalkulation der Tagessätze für Flüchtlinge genommen wurden. Das betreffe unter anderem die Personalausgaben, „weil die vereinbarten Personalstellen nicht in entsprechender Zahl eingesetzt wurden“. 

 

Millionen-Differenz in der Abrechnung


Noch gravierender könnten aber die Vorwürfe im Zusammenhang mit Bauprojekten sein. Zahlreiche interne Unterlagen aus dem weiteren Penz-Firmengeflecht, die B.Z. vorliegen, verweisen auf einen möglichen Betrug in Millionenhöhe.

 

► So vereinbarte die Pewobe mit einer Baufirma am 30. August 2013 den Bau einer Unterkunft in der Haarlemer Straße (Neukölln). Darin wird ein Pauschalpreis von 3 Millionen Euro netto für den Bau vereinbart. Laut Schlussrechnung der Baufirma vom 8. September 2014 und einer Aufstellung des Pewobe-Objektüberwachers Asseon werden Gesamtkosten von 3.949.275,91 Euro netto genannt (inkl. der Positionen „Winterbau“ und „Sonderleistung Termin“).

 

► Beim Lageso rechnete die Pewobe jedoch insgesamt 6.860.336,34 Euro netto ab, also fast drei Millionen Euro mehr. Merkwürdig: Nicht nur Leistungen wie Haustechnik und elektrische Installationen, die eigentlich im Pauschalpreis enthalten waren, wurden extra aufgeführt. Auch bei den Winterbaukosten gibt es Unregelmäßigkeiten: So rechnete die Baufirma gegenüber der Pewobe 304.000 Euro netto ab, gegenüber dem Lageso forderte Penz aber 718.984,33 Euro netto.

 

► Für den Bau der Flüchtlingsunterkunft am Rohrdamm (Spandau) für bis zu 350 Menschen forderte die von der Pewobe beauftragte Baufirma im Oktober 2014 rund 1,987 Millionen Euro netto von Penz. Zwei Monate später erfolgte eine neue Rechnung in Höhe von 1,745 Millionen Euro netto, von denen jedoch die Pewobe-Architekten nur 1,2 Millionen netto anerkannten. Diese wurden auch überwiesen. Beim Lageso rechnete die Pewobe dagegen 2 428.074,10 Euro netto ab.

 

B.Z.-Fragen will Penz nicht beantworten, sagt lediglich: „Derartige falsche Abrechnungen hat es nie gegeben. Die Pewobe hat alle Rechnungen korrekt und wahrheitsgemäß erstellt.“ Trotz des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens, behauptet Penz weiter: „Von offizieller Seite werden diese Vorwürfe auch nicht erhoben.“ 

 

Die Rede ist auch von gezielter Einschüchterung


Zu den Unregelmäßigkeiten bei den Penz’schen Immobiliengeschäften zählt auch ein anderer, bislang unbekannter Fall, in dem eine Penz-Firma unter merkwürdigen Umständen Hunderttausende Euro kassierte.

 

So hatte die Firma Ficon Development & Real Estate GmbH mit dem Hamburger Investment-Fonds Aviarent 2014 einen Vertrag über den Neubau von zwei Kitas in der Köpenicker Allee und der Ulmenstraße unterzeichnet.

 

Für den Bau bediente sich Ficon eines Subunternehmers. Doch statt der vereinbarten 1.162.700 Euro erhielt dieser lediglich 448.000 Euro, wie es in einer Strafanzeige des Anwalts des Subunternehmers gegen Penz heißt (liegt vor). Als der Subunternehmer sich beschwerte, habe die Ficon den Vertrag mit ihm am 3. August 2015 gekündigt.

 

In der Strafanzeige heißt es dazu: „Am Tag vor der Vertragskündigung hat der Mitarbeiter der Ficon, Herr Maximilian S. (…) mitgeteilt, dass das durch den Fonds Aviarent an die Ficon für das Bauvorhaben Kita Köpenicker Allee ausgezahlte Baugeld von dieser für eine Investition in Österreich zweckentfremdet wurde.“ Penz äußert sich dazu nicht.

 

Was in den darauffolgenden Wochen passiert, klingt wie eine Räuberpistole: Am 23. September und dem 26. Oktober 2015 kam es zu Treffen zwischen Managern und Anwälten von Ficon und Aviarent, wie Fonds-Boss Dan-David Golla bestätigt. Laut Gesprächsnotizen von Aviarent (liegen vor) behaupteten die Ficon-Vertreter, der Subunternehmer sei mit dem Geld verschwunden.

 

Schadensersatzansprüche wolle man nicht geltend machen, da man sich durch den Subunternehmer bedroht fühle. Gegenüber B.Z. versichert dagegen Ficon-Subunternehmer Stefan Franz* (44), der anonym bleiben will, er habe niemanden bedroht, sei nicht abgetaucht.

 

Zwei E-Mails, die B.Z. vorliegen, legen den Verdacht nahe, dass Franz aber gezielt eingeschüchtert werden sollte, um tatsächlich von der Bildfläche zu verschwinden. So trat im November Thomasz K. als Schuldeneintreiber eines polnischen Subunternehmers von Franz auf, der von Franz zwangsläufig nicht bezahlt werden konnte. Wenn das Geld nicht gezahlt werde, drohte K., wolle er zu Franz nach Hause kommen, „Sie schütteln, und das wird nicht nett. Also zahlen Sie und ersparen Sie mir den Weg“.

 

Als nichts passierte, schrieb er vier Tage später eine zweite E-Mail – mit einem schwerwiegenden Vorwurf: Penz habe ihm 50 000 Euro versprochen, damit er als Schuldeneintreiber auftrete und den Subunternehmer einschüchtere, sodass dieser „am besten aus Deutschland wegfährt oder wenigstens Berlin verlässt“. Weil Penz aber nicht gezahlt habe, wolle er nun die Wahrheit sagen. Eine B.Z.-Anfrage bei K. blieb unbeantwortet. Ebenso Fragen dazu an Penz.

 

Aviarent-Chef Golla sagt, man habe zwar Zweifel an Penz’ Darstellung zu dem Subunternehmer gehabt, da die erste Ratenzahlung an die Ficon nicht dem Bausoll entsprochen habe. Penz habe aber wiederholt Vorschläge gemacht, wie das Projekt zu Ende geführt werden könne, diese aber nicht eingehalten.

 

Inzwischen habe man deshalb Anwälte beauftragt. Doch wie das rechtlich zu bewerten ist, muss nun die Staatsanwaltschaft klären. Das kann sich jedoch noch über Monate hinziehen. Auf Anfrage sagt Penz lediglich: „Die in den Fragestellungen enthaltenen Vorwürfe sind in vollem Umfang unbegründet.“ 

 

Wird die Pewobe demnächst verkauft?


Unternehmerisch tritt Helmuth Penz derweil die Flucht nach vorn an: Nach Informationen der B.Z. plant er, sein Unternehmen Pewobe zu verkaufen, steht dazu auch in konkreten Verhandlungen. Er will lieber in die Unterbringung von Obdachlosen investieren. Das liegt politisch in der Verantwortung der Bezirke, die dringend Einrichtungen brauchen.

 

Leitende Pewobe-Angestellte, wie etwa Prokuristin Peggy M., die zuletzt wegen menschenverachtender E-Mails und einer Vergangenheit bei der rechtsextremen DVU aufgefallen war, wurden bereits als Heimleiter für ein Obdachlosenheim in der Lahnstraße berufen.

 

*Name geändert