Die Grabenkämpfe in der zerrütteten Berliner NPD gehen weiter. Der bisherige Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke unterlag am Samstag beim Landesparteitag in einer Kampfabstimmung gegen seinen Vorgänger Uwe Meenen. Der Führungswechsel in der Neonazipartei nach der Wahlpleite im September könnte als möglicher Auftakt für einen erneuten parteiinternen Machtkampf stehen. Der personelle Wechsel ist kein wirklicher Neuanfang. Erst 2012 – ebenfalls nach einer Wahlniederlage – hatte Schmidtke den Vorstandsposten von Meenen übernommen, der damals als verbraucht galt. Doch Meenen ist für viele Radikale in der Partei ein zuverlässigerer Hardliner.
Mit einem knappen Ergebnis zeigt sich der Landesverband nach dem Wahldebakel, bei dem der Partei alle Mandate in der Hauptstadt verloren gingen, gespalten. Meenen konnte nur vier Stimmen mehr auf sich vereinen, als sein Konkurrent Schmidtke, der 16 Stimmen erhielt. Auch wenn beide seit Jahren zusammen in Vorstand aktiv waren, steht der gebürtige Franke Uwe Meenen in einem zentralen Punkt durchaus für einen anderen Kurs als Schmidtke. Er ist im parteiinternen Flügelkampf lautstarker Gegner der Bundesführung um den Vorsitzenden Frank Franz und gehörte seit jeher zum „Freundeskreis Udo Voigt“, dem Sammlungsprojekt der Unterstützer des 2011 abgesetzten Bundesvorsitzenden. Er ist sogar persönlicher Mitarbeiter des geschassten NPD-Chefs Voigt, der seit 2014 als Einzelabgeordneter im EU-Parlament sitzt.
Volksverhetzer Meenen will für Neuanfang stehen
Schmidtke hingegen suchte die Nähe zum farblosen Parteichef Franz, einem Überbleibsel der Ära Holger Apfel und seines Konzepts der „seriösen Radikalität“, trat bundesweit mit ihm in Erscheinung und sitzt als „Bundesorganisationsleiter“ weiterhin im Parteivorstand. Die Konflikte der rivalisierenden Lager wurden nie beigelegt und rückten lediglich während des noch laufenden Verbotsverfahrens in den Hintergrund.
Doch der Hardliner Meenen sprach bereits Ende April im Rahmen einer Strategiedebatte von einem „Blindflug der Parteiführung“ und betonte, spätestens wenn „der Wiedereinzug in den Landtag von Mecklenburg und Vorpommern nicht gelingt, dann ist die Zeit für einen Neuanfang da“.
Insofern überrascht es nicht, dass der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Uwe Meenen für diesen personellen Neuanfang stehen will, „der auch anderswo in der NPD notwendig ist“, wie er in seiner Rede auf dem Parteitag betonte, ohne Protagonisten der Führungsriege konkret beim Namen zu nennen. Mit seiner Wahl sende „die Parteibasis der NPD in der Reichshauptstadt Berlin ein Signal in die Gesamtpartei“, so Meenen. Er nannte die griechische Neonazipartei „Goldene Morgenröte“ als Vorbild, wolle „jenen Teil des deutschen Volkes“ ansprechen, „der für eine gesunde Volksgemeinschaft eintritt“ und verstärkt mit anderen Neonazigruppierungen kooperieren: „Wenn auch heute noch z.T. in getrennten Organisationen marschiert wird, muß es doch unser Ziel sein, dort gemeinsam anzugreifen, wo dies sinnvoll und möglich ist.“
Aus der entsprechenden Ecke bekommt Meenen Beifall für seine Wahl: Auf der Facebook-Seite des Landesverbandes wünschte der kürzlich aus Haft entlassene niedersächsische Neonazi Dieter Riefling dem neugewählten Vorsitzenden „Glück im Kampf“ und konkretisiert: „Erst nach innen, dann nach außen!“ Auch der Berliner NPD-Funktionär Thomas Hübener frohlockte auf der Seite: „Insbesondere den Hinweisen in seiner Antrittsrede auf erforderliche personelle Veränderungen und parteiübergreifende Kooperationbereitschaft gebühren Aufmerksamkeit und Anerkennung“.
Tweet der Konkurrenz stiftet Verwirrung
Die Wahl Meenens birgt aber auch aus einem anderen Grund nicht unerhebliche parteiinterne Brisanz: Neben seiner Tätigkeit bei der NPD ist er auch der Neonazigruppierung „Der III. Weg“ freundschaftlich verbunden. Mehrfach trat er auf Veranstaltugnen der Partei auf. Nach seiner Wahl zum Landesvorsitzenden gratulierte „Der III.Weg“ auf Twitter: „NPD-Berlin am Ende! Neuanfang mit Uwe Meenen“ und bezeichnet diesen sogar als Mitglied.
Für Meenen ein reines Missverständnis. „Ich bin nicht Mitglied der Partei Der III.Weg“, sagte er auf Nachfrage von ZEIT ONLINE. Eine Einzelperson habe getwittert und den Tweet nach kurzer Zeit wieder löschen müssen.
Ansonsten blieben Überraschungen im Landesvorstand aus. Seit jeher hat die Partei in Berlin mit einer dünnen Personaldecke zu kämpfen. Meenes Stellvertreter wurden Stefan Lux und Andreas Käfer, die beide Bezirksvorsitzende in Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf sind. Josef Graf bleibt auch nach dem Parteitag Schatzmeister. Sebastian Schmidtke und Jens Irgang sind als Beisitzer im Vorstand.
Die NPD steht derzeit vor der Herausforderung, im rechten Lager zwischen radikaleren Gruppierungen wie „III. Weg“ und „Die Rechte“ einerseits und den Rechtspopulisten der AfD andererseits in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die Neuaufstellung des Vorstands sieht insofern wie der verzweifelte Versuch aus, sich noch eine Daseinsberechtigung zu schaffen.